Hamburg. Fast 5000 Beschäftigte in Hamburg betroffen. Was nun genau geplant ist und wie die Angestellten auf die Ideen der Führung reagieren.

  • Der Onlinehändler Otto ändert seine Homeoffice-Regelung.
  • Es sei eine Anwesenheitspflicht von 50 Prozent in Planung.
  • Das Regelwerk sorgt für Empörung.

Riesenaufregung beim Onlinehändler Otto in Hamburg: Das Unternehmen will die Regeln für das Arbeiten im Homeoffice ändern. Seitdem sich die ersten Nachrichten zu den neuen Präsenzpflichten in den E-Mail-Fächern und im Intranet verbreitet haben, gibt es nach Abendblatt-Informationen massive Kritik von Beschäftigten.

Bislang war es den Teams von Deutschlands größtem Onlineshop selbst überlassen, wie sie die Arbeit zwischen Homeoffice und am Arbeitsplatz in der neuen Zentrale auf dem Otto-Campus in Bramfeld verteilen. Jetzt will der Arbeitgeber eine Anwesenheitspflicht von 50 Prozent vorschreiben. Am Donnerstag sollen die Mitarbeitenden von Otto in einem Townhall-Meeting über die Homeoffice-Änderungen informiert und Fragen dazu beantwortet werden.

Otto Hamburg ändert Homeoffice-Regeln und erntet Shitstorm

Der Versandhändler gehört zu den Unternehmen in Deutschland, die auch schon vor Corona flexible Arbeitszeitmodelle gefördert hatten. Seit Beginn der Pandemie war der Anteil der sogenannten Remote-Arbeit deutlich gestiegen. „Die vielfältigen Vorteile eines hybriden Arbeitsmodells können nur dann vollumfänglich zur Geltung kommen, wenn wir dauerhaft und unternehmensweit eine ausgewogene Balance aus Präsenz- und Remote-Arbeit schaffen. Das ist bislang nicht der Fall“, erklärte ein Firmensprecher jetzt auf Abendblatt-Anfrage. Konkretere Angaben machte er nicht.

Neue Otto Firmenzentrale
Personalvorständin Katy Roewer steht vor der Eröffnung der neuen Hamburger Otto-Firmenzentrale im April im Atrium. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

„Deshalb passen wir unser hybrides Arbeitsmodell zu Januar 2025 insofern an, dass künftig 50 Prozent der Arbeitszeit auf dem Otto Group Campus stattfinden“, hieß es aus der Firmenzentrale. Die übrigen 50 Prozent der Arbeitszeit können die Beschäftigten frei und flexibel wählen. Feste Anwesenheitstage gibt Otto demnach nicht vor: Die Organisation der Präsenztage obliege den Teams. Betroffen sind die fast 5000 Beschäftigten des Unternehmens in der Hansestadt.

Otto-Beschäftigte kritisieren die neue Präsenzpflicht

Auch wenn die genaue Ausgestaltung und Umsetzung der Reglung noch nicht final beschlossen ist, haben sich im firmeneigenen Intranet bereits viele Otto-Beschäftigte zu der Kehrtwende geäußert – vor allem negativ. Die Stimmung schwankt nach Abendblatt-Informationen zwischen Verzweiflung, Ärger und Wut. „Man kann das schon als Shitstorm bezeichnen“, sagte eine Mitarbeiterin, die anonym bleiben möchte.

Kritik gibt es unter anderem daran, dass eingespielte und bewährte Arbeitsmodelle über den Haufen geworfen würden und den Teams Vertrauen entzogen werde. Manche Beschäftigte haben auch Existenzängste geäußert, weil sie in einer anderen Stadt leben und sich im Homeoffice eingerichtet haben. Andere sehen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefährdet.

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Fakt ist, dass Otto vor allem seit der Pandemie auf das Konzept des Activity Based Workings als Arbeitsmodell setzt, in dem Präsenz-und Remote-Arbeit flexibel kombiniert werden. Auch der Umbau des neuen Headquarters ist darauf ausgerichtet. Dort verteilen sich den Angaben zufolge auf 40.000 Quadratmetern 1600 Arbeitsplätze, 170 Meetingräume, drei Eventflächen und acht große Begegnungs- sowie Pausenräume. Die Arbeitsplatzmöglichkeiten sind über eine App für die jeweiligen Anwesenheitstage buchbar. Otto hatte zuletzt mit Umsatzrückgängen und Verlusten zu kämpfen.

Otto: Onlinehändler ändert Homeoffice-Regeln und erntet Shitstorm

Während die Arbeit im Homeoffice für viele, vor allem jüngere Arbeitnehmer inzwischen eine wichtige Voraussetzung bei der Wahl des Arbeitsplatzes ist, haben mehrere große Techkonzerne in den USA ihre Mitarbeiter in die Büros zurückgeholt. Zuletzt hatte der Handelsriese Amazon das Ende des Homeoffice von Januar 2025 an angekündigt. Auch andere Unternehmen haben bereits neue Maßnahmen ergriffen. Bei Fritz-Kola in Hamburg ist mobiles Arbeiten an zwei Tagen in der Woche möglich. Der Montag ist als Homeoffice-Tag ausdrücklich ausgeschlossen.

Bei Otto versucht Personalvorständin Katy Roewer im Intranet die Wogen zu glätten. Demnach solle die neue Regelung erst mal für drei Monate getestet werden. Am Donnerstag dieser Woche wollen sie und ihre Vorstandskollegen die genaue Ausgestaltung bei einem sogenannten Townhall-Meeting vorstellen. Dann können auch Fragen gestellt werden. In Präsenz und aus dem Homeoffice.

Trendwende beim Homeoffice: Forscher sind skeptisch

Dass es insgesamt in Deutschland zu einer Trendwende beim Thema Homeoffice kommt, halten Forscher für unwahrscheinlich. „Der Umfang von Homeoffice ist gegenüber dem Vorjahr unverändert“, hatte etwa Ifo-Forscher Jean-Victor Alipour zu einer im September veröffentlichten Unternehmensumfrage seines Instituts gesagt. So seien aktuell 23,4 Prozent der Beschäftigten zumindest teilweise im Homeoffice.

Besonders verbreitet ist Homeoffice demnach in Großunternehmen: Dort verbringen Beschäftigte 20 Prozent ihrer Arbeitszeit zu Hause. Dagegen liegt der Anteil in kleinen und mittleren Unternehmen nur bei 15 Prozent, wie das Ifo-Institut herausfand. Zudem habe eine Auswertung von Stellenanzeigen ergeben, dass darin deutlich häufiger Homeoffice als Option angeboten werde. Zuletzt zeigte sich ein Höchststand von rund 21 Prozent.

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