Hamburg. Ob Gucci, Louis Vuitton oder No-Name: In ihrer neuen Werkstatt macht Feintäschnerin Brigitta Bunzel defekte Lederwaren wieder wie neu.

An dem Koffer von Louis Vuitton hakt der Reißverschluss, bei der Tasche von Gucci ist der Schulterriemen brüchig, und die Lederschultertasche der Marke The Bridge braucht ein neues Futter. Dinge, die bei Brigitta Bunzel landen, haben meistens eine Geschichte – und einiges mitgemacht.

„Meine Kunden hängen daran und wissen, dass es sich lohnt, hochwertige Ledersachen reparieren zu lassen“, sagt die Frau, die sich in der Werkstatt des bekannten Lederwarenhändlers Klockmann als eine der letzten Feintäschnerinnen in Hamburg einen Namen gemacht hat. Jetzt arbeitet sie auf eigene Rechnung. Lederzeit hat sie ihren Betrieb genannt.

Lieblingstasche kaputt? Dann ist diese Frau die Rettung

An diesem Vormittag sitzt sie in ihrer Werkstatt an einer speziellen Ledernähmaschine. Im Prinzip sieht das Gerät so aus wie andere Nähmaschinen auch, nur eben mit mehr Wumms. Gerade hat sie ein braunes Garn eingefädelt. Brigitta Bünzel arbeitet an einer Lederhandtasche, an der die Riemenhalterung erneuert werden soll. Eine weitere Besonderheit: „Wenn ich große Stücke wie Koffer repariere, kann ich den Tisch aufklappen“, sagt die Handwerkerin.

Die Nähmaschine ist ihr wichtigstes Arbeitsgerät – und hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Genau wie alles andere in der kleinen Werkstatt in einem Gewerbegebiet in Stellingen. Auf einer Werkbank stehen zwei Drehspindeln, mit denen man Druckknöpfe und Nieten einsetzen kann. An der Wand hängen Locheisen, Zirkel und Scheren. An einer anderen stecken Dutzende bunte Garnrollen. In einem Regal stapeln sich Kisten mit Schnallen, Federstiften und Schlüsselleisten. Gegenüber liegen Lederrollen in allen Farben.

In der Werkstatt des Betriebs Lederzeit in Stellingen stapeln sich Kisten mit Ersatzteilen für Reparaturen.
In der Werkstatt des Betriebs Lederzeit in Stellingen stapeln sich Kisten mit Ersatzteilen für Reparaturen. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Das meiste stammt aus der früheren Klockmann-Werkstatt, in der Brigitta Bunzel 30 Jahre lang zuletzt am Standort in Fuhlsbüttel Koffer und Taschen, Portemonnaies, Aktenmappen, Schlüsseletuis repariert hat. Dass sie mit 60 Jahren unter die Gründerinnen gegangen ist, hatte sie nicht geplant. Aber nachdem der letzte Inhaber den Reparaturbetrieb nach der Insolvenz im vergangenen Herbst aufgegeben hatte, war das die einzige Möglichkeit, um weiterzumachen. „Ich liebe meinen Beruf und kann mir nichts anderes vorstellen“, sagt die Hamburgerin.

Gelernt hat sie ihr Handwerk Anfang der 1990er-Jahre in Offenbach. Feintäschner gehörten schon damals zu den seltenen Ausbildungsberufen. „Ich wollte unbedingt ein Handwerk lernen, fand die Tätigkeit faszinierend und war wild entschlossen“, erinnert Brigitta Bunzel sich. Sie brach ihr Studium an der Hamburger Uni ab und zog für die Lehre nach Hessen. In der Berufsschule saß sie schon zusammen mit Sattlern, weil es nicht genug Feintäschner in dem Jahrgang gab.

