Hamburg. Das Projekt der Genossenschaft Kaifu-Nordland sorgte für Schlagzeilen. Warum der Bürgermeister es beim Richtfest mit Singapur vergleicht.
Es ist eines dieser Projekte, für die gern die Beschreibung „aus dem Ruder gelaufen“ verwendet wird. Dabei hat die Baugenossenschaft Kaifu-Nordland nur Gutes im Sinn: 106 Wohnungen baut sie in Lokstedt in der Nähe zu Hagenbecks Tierpark, darunter 20 öffentlich geförderte Sozialwohnungen und 86 frei finanzierte, zudem eine Kindertagesstätte mit gut 50 Plätzen.
Während die Sozialwohnungen wie üblich für rund 7 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter angeboten wurden – dieses erste Gebäude ist bereits fertig und voll vermietet –, hatte sie für die frei finanzierten Wohnungen ursprünglich mit 14 bis 15 Euro kalkuliert. Für eine Genossenschaft, die mehr als 5000 Wohnungen in der Hansestadt zu einer Durchschnittsmiete von rund 7 Euro pro Quadratmeter anbietet, schon recht happig. Aber günstiger lässt sich ohne staatliche Förderung derzeit kaum noch bauen.
106 neue Wohnungen in Lokstedt sollen 2025 fertig sein
Doch dabei blieb es nicht. Weil sich das bei einigen Anwohnern durchaus umstrittene Nachverdichtungsprojekt am Lohkoppelweg seit Planungsbeginn 2016 immer wieder verzögerte, geriet es schließlich in die Phase der Baukostenexplosion und massiv steigender Zinsen infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine. Und so muss Genossenschaftsvorstand Dennis Voss nun rund 20 Euro pro Quadratmeter für die frei finanzierten Wohnungen nehmen, wie er vor einigen Monaten im Gespräch mit dem Abendblatt zerknirscht eingeräumt hatte.
20 Euro bei einer Genossenschaft – das hatte für einiges Aufsehen in der Branche gesorgt. Voss hatte die Verantwortung für die Verzögerung unter anderem beim Bezirksamt Eimsbüttel gesehen, das 18 Monate für die Baugenehmigung benötigt habe, mehr als doppelt so lang wie sonst üblich. „Nicht akzeptabel“, sei das. Das Bezirksamt hatte den Vorwurf zurückgewiesen und auf die „mangelhaften und unvollständig eingereichten Bauvorlagen“ verwiesen.
Genossenschaft Kaifu-Nordland investiert 50 Millionen Euro
Wie dem auch sei: Stoppen ließ sich das Projekt, in das die Kaifu-Nordland rund 50 Millionen Euro investiert, jedenfalls nicht mehr, und so wurde nun am Montag Richtfest gefeiert – im Beisein von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), was beim Bau von gut 100 Wohnungen nicht alltäglich ist, und zeigte, dass es nicht um irgendein Projekt ging.
„Trotz der gestiegenen Kosten und der langen Planungsphase geben wir unseren Anspruch nicht auf, bezahlbaren und qualitativ hochwertigen Wohnraum zu schaffen“, sagte Dennis Voss und pries „Lok 67“, so der vom Bebauungsplan abgeleitete Name des Quartiers: „Hier entsteht moderner, qualitativ hochwertiger Wohnraum für unterschiedliche Lebensentwürfe und Haushaltsgrößen, der gleichzeitig hohe ökologische Standards erfüllt.“
„Verdammt noch mal“: VNW-Chef Breitner kritisiert Bezirke
Das Angebot reicht von kompakten Einpersonenwohnungen mit etwa 40 Quadratmetern bis zu geräumigen Familienwohnungen mit bis zu fünf Zimmern und mehr als 100 Quadratmetern Wohnfläche. Jede Wohnung verfüge über eine Terrasse oder einen Balkon und sei dank Aufzügen und stufenlosen Eingängen barrierearm zugänglich, so die Genossenschaft. Die Fertigstellung sei für Mitte 2025 geplant.
„Der lange Weg, den wir hinter uns haben, hat sich gelohnt“, befand Voss und deutete den Ärger um die Baugenehmigung damit nur an. Die Rolle des Kritikers übernahm beim Richtfest stattdessen Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW): Dieser Senat habe im Bereich Wohnungsbau zwar „sehr vieles richtig gemacht“, aber diese Haltung „müssen wir, verdammt noch mal, stärker in die Bezirke bekommen“, forderte Breitner.
Mieten Hamburg: 20 Euro pro Quadratmeter sorgen für Kritik
„Jeden Tag lese ich Mails über Baugenehmigungsverfahren, von denen ich denke: Das könnte geschmeidiger laufen“, erzählte der VNW-Chef, dessen Verband im Norden mehr als 440 Genossenschaften und Wohnungsgesellschaften mit rund 775.000 Wohnungen vertritt. Wenn der Wohnungsbau diese Bedeutung habe, die der Senat ihm beimesse, „dann ist es für uns von allerhöchster Bedeutung, dass dies bis in die allerletzte Amtsstube der Verwaltung in Hamburg durchdringt. Das darf nicht im Rathaus enden.“
Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) tue zwar schon „alles“, um die Verfahren zu beschleunigen, aber, so Breitner zum Bürgermeister: „Es kann ja nicht schaden, wenn Sie sie dabei unterstützen.“ Mit Blick auf das Bauprojekt der Kaifu, die er in den höchsten Tönen lobte, mahnte der Verbandschef: „Eine Durchschnittsmiete von knapp 20 Euro ist nicht die Zukunft des Wohnens in Hamburg.“
Bürgermeister Tschentscher: „Es gehören immer zwei Seiten dazu“
Tschentscher war auf diese Problematik in seiner kurzen Rede zunächst nur andeutungsweise eingegangen („die eine oder andere Komplikation“) und hatte stattdessen ebenfalls die Genossenschaft und ihren Einsatz für günstigen Wohnraum gelobt. Auf Nachfrage des Abendblatts räumte der Bürgermeister aber ein: „18 Monate sind nicht unser Ziel, Baugenehmigungen sollen normalerweise nach drei bis sechs Monaten vorliegen.“ Das klappe in der Regel auch.
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Grundsätzlich gelte: „Es gehören immer zwei Seiten dazu“, so Tschentscher. Einerseits Behörden, die zügig arbeiten. „Andererseits müssen die Antragsteller auch alle Unterlagen fristgerecht und vollständig einreichen.“ Wer nun bei dem Projekt in Lokstedt konkret welchen Fehler gemacht hat, wollte der Bürgermeister nicht beurteilen.
Tschentscher: Was Hamburg mit Singapur gemein hat
Er freue sich aber, dass die Genossenschaft sich zur Nachverdichtung auf ihrem eigenen Grundstück entschlossen habe. Auf seiner Asienreise, von der er erst am Tag zuvor zurückgekehrt war, habe er im Stadtstaat Singapur – der bei gleicher Fläche dreimal so viele Einwohner wie Hamburg hat – gesehen, wie dort um die möglichst effiziente Nutzung jedes Quadratmeters gerungen werde.
Das sei auch in Hamburg wichtig, so der Bürgermeister: „Wie in Singapur ist es auch bei uns: Wir wollen mehr Wohnraum schaffen, aber die Grundstücke müssen sehr gut genutzt werden, deswegen ist dieses Projekt etwas Vorzeigbares.“