Hamburg. Konzern will „jeden Stein umdrehen“ und alle Kosten unter die Lupe nehmen. Was das für die Jobs bedeutet, was die IG Metall dazu sagt.

Rund drei Wochen nach der Gewinnwarnung hat Airbus erste Konsequenzen aus dem Verfehlen wichtiger Geschäftsziele gezogen. Der DAX-Konzern habe ein Verbesserungsprogramm aufgelegt, sagte ein Sprecher unserer Redaktion auf Anfrage: „Angesichts des anhaltenden Drucks in der Lieferkette sowie der insgesamt komplexen wirtschaftlichen Lage ist es notwendig, unsere Anstrengungen auf die Grundlagen zu konzentrieren.“

In einem Rundschreiben an die Mitarbeiter wählte Christian Scherer deutliche Worte: „Wir werden jeden Stein umdrehen und alle unsere Kosten ohne Tabus genau unter die Lupe nehmen“, schrieb der Chef der Flugzeugsparte in der Mail, die unserer Redaktion vorliegt. Das Programm namens „Lead!“ sei aber kein reines Sparprogramm, auch wenn dies zu den wichtigsten Komponenten und Zielen gehöre. „Ich sehe es vielmehr als Optimierungsprogramm“, so Scherer.

Airbus legt nach der Gewinnwarnung Sparprogramm auf

Das Programm solle sich auf die Umsetzung des Produktionshochlaufs und der Kerngeschäftsaktivitäten konzentrieren und Leistung und Effizienz steigern, teilte der Airbus-Sprecher mit. Kompromisse soll es in den Bereichen Compliance, Sicherheit und Qualität nicht geben. Die Betonung auf die beiden letzten Themen dürfte eng mit den Problemen bei Boeing zusammenhängen. Der Erzrivale aus den USA kämpft seit Jahren immer wieder mit massiven Qualitätsproblemen und sicherheitsrelevanten Vorfällen.

Erfreulicherweise sei man auf Wachstumskurs und Marktführer im Kerngeschäft der zivilen Flugzeugproduktion, schrieb Scherer an die Beschäftigten: „Aber uns muss klar sein, dass unsere beiden wichtigsten Konkurrenten von nun an nur wachsen und sich verbessern werden.“ Scherer spricht die Namen der Konkurrenten nicht aus, aber wen er damit meint, wird klar.

Airbus will mit Sparprogramm seine Führungsposition verteidigen

„Der eine profitiert als Neuzugang von einem immensen Binnenmarkt und staatlicher Unterstützung“, schrieb Scherer und meinte damit den chinesischen Hersteller Comac. In einem Interview mit unserer Redaktion antwortete er vor vier Wochen auf die Frage, ob man den neuen Konkurrenten mit der C919 fürchte: „Ja, Comac ist ein aufkommender Wettbewerber, den wir sehr ernst nehmen.“

Der andere komme „aus einer schweren Krise, die ihn zwingt, sich radikal zum Besseren zu verändern“, so Scherer in der Mitarbeiter-Mail – und meinte damit Boeing. Andere Akteure würden versuchen, mit bahnbrechenden Technologien den Markt zu erobern und sich nach oben zu kämpfen. Sie alle hätten das Ziel, Airbus die Position als weltgrößtem und führenden Flugzeughersteller streitig zu machen. Das Programm „Lead!“ zielt darauf ab, den Spitzenrang zu behalten.

Airbus schließt Anpassungen an einigen Stellen des Personals nicht aus

Aber wie hoch fällt das geplante Volumen des Spar- oder Optimierungsprogramms aus? Und was bedeutet es für die zigtausend Mitarbeiter, von denen allein in Hamburg rund 18.000 Menschen tätig sind? Der Airbus-Sprecher ließ das auf Nachfrage offen und nannte keine weitergehenden Details.

