Hamburg. Inhaber Rüdiger Loops will RadundTat abgeben, bislang hat er keinen Nachfolger. Aber jetzt gibt es Hoffnung für den Traditionsbetrieb.
Wo früher ein Rad neben dem anderen aufgereiht war, verlieren sich drei E-Bikes. Ein Stück weiter stehen noch drei Kinderräder. „Das sind die letzten“, sagt Rüdiger Loops. Sein Fahrradladen RadundTat in Ottensen ist fast leer. In den Regalen liegen ein paar Helme, nur noch kleine Größen. Schlösser und Spiegel, Reifen und sonstiges Radzubehör – von allem gibt es nur noch Reste. „Eine Ära geht zu Ende – wir schließen zum Jahresende 2024“ steht draußen dran und auf der Internetseite.
Es sieht schon ziemlich traurig aus in dem Geschäft in einem großen Hinterhof nicht weit vom Bahnhof Altona. Aber Rüdiger Loops ist nicht traurig. Fast 40 Jahre gibt es den Traditionsbetrieb in Ottensen, fast 20 Jahre hat er ihn geführt. Im Sommer hat Loops beschlossen, dass er aufhören will. Im Januar wird er 64 Jahre alt. Seit einigen Wochen läuft der Räumungsverkauf mit satten Rabatten von 40 Prozent auf alles. „Es ist ja der Sinn eines Abverkaufs, dass der Laden leer wird“, sagt der Hamburger in seiner nüchternen Art.
Nach fast 40 Jahren: Kult-Radladen in Ottensen macht dicht
Auch Reparaturtermine gibt es praktisch nicht mehr. Wenn ..., wenn sich nicht doch noch etwas tut. Schon im vergangenen Jahr hatte der Fahrradhändler angefangen, in der Branche eine Nachfolgelösung für seinen Betrieb zu suchen. Erst mal ohne Erfolg. „Aber seitdem der Räumungsverkauf Ende August gestartet ist, haben sich mehrere Interessenten gemeldet.“ Noch ist nichts unterschrieben, aber es gibt Hoffnung. „Ich verhandele mit mehreren Parteien und bin guten Mutes. Ich würde mich sehr freuen, wenn es an dem Standort weitergeht.“ Dann ohne ihn.
RadundTat ist eine bekannte Adresse in Ottensen. Das war auch schon so, als Loops das Geschäft in einer ehemaligen Autowerkstatt 2005 übernahm. Von Laufrädern für die Kleinsten über stabile Stadträder bis zu E-Bikes aus einer Manufaktur in der Eifel – mehr als 500 Räder von Marken wie Falter, vsf Fahrradmanufaktur, Breezer oder HoheAcht verkauft der Fachhändler im Jahresschnitt. Nicht gerade billig, aber solide. „Alltags-Reisen und Familienmobilität, wir sind ein klassischer Fahrrad-Nahversorger“, beschreibt er das bewährte Konzept. Einen Onlineshop hatte RadundTat nie. „Ich verkaufe kein Rad ohne Probefahrt.“
RadundTat ist ein klassischer Fahrradladen, ohne Onlineshop
Der Laden läuft, vielleicht gerade deshalb. Dass Loops mit dem Auslaufen seines Mietvertrages Anfang 2025 aufhören will, hat vor allem Altersgründe. „Ich repariere und verkaufe seit 40 Jahren Fahrräder“, sagt der Mann, der nach einer Druckerlehre und einem Volkswirtschaftsstudium entschieden hatte, seiner Passion für Fahrräder zu folgen. In Höchstzeiten hat er sein Geschäft mit vier Beschäftigten in der Werkstatt und drei weiteren im Verkauf geschmissen.
Die Kunden, darunter viele treue Stammkunden, reagierten verständnisvoll auf das bevorstehende Ende, aber teilweise auch emotional. „Manche haben schon ihr Jugendrad im Laden bekommen und kaufen jetzt die Fahrräder für ihre Kinder bei RadundTat“, sagt Loops. Außerdem: Schon wieder schließt ein alteingesessenes Geschäft im Stadtteil.
Lange Wartezeiten auf Fahrradreparatur in Ottensen
Und ganz praktisch: In den wenigen verbliebenen klassischen Fahrradläden in der Umgebung herrscht schon jetzt massiver Reparaturstau. Die Wartezeiten auf einen Termin betragen nicht selten vier Wochen und mehr. Allein in diesem Jahr hat RadundTat schon 3300 Reparaturen durchgeführt. Die müssten dann woanders gemacht werden.
Wie kann es da überhaupt sein, dass sich in einem Stadtteil wie Ottensen zunächst kein Nachfolger für seinen Radladen fand? Rüdiger Loops sieht die Gründe in der aktuellen Lage seiner Branche nach dem Boom in der Corona-Zeit. „Nachdem die Nachfrage 2020/2021 explosionsartig gestiegen war und dem Fahrradhandel eine Sonderkonjunktur beschert hat, haben die Unternehmen deutlich mehr Waren bestellt.“ Dann seien die Beschränkungen weggefallen und die Nachfrage habe sich normalisiert. „Das Problem ist“, vermutet er, „dass es bis jetzt deutliche Warenüberbestände gibt und viele Händler mit sich selbst beschäftigt sind.“
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Branchenzahlen belegen das: 2022 hatte die Fahrradbranche auch wegen des Verkaufs von Zubehör einen Rekordumsatz von 10,79 Milliarden Euro erwirtschaftet, 2023 fielen die Erlöse auf 10,24 Milliarden. Das geht aus einer Studie des unabhängigen Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH) in Kooperation mit der BBE Handelsberatung hervor. Mit dem sukzessiven Abbau der Lagerbestände zeichne sich ab, „dass die Branche noch in diesem Jahr wieder in normales Fahrwasser kommt“, so Florian Schöps von der BBE Handelsberatung. Ein Aufschwung ist demnach allerdings erst in den nächsten Jahren zu erwarten.
Nach fast 40 Jahren: Kult-Radladen in Ottensen macht dicht
Trotzdem herrscht bei Verbänden und Händlern inzwischen wieder mehr Zuversicht. „Wir haben kein Nachfrageproblem“, sagt der Ottensener Radhändler Loops. Mit Start seines Räumungsverkaufs war sein Laden voll. „Es war wie im Bienenstock. Knapp 400 Räder waren in sieben Wochen weg.“ Aber klar sei auch, dass perspektivisch bei mehr Rädern auf der Straße mehr Service gebraucht werde. „Aktuell gibt es ein Personalproblem.“ Auch deshalb hofft der Fachhändler, dass er seinen Laden samt kompletter Werkstatt und Markenrechten doch noch an einen Nachfolger übergeben kann. „Es wäre für alle ein Hauptgewinn, auch für den Stadtteil.“
Die Entscheidung soll bis Ende November fallen. Von Januar an will Rüdiger Loops sich nur noch um seine eigenen Fahrräder kümmern. Immerhin acht Stück, außer den dreien seiner Frau und den beiden seiner Tochter. Zu Hause in Iserbrook hat er eine eigene Werkstatt, klein, aber fein. Schließlich will er endlich auch wieder mehr Zeit auf dem Rad verbringen. „Früher bin ich 5000 bis 8000 Kilometer im Jahr gefahren.“