Genossenschaften sind verschlossen und bevorzugen Mitglieder? Falsch! Die besten Tipps, um an die preiswerten Wohnungen zu kommen.
- Mieten von Genossenschaftswohnungen liegen deutlich unter dem Mietenspiegel
- Fast alle Genossenschaften sind offen für neue Mitglieder
- Wie man am besten vorgeht, um eine der begehrten Wohnungen zu bekommen
Hamburg. Die Schlagzeilen über den Hamburger Wohnungsmarkt waren zuletzt selten gute. Hohe Nachfrage, kaum freie Wohnungen, daher weiter steigende Mieten – und das, obwohl Hamburg im vergangenen Jahrzehnt den Wohnungsbau stärker angekurbelt hatte als alle anderen deutschen Großstädte.
Mittlerweile tut sich sogar das bislang erfolgreiche „Bündnis für das Wohnen“ aus Senat, Bezirken und Wohnungswirtschaft immer schwerer, für neuen Wohnraum sorgen. Viele Projekte werden gestoppt, gar nicht erst angegangen oder laufen wegen steigender Zinsen und Baukosten aus dem Ruder. So hatte das Abendblatt kürzlich über die mehr als 100 Wohnungen berichtet, die die Genossenschaft Kaifu-Nordland in Lokstedt errichtet und für die sie nach langem Warten auf eine Baugenehmigung nun überwiegend fast 20 Euro pro Quadratmeter Miete nehmen muss – was so natürlich nicht geplant war.
Mieten: Genossenschaften betreiben 135.000 Wohnungen in Hamburg
Diese Schlagzeilen überdecken jedoch die Tatsache, dass es nach wie vor sehr viele günstige Wohnungen in Hamburg gibt, vor allem bei den etwa 30 Genossenschaften, die rund 135.000 Wohnungen verwalten, in denen etwa 230.000 ihrer Mitglieder leben. Die Durchschnittsmiete liegt hier bei 7,10 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche (netto-kalt) – also deutlich unter dem Mietspiegel von 9,29 Euro pro Quadratmeter, der nur tatsächlich neu vereinbarte Mieten abbildet, und noch deutlicher unter den durchschnittlichen Angebotsmieten, die je nach Studie zwischen 12 und 15 Euro variieren.
Die Tatsache, dass Genossenschaften nur an ihre Mitglieder vermieten und nur äußerst selten Wohnraum nach außen hin sichtbar anbieten, wird oft dahingehend missverstanden, dass Außenstehende keine Chance auf diese Wohnungen haben – doch das ist keinesfalls so. Wie eine Umfrage des Abendblatts bei den großen Wohnungsgenossenschaften ergab, vermieten sie alle jeweils einige Hundert Wohnungen pro Jahr an Menschen, die bis dahin nicht Mitglied waren. Einzige Bedingung: Sie müssen dann Mitglied werden.
Bauverein vermietet 400 Wohnungen im Jahr an Nichtmitglieder
So heißt es auf der Homepage des Bauvereins der Elbgemeinden (BVE), mit 14.467 Wohnungen und mehr als 20.000 Mitgliedern die größte Hamburger Genossenschaft, offiziell: „Es tut uns leid, aber zurzeit sind keine Wohnungsangebote vorhanden.“ Kein Wunder, Wohnungen zu einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 6,96 Euro (jeweils netto-kalt) sind natürlich hochbegehrt – zumal zwei Drittel davon im beliebten Bezirk Altona liegen. Die Leerstandsquote liegt nach BVE-Angaben bei unter einem Prozent und hat eher technische Gründe.
Wie bei allen Genossenschaften werden auch beim BVE frei werdende Wohnungen „vorrangig den Mitgliedern zur Verfügung gestellt“, heißt es. Doch da beginnt es auch für Außenstehende interessant zu werden. Denn „vorrangig“ bedeutet: Wenn eine Wohnung bei den Mitgliedern nicht nachgefragt wird, kann sie theoretisch jede und jeder mieten. Nichtmitglieder würden in solchen Fällen nach vorheriger Online-Bewerbung ein passendes Wohnungsangebot erhalten, teilte der Bauverein der Elbgemeinden mit.
Wer Mitglied werden will, muss Anteile für einige Tausend Euro kaufen
Und das kommt gar nicht so selten vor. „Im Jahr vermieten wir ca. 400 Wohnungen auch an Nichtmitglieder“, hieß es. Wobei sich „Nichtmitglieder“ nur auf den Status vor der Anmietung bezieht – denn wer bei einer Genossenschaft einen Mietvertrag unterschreibt, muss auch Mitglied werden und muss Anteile erwerben, und das muss man sich erst mal leisten können.
So kostet beim BVE ein Genossenschaftsanteil derzeit rund 50 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche für eine frei finanzierte, also nicht staatlich geförderte Wohnung. Bei einer 70-Quadratmeter-Wohnung wären das also 3500 Euro. Vorteil daran: Das Geld wird sicher angelegt und sehr ordentlich verzinst. Für 2022 lag der Zins bei allen angefragten Genossenschaften bei vier Prozent und damit deutlich über dem, was die meisten Hamburger Banken für Festgeld bezahlt haben.
Bei den Schiffszimmerern geht jede zweite Wohnung an neue Mitglieder
Das gilt auch für die Allgemeine Deutsche Schiffszimmerer Genossenschaft, die in Hamburg 9000 Wohnungen zu einer durchschnittlichen Nettokaltmiete von 7,51 Euro betreibt. „Derzeit haben wir leider keine Angebote“, heißt es auf der Homepage. Leerstand? Fehlanzeige. „Wir haben ausschließlich Leerstand im Zuge von Großprojekten“, heißt es auf Anfrage – also nur dann, wenn Wohnungen neu gebaut werden, abgerissen oder modernisiert werden sollen.
Gleichwohl: Von den rund 600 Wohnungen, die pro Jahr von den Schiffszimmerern neu vermietet werden, geht nur rund jede zweite an bestehende Mitglieder – die andere Hälfte, also immerhin rund 300 Wohnungen pro Jahr, mieten Neumitglieder an. Wer darauf hofft, kann sich auf eine Warteliste setzen lassen, muss dafür allerdings persönlich ins Beratungszentrum an der Fuhlsbüttler Straße kommen.
Besonders gute Chancen habe man in „zentrumsferneren Wohnanlagen“ wie etwa in Bergstedt, Lohbrügge, Steilshoop, Rahlstedt oder Schwarzenbek, heißt es auf der Homepage. Wie eine Sprecherin mitteilte, handele es sich meist um Wohnungen mit kurzen Vorlauffristen von ein bis zwei Wochen bis Vertragsbeginn – man muss also schnell und flexibel sein.
Süderelbe: Neuvermietungen für im Schnitt 8,40 Euro pro Quadratmeter
Die Genossenschaftsanteile kosten bei den Schiffszimmerern 150 Euro. Bei Gebäuden bis Baujahr 1990 müsse je vier Quadratmeter ein Anteil erworben werden, bei neueren Gebäuden je drei Quadratmeter ein Anteil. Für eine 40-Quadratmeter-Wohnung aus den 50er-Jahren müsse man somit mit 1500 Euro für die Genossenschaftsanteile rechnen, zuzüglich 50 Euro einmaliges Beitrittsgeld, heißt es.
Bei der Baugenossenschaft Süderelbe, die mehr als 4400 Wohnungen mit einer durchschnittlichen Nettokaltmiete von 7,04 Euro pro Quadratmeter im Bestand hat, gingen in diesem Jahr sogar 78 Prozent der zu vermietenden Wohnungen an Neumitglieder, wie der Vorstand auf Abendblatt-Anfrage mitteilte. Bei rund 360 Neuvermietungen im Jahr waren das also rund 280 Wohnungen, auf die man auch als bisheriges Nichtmitglied eine Chance hatte.
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Bei Neuvermietungen liege die Miete zwar etwas höher als im durchschnittlichen Bestand, nämlich bei rund 8,40 Euro pro Quadratmeter, so der Süderelbe-Vorstand. Aber für Hamburger Verhältnisse ist das immer noch Schnäppchen-Niveau. Eine Warteliste für externe Interessenten führt die Genossenschaft zwar nicht (für Mitglieder schon) und verweist auf die gängigen Immobilienportale, auf denen Angebote zu finden seien.