Auf dem Zuschneidetisch hat Feintäschnerin Brigitta Bunzel einen Futterstoff bereitgelegt, den sie verarbeiten will.
Auf dem Zuschneidetisch hat Feintäschnerin Brigitta Bunzel einen Futterstoff bereitgelegt, den sie verarbeiten will. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Nach der Ausbildung arbeitet sie noch einige Zeit bei Goldpfeil, einer damals bekannten Lederwarenmarke, bis sie 1993 zurück nach Hamburg kam und bei Klockmann anheuerte. In besten Zeiten hat sie mit zwei weiteren Beschäftigten Lederwaren in der Werkstatt im Klockmann-Haus am Hauptbahnhof repariert und angefertigt.

Unter anderem eine schwarze Mappe für den früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck – mit handgeprägtem Bundesadler auf der Vorderseite. „Als ich im Fernsehen gesehen habe, dass er sie benutzt, habe ich mich sehr gefreut“, sagt sie. Auch an einen Rechtsanwalt erinnert sie sich, der morgens mit einer kaputten Aktentasche in der Werkstatt stand. Er brauche sie aber mittags für einen Gerichtstermin wieder, weil sie ihm Glück bringt, habe er erklärt. „Das habe ich dann auch geschafft.“

Maschinen und Inventar stammen aus der Klockmann-Werkstatt

An diesem Tag will die Feintäschnerin noch an dem neuen Futter der brauen Lederhandtasche weiterarbeiten. Seit Mitte März nimmt sie wieder Reparaturen an. „Ich konnte das Inventar aus der alten Klockmann-Werkstatt aus der Insolvenz übernehmen.“ Danach suchte sie länger nach geeigneten Räumen. Fündig wurde sie im Kronsaalsweg im hinteren Bereich auf einem Gewerbegrundstück. Ihre kleine Werkstatt misst insgesamt 42 Quadratmeter. Einen zweiten, kleineren Raum hat die Feintäschnerin untervermietet. Dort werden auch Taschen genäht, aber aus recycelten Stoffen.

Noch ist die Werkstatt ein Geheimtipp. „Aber es spricht sich so langsam herum“, sagt die Handwerkerin. In diesem Moment kommt ein Kunde rein, der eine Tasche abholen will. „Da mussten Nieten erneuert werden“, sagt Brigitta Bunzel. Zehn Euro nimmt sie dafür. In anderen Fällen kann eine Reparatur aber auch schon mal 100 Euro oder auch mehr kosten. „Das richtet sich nach Arbeitsaufwand und Materialkosten.“ Der Preis für das Einsetzen eines neuen Reißverschlusses in einem Louis-Vuitton-Koffer etwa liegt bei 220 Euro, die Aufarbeitung des Schulterriemens bei der Gucci-Handtasche bei etwa 180 Euro.

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Auch Taschen aus Kunststoff oder Textilmaterial repariert sie. „Man muss immer abwägen, ob es sich lohnt“, sagt die Feintäschnerin. „Mein Anspruch ist, dass die Dinge, die meine Werkstatt verlassen, nicht repariert aussehen, sondern wie neu.“ Sie hat auch eine kleine eigene Kollektion. Hamburger Beutel heißt das Modell, das es schon zu Klockmann-Zeiten gab. Die geräumigen Damen-Schultertaschen sind aus Rindsleder in unterschiedlichen Farben und in zwei Größen erhältlich. Das hat seinen Preis: Die Modelle kosten ab 349 Euro.

Lieblingstasche kaputt? Auch Reparatur von Luxusmarken

Dass ihr die Arbeit irgendwann ausgeht, glaubt Feintäschnerin Bunzel nicht. Auch wenn hochwertige Lederwaren in den vergangenen Jahren weniger produziert und gekauft werden, stattdessen andere Materialien sich durchsetzten, gebe es noch genug, was sie instand setzen könne. „Es sind oft Liebhaberstücke und auch Modelle von Luxusmarken, die bei mir landen“, sagt die Lederexpertin, die selbst natürlich auch nie ohne Tasche aus dem Haus geht. Ihr größter Wunsch: „Ich würde gerne jemanden ausbilden und meine Werkstatt irgendwann weitergeben.“