Hamburg. Die Hamburger Floristin hat fünf Geschäfte geschlossen. Warum ein Neuanfang nötig ist – und wo man sie jetzt noch findet.

Punkt 4 Uhr hat an diesem Morgen der Wecker geklingelt, um 5 Uhr war Tessa Petzoldt auf dem Blumengroßmarkt. Lange bevor ihr Mann und die Kinder aufstehen. „Die Uhrzeit ist ok. Bis vor Kurzem musste ich schon um 4 Uhr da sein, um alles zu schaffen“, sagt die Eppendorfer Blumenhändlerin. Da hat sie auch noch sechs Filialen ihres Unternehmens Tessa Petzoldt Blumentochter in Hamburg betrieben. Das ist jetzt Geschichte.

Nur den Laden am Lokstedter Weg in Eppendorf hat die Unternehmerin behalten. „Das ist der erste Laden, den ich vor fast 15 Jahren eröffnet habe. Ich kehre zurück zu meinen Wurzeln“, sagt die 40-Jährige. Schon im vergangenen Jahr hatte sie ihr kleines Blumen-Imperium deutlich verkleinert, im Sommer schloss sie auch noch die Dependance in der Hegestraße. „Ich habe keine Mitarbeiter mehr gefunden. Das ist im Moment für die ganze Branche das größte Problem.“

Blumentochter Tessa Petzoldt: Nur ein Laden bleibt übrig

Dazu kommt, dass sich das Einkaufsverhalten nach der Corona-Pandemie stark geändert hat. Krieg und Katastrophen, dazu die Inflation. „Alles ist teurer geworden. Und ein Strauß frischer Blumen ist ein Luxusartikel, da darf man sich nichts vormachen“, sagt die Blumenhändlerin, die aus der Hamburger Floristenfamilie Petzoldt stammt. Auch deshalb hat sie sich entschieden, ihr Geschäft deutlich herunterzufahren und einen Neustart zu wagen. Mit einem besonderen Angebot, Onlineshop und Workshop-Programm. Blumentochter 3.0 sozusagen.

Die Branche steht schon länger unter Druck. Der Umsatz mit Blumen und Pflanzen in Deutschland hat nach Angaben des Fachverbands Deutscher Floristen 2019 bei neun Milliarden Euro gelegen. Trotz der teilweisen Lockdowns stieg er während Corona an, auf 10,2 Milliarden Euro im Jahr 2021. Seitdem sinken die Erlöse der Branche aber kräftig. 2023 wurden nur noch 8,6 Milliarden Euro erzielt. Eine Prognose für das laufende Jahr gibt es nicht.

Einzelhandel: Weniger Blumenläden in Hamburg

Vielerorts schließen Blumenläden, da ist Tessa Petzoldt mit ihren Blumentochter-Filialen kein Einzelfall. Es machen auch neue auf, aber weniger. In Hamburg gab es nach Angaben der Handelskammer vor drei Jahren noch 339 Blumenfachgeschäfte. Derzeit sind es noch 331 Mitgliedsunternehmen.

„Die Branche ist im Wandel“, sagt Floristenverbands-Sprecherin Nicola Fink. Wenn Geschäfte schlössen, sei das oft eine Generationenfrage. „Inhaberinnen und Inhaber gehen in den Ruhestand und finden leider oftmals keine Nachfolger.“ Teilweise würden schlichtweg Kunden fehlen. Als weiteren Grund nennt auch sie Personalmangel. Zugleich beobachtet die Branchenexpertin, dass sich jüngere Floristen breiter aufstellen und alternative Geschäftsmodelle entwickeln. „Sie arbeiten als Event-Floristen und Freelancer für Firmen, haben eine Werkstatt, aber nicht unbedingt auch ein Ladengeschäft.“

