Hamburg. Tochterfirma Satair liefert von Wilhelmsburg aus riesige Ersatzteile für Flugzeuge in die Welt hinaus. Hunderte Millionen Euro an Wert.

Die Dimensionen sind gigantisch: Auf einer Länge von 20 Kilometern sind in dem Riesenlager Regale vorhanden. Jeder Gang ist 70 Meter tief – mehr als die Hälfte eines Fußballplatzes. 40.000 Quadratmeter reine Lagerfläche gibt es – so viel wie auf etwa sechs Fußballfeldern zusammen. Bis unters Dach der neun Meter hohen Hallen sollen bis zu vier Tonnen schwere Teile gewuchtet werden – das macht den Einsatz von Spezialgeräten notwendig.

Am Reiherstieg-Hauptdeich hat Airbus ein neues Lager der Gigaklasse eröffnet – es ist das größte im gesamten Konzern. Die 100-prozentige Tochter Satair will von Wilhelmsburg aus ab sofort Ersatzteile für Flugzeuge schwerpunktmäßig nach Europa, Afrika und in den Mittleren Osten liefern. Da darf ein eigener Hallenkomplex mit zig Teilen für den A380 nicht fehlen. Er macht etwa ein Zehntel der Lagerfläche aus – und die Boxen dafür sind unübersehbar.

Das neue Gigalager von Airbus – wo zig A380-Teile liegen

Beim Gang durch das Gebäude dominieren in den Regalen zwei Farben: Gelb und Orange. „In den gelben Boxen sind Werkzeuge drin, die gebraucht werden, um ein Flugzeug zu warten“, sagt Thomas Moik. Er ist der für das Tagesgeschäft zuständige Chief Operating Officer von Satair. Mit einem kleinen Werkzeugkoffer haben diese allerdings nichts zu tun. Sie sind zum Teil mehrere Meter lang, ordentlich breit sowie mannshoch.

Riesige orangefarbene Boxen stehen in dem Lager mit großen Ersatzteilen für Flugzeuge.
Riesige orangefarbene Boxen stehen in dem Lager mit großen Ersatzteilen für Flugzeuge. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Doch die orangefarbenen Holzkisten legen noch eine Schippe drauf. Zehn Meter Länge werden bei so manchem Objekt locker überschritten. Eine Tür ist in so mancher Box auch noch drin. „Bei uns heißt die Tiny House – weil man fast drin wohnen kann“, sagt Benedikt Bauer, der für das Errichten der Infrastruktur in dem Satair-Lagerhaus verantwortlich ist. Der Inhalt sind große Flügelteile für den A380, dem größten Passagierflugzeug der Welt. Die orangefarbenen Boxen stehen für Long Term Storage, also für Ersatzteile, die lange eingelagert sein könnten.

Airbus-Tochter Satair muss bei Flugzeug-Notfall schnell Teile liefern

Wenn irgendwo auf der Welt ein Flugzeug bei einem Unfall beschädigt wird oder ein Teil kaputtgeht, kommt Satair ins Spiel. Die Airbusservicetochter hat ihren Hauptsitz bei Kopenhagen und versteht sich als eines der global führenden Unternehmen bei der Ersatzteilversorgung. Die Firma beliefert sowohl Fluglinien mit Austauschteilen als auch Wettbewerber wie Lufthansa Technik, den weltweit führenden Wartungs-, Reparatur- und Überholbetrieb. Generell auch mit Teilen für Boeing und Embraer – in Wilhelmsburg sind aber nur Airbus-Komponenten eingelagert.

Wird ein Flugzeug wegen eines technischen Problems zum Verbleiben auf dem Boden gezwungen (Aircraft on Ground), dann muss Satair für seine Kunden blitzschnell das Ersatzteil parat haben. Denn jede Minute auf der Erde kostet die Airline viel Geld: Entgangene Umsätze sowie mögliche Schadenersatzzahlungen für verspätete Passagiere und deren Verpflegungs- und Hotelkosten summieren sich schnell zu hohen Beträgen.

Airbus ist verpflichtet, Ersatzteile für Flugzeuge liefern zu können

Ab der Problemmeldung hat man vier Stunden Zeit, um das Ersatzteil zum Abholen bereitzustellen. Mit dem Verkauf des Flugzeugs gehe Airbus die Verpflichtung ein, die Airline zu unterstützen, und zwar so lange, wie noch mindestens fünf Maschinen eines Flugzeugtyps fliegen, sagt Moik und führt Flugzeuge auf, die längst nicht mehr gebaut werden. „Wir bei Satair unterstützen auch noch den A300, A310, A340-500 und A340-600 sowie den A380.“

Emirates erhielt im Dezember 2021 auf Finkenwerder seinen 123. und letzten A380.
Emirates erhielt im Dezember 2021 auf Finkenwerder seinen 123. und letzten A380. © Airbus | Airbus

Der A380 ist der jüngste Flieger aus der Aufzählung, der nicht mehr gebaut wird. Im Dezember 2021 wurde der letzte Riesen-Airbus an den Hauptabnehmer Emirates auf Finkenwerder ausgeliefert. Allein bei der arabischen Airline soll der Vierstrahler, von dem derzeit 116 Stück fliegen, noch bis in die 2040er-Jahre hinein im Linienflugbetrieb eingesetzt werden.

