Hamburg. Umfrage offenbart große Probleme, bezahlbare Wohnungen zu schaffen. Wo die „sozialen Vermieter“ stattdessen investieren wollen.

Es hatte sich schon seit Monaten angedeutet, doch nun liegt es auch schwarz auf weiß vor: Hamburgs Wohnungsbaugenossenschaften wollen ganz überwiegend vorerst keine Wohnungen mehr bauen. Das hat eine Umfrage unter den 30 größten Mitgliedern des Vereins Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften ergeben.

Demnach sind die Bedingungen für den