Scherer versuchte in dem Rundschreiben, Unruhe in der Belegschaft zu vermeiden. „Es ist kein Sozialplan oder Ähnliches im herkömmlichen Sinne vorgesehen“, schrieb der Flugzeugspartenchef. Da jedoch die Zahl der Beschäftigten einen großen Teil der Kosten ausmache, werde man auch in diesem Bereich genau prüfen, ob man an einigen Stellen Anpassungen vornehme und die Gesamtzahl begrenze.

IG Metall erwartet einen langsameren Jobaufbau bei Airbus

Von der Arbeitnehmerseite kommt vorsichtige Entwarnung. „Mein Stand ist, dass die, die da sind, gebraucht werden“, sagte Gewerkschafter Daniel Friedrich am Montag im Gespräch mit unserer Redaktion. Künftig werde der Personalaufbau bei Airbus allerdings langsamer voranschreiten und das Personal noch zielgerichteter eingesetzt, so der Bezirksleiter der IG Metall Küste: „Es muss sich keiner Sorgen um Entlassungen oder Ähnliches machen.“

Erwartet ein langsameres Voranschreiten des Personalaufbaus bei Airbus: Daniel Friedrich, Chef der IG Metall Küste.
Erwartet ein langsameres Voranschreiten des Personalaufbaus bei Airbus: Daniel Friedrich, Chef der IG Metall Küste. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Vielmehr gehe es trotz der vollen Auftragsbücher darum, die Weichen für die Zukunft zu stellen. „Es ist kein reines Kostensparmodell“, sagte Friedrich und stützte damit die Argumentationslinie des Unternehmens.

Airbus hat seine Gewinnprognose für dieses Jahr deutlich gesenkt

Offenbar herrscht nach dem am 24. Juni verkündeten Absenken der Geschäftsziele allerdings im Konzern ein gewisser Handlungsdruck. Airbus hatte mitgeteilt, dass der operative Gewinn um eine bis eineinhalb Milliarden niedriger bei etwa 5,5 Milliarden Euro liegen solle. In der Verteidigungs- und Weltraumsparte wurden etwa 900 Millionen Euro abgeschrieben. In diesem Jahr sollen zudem nur noch etwa 770 statt der geplanten rund 800 Verkehrsflugzeuge ausgeliefert werden.

Dies wurde ebenso mit massiven Problemen in der Lieferkette begründet wie das um ein Jahr auf 2027 verspätete Hochfahren der Fertigungsraten der A320-Familie. Statt 2026 sollen nun erst 2027 pro Monat 75 Flieger von dem Verkaufsschlager endmontiert werden, von denen traditionell circa die Hälfte der Maschinen aus Hamburg kommt.

IG Metall kündigt konstruktive Begleitung des „Lead!“-Prozesses an

Mit dem Verbesserungsprogramm wolle man den industriellen Hochlauf sichern, damit die Kunden beliefert werden können, sagte der Sprecher. Scherer will vor allem zwei Ziele erreichen: „Erstens: Je schneller wir unsere Produktion hochfahren, desto weniger Frustration entsteht bei unseren Kunden.“ Sie wollten – wie vertraglich vereinbart – ihre Flugzeuge pünktlich erhalten. Lufthansa hatte Ende April von Verspätungen von 5,5 Monaten bei jeder A320neo-Lieferung gesprochen. Zweitens: sollen die Stückkosten (Kosten pro Flugzeug) nicht schneller steigen als die Einnahmen. Aktuell weiche man von der Planung ab, so Scherer. 

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IG-Metall-Küste-Chef Friedrich kündigte eine konstruktive Begleitung des „Lead!“-Prozesses an. Die geplante Fokussierung sei richtig, wenn man sie zusammen mit den Menschen mache, die Leute passend einsetze und die Zukunftsprojekte nicht aus den Augen verliere, so der Gewerkschafter. Ein Firmensprecher bekräftigte dies: Man wolle den Wachstumskurs fortsetzen und in die Zukunftsprogramme investieren. „Wir ändern unsere Strategie nicht.“