Blumentochter Hamburg: Mit besonderer Floristik gegen die Supermarkt-Konkurrenz

Tessa Petzoldt macht weiter, aber anders. Statt großem Lastwagen fährt sie jetzt mit einem Kleintransporter zum Blumengroßmarkt, besorgt Dahlien und Hortensien, Astern, Rosen und was sonst gerade im Blumenjahr Saison hat. Statt 20 Beschäftigten hat sie noch zwei feste Mitarbeiterinnen, zwei Aushilfen und eine Praktikantin. Sie selbst ist wieder jeden Tag im Laden. „Alle Liebe geht in den Laden, mit dem alles angefangen hat.“

Dabei setzt sie verstärkt auf besondere Floristik und individuelle Kundenwünsche, hauptsächlich mit Blumen aus der Region. Direktimporte aus Holland hat sie gestoppt, mit denen sie in früheren Jahren versucht hat, ihr Angebot für jeden Geldbeutel erschwinglich zu machen. „Gegen die Konkurrenz großer Filialisten wie Blume 2000, aber vor allem auch von Supermärkten und Discountern, komme ich sowieso nicht an.“ Zehn Tulpen für 1,99 Euro, das sei ein Lockmittel, an dem die Händler nichts verdienen könnten, kritisiert Petzoldt.

Blumentochter Tessa Petzoldt hat mehr als 10.000 Follower auf Instagram

Auch das Geschäft auf den Wochenmärkten, das die Blumenhändlerin in der Pandemie-Zeit als weiteres Standbein gestartet hatte, hat sie stark zurückgefahren. Sie selbst ist nur noch sonnabends auf dem Goldbek-Markt mit einem Stand vertreten. Den Isemarkt sowie die Wochenmärkte in Lokstedt hat sie an ihren Bruder Robin Petzoldt abgegeben. „Die letzten vier Jahre waren ein harter Kampf“, sagt die Unternehmerin, deren Lebensgefährte Guido Graf die Firma mit aufgebaut hat. „Auch wegen meiner Familie möchte ich diesen Druck nicht länger haben.“

Konkrete Umsatzzahlen nennt Tessa Petzoldt nicht. Aber, sagt sie, der Laden am Lokstedter Weg ist auf einem guten Weg. „Die Tendenz geht nach oben.“ Dafür tut sie auch außerhalb der Öffnungszeiten einiges. Fast jeden Tag nimmt sie ihre 11.000 Follower mit in ihre Blumenwelt, postet vom Großmarkt oder aus ihrem Laden. Mit Erfolg. Als sie unlängst einen Hagebutten-Kranz auf ihrem Kanal gezeigt hatte, waren alle zehn Exemplare schon mittags über Instagram verkauft.

Mehr Wirtschaftsthemen

Im vergangenen Jahr hat sie einen Onlineshop eröffnet, über den sie bei tagesaktueller Lieferung Sträuße ab 20 Euro plus Liefergebühr nach Entfernung anbietet. Auch Workshops (etwa zum Adventskranz binden) sowie Vasen, Blumentöpfe und andere Accessoires sind im Angebot.

Blumentochter Tessa Petzoldt: Gartenschere mit besonderer Mission

Besonders am Herzen liegt ihr die Kooperation mit dem Berliner Start-up Chop Chop Bloom, das Premium-Blumenscheren aus deutscher Fertigung anbietet (ab 99 Euro). „Ich bin sehr überzeugt von den Scheren. Sie sind wirklich messerscharf, und man kann Blumen damit schneiden, ohne sie zu schädigen“, sagt Petzoldt, deren Großvater unter anderem den bekannten Art-Deco-Blumenladen im Hauptbahnhof betrieben hat und deren Eltern ein Geschäft in der Gertigstraße haben.

Gerade hat sie in Kooperation mit den Berlinern eine Sonderedition eingeführt. Unter dem Namen „Pink Tulip“ verkauft sie eine Gartenschere mit leuchtend pinkfarbenen Ledergriffen zugunsten des Hamburger Projekts „Hamburg wird pink“, das sich für die Früherkennung von Brustkrebs einsetzt. Für jede verkaufte Schere (119 Euro) gehen fünf Euro an die Initiative.