Leerstand gibt es beim Altonaer Spar- und Bauverein (Altoba) nicht
Wie viele Genossenschaftsanteile à 150 Euro man erwerben muss, hänge von der Größe der Wohnung ab. Grob müsse man als Neumieter wie bei einer klassischen Kaution mit Ausgaben von rund drei Kaltmieten rechnen.
Beim Altonaer Spar- und Bauverein (Altoba) mit seinen gut 7200 Wohnungen (Durchschnittsmiete: 7,76 Euro je Quadratmeter) herrschen zunächst die gleichen Bedingungen: Leerstand gibt es praktisch nicht, und wenn etwas frei wird, wird es zunächst den 17.000 Mitgliedern angeboten. Doch von 532 Neuvermietungen gingen in diesem Jahr immerhin 241, also rund 45 Prozent, an Neumitglieder.
Je flexibler Interessenten sind, desto größer die Chancen auf eine Wohnung
„Grundsätzlich gilt: Je flexibler der Wohnungsinteressent bzw. die -interessentin beispielsweise bei der Auswahl der Stadtteile und bei der Ausstattung ihrer Wohnung ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Genossenschaft den Wohnwunsch erfüllen kann“, teilte eine Sprecherin mit. Über das „Mietinteressentenformular“ auf der Homepage könne man sein Interesse hinterlegen. Dort seien auch immer mal Wohnungsangebote zu finden. „Es kann sich lohnen, hier regelmäßig nachzuschauen und bei Interesse schnell zu reagieren.“
Die Kosten für Genossenschaftsanteile bei der Altoba richten sich unter anderem nach Größe, Ausstattung und Lage der Wohnung. Bei einer frei finanzierten Neubauwohnung werden etwa 75 Euro pro Quadratmeter fällig, für Bestandswohnungen 50 bis 70 Euro. Für eine Zweizimmeraltbauwohnung mit 45–50 Quadratmetern müsse man mit rund 2550 Euro kalkulieren.
2000 Hansa-Mitglieder haben Interesse an einer Wohnung hinterlegt
Die Hansa Baugenossenschaft (knapp 10.000 Wohnungen, Durchschnittsmiete: 7,30 Euro) hat 2023 sogar schon rund 460 neue Mitglieder aufgenommen – bei 600 bis 700 Neuvermietungen insgesamt. Eine klassische Warteliste führe man zwar nicht, teilte eine Sprecherin mit, aber Wohnungssuchende könnten einen „Interessentenbogen“ einreichen. Das haben zwar bereits rund 2000 Mitglieder der Genossenschaft getan sowie weitere Tausende Außenstehende.
Leerstand aufgrund fehlender Nachfrage kennt auch die Genossenschaft Kaifu-Nordland mit 5040 Wohnungen nicht – bei durchschnittlichen Nettokaltmieten von 6,71 Euro pro Quadratmeter und einem Schwerpunkt im angesagten Eimsbüttel nicht verwunderlich. Dennoch werden auch bei der Kaifu regelmäßig Wohnungen frei, die bei den Bestandsmitgliedern nicht auf Nachfrage stoßen – bei besagtem Neubauprojekt in Lokstedt stellt man sich aufgrund der hohen Miete von fast 20 Euro pro Quadratmeter sogar darauf ein.
Mieten Hamburg: Wo es noch günstige Wohnungen gibt
Rund 40 Prozent der frei werdenden Wohnungen gingen an Nichtmitglieder, so ein Kaifu-Sprecher. „Die Wohnungen liegen häufig in weniger nachgefragten Stadtteilen.“ Die Miete orientiere sich am Mietspiegel. Die Genossenschaftsanteile für Neumitglieder kosten je nach Wohnung zwischen 52 und 60 Euro pro Quadratmeter und wurden 2022 ebenfalls mit vier Prozent verzinst.
Fazit: Wer günstigen Wohnraum sucht, nicht auf einen Stadtteil festgelegt ist und einige Tausend Euro aufbringen kann, sollte sein Glück mal bei den 30 Hamburger Genossenschaften versuchen – die Chancen sind gar nicht so schlecht.