Das Gigalager von Airbus in Wilhelmsburg arbeitet 24/7

Die Ersatzteile müssen jahrzehntelang vorhanden sein. „Der A300 ist jetzt 50 Jahre alt geworden“, sagt Moik: „Wir als Airbus sind verpflichtet, diese Teile vorrätig zu haben.“ Der Betrieb läuft rund um die Uhr, an sieben Tagen die Woche oder 365 Tagen im Jahr.

Damit die Lieferung schnell geht, sind die Sicherheitsvorkehrungen in den Hallen hoch. Wer in die Warenausgangshalle hineinwill, muss sich zunächst wie auf einem Flughafen einer Sicherheitskontrolle unterziehen. „Wir sind ein sicherer Versender“, sagt Bauer. Das bedeutet: Für jede als Luftfracht vorgesehene Sendung wird in Wilhelmsburg der Securitycheck gemacht. Dann geht es per Lastwagen zu einem Flughafen und von dort direkt in den Flieger – ohne weitere Kontrolle. Das Abfertigen der Ware machen rund 100 bis 150 Mitarbeiter des Dienstleisters Ceva Logistics.

Im Gigalager von Airbus liegen etwa 20.000 Teile von Flugzeugen

Die Planungen für das Neubauprojekt, bei dem die Airbus-Tochter langjähriger Mieter ist, begannen im Januar 2022. Für den Standort im Süden der Hansestadt sprach auch die Lage. Satair unterhält seit Jahren ein Lager in Fuhlsbüttel. Aber viele Teile werden mittlerweile auch per Schiff oder über die Straße gen Süden transportiert. Das Nadelöhr Elbtunnel muss man von Wilhelmsburg aus nicht mehr passieren.

„Wir haben hier ungefähr 20.000 Teile liegen“, sagt Moik. Für zukünftiges Wachstum ist ausreichend Platz. Bis weit in die 2030er-Jahre soll die Fläche reichen. Die Regale sollen aber maximal zu 80 Prozent gefüllt sein, so Moik: „Wir brauchen Freiflächen, um arbeiten zu können. Was die Logistiker hier machen, ist Tetris spielen.“

Das Airbus-Gigalager: Messgeräte überwachen Temperatur und Luftfeuchtigkeit

Zur optimalen Lagerung der Flugzeugteile achten Messgeräte darauf, dass die Luftfeuchtigkeit bei maximal 60 Prozent liegt. Für die Temperatur gibt es bei Satair – auch aufgrund der globalen Präsenz mit Standorten verteilt über den Globus – von 16 bis 32 Grad Celsius einen großen Spielraum. 16.000 Sprinklerköpfe wurden eingebaut, um bei einem Brand Schlimmeres zu verhindern.

Wie viel Satair in das Logistik- und Servicecenter investiert hat, will das Unternehmen nicht kommunizieren. Auch zum Wert der eingelagerten Ersatzteile hält man sich zurück. Aber bekanntlich sind Flugzeuge teuer. Airbus dürfte sich eine kleine Schatzkammer in Wilhelmsburg aufgebaut haben. Hinter vorgehaltener Hand ist von mindestens dreistelligen Millionenbeträgen die Rede, die dort eingelagert sind. Ob das reicht?

Das Airbus-Lager ist seit Montag offiziell in Betrieb und besteht ersten Praxistest

Vor einem halben Jahr wurde begonnen, die Ware einzulagern. Seit dem vergangenen Montag ist das Lager offiziell in Betrieb. Und es bestand schon den ersten großen Praxistest. An einen Kunden in den USA musste ein Höhenleitwerk plus Befestigungszubehör geliefert werden. „Die liegen nicht beim Kunden“, sagt Marcus Schwarz, der bei Satair für das globale Logistik- und Reparaturgeschäft zuständig ist.

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An einer anderen Stelle in der Halle parken eng nebeneinander vier Seitenleitwerke für den Verkaufsschlager A320-Familie, deren Komponenten wegen der Vielzahl an Produkten auch den größten Teil der Fläche einnehmen.

Das Airbus-Gigalager: Das schwerste Teil wiegt zehn Tonnen

Das schwerste Teil ist allerdings kein Ersatzteil, sondern letztlich nicht viel mehr als eine Riesenhalterung. Auf dem zehn Tonnen schweren Konstrukt werden Triebwerke zwischengelagert. „Es ist ein selbstfahrendes Gerät“, sagt Bauer. Selbst für die mächtigen Hubtex-Stapler sind die Triebwerkshalterungen zu schwer.

Der große Stapler kann bis zu vier Tonnen Gewicht unter das Hallendach in neun Meter Höhe hieven.
Der große Stapler kann bis zu vier Tonnen Gewicht unter das Hallendach in neun Meter Höhe hieven. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Diese Stapler sausen zwischen den 70 Meter langen Gängen hin und her. Geführt werden sie induktiv über eine Schiene im Boden und mithilfe von zwei Antennen. Viel Platz zum Rangieren gibt es nicht, sagt Bauer: „Die Sicherheitsabstände sind nur 150 Millimeter links und rechts. Und dann geht es bis in neun Meter Höhe. Die Kabine fährt mit, man muss schwindelfrei sein. Wenn man eine Vier-Tonnen-Kiste drauf hat, geht es oben schon relativ gut hin und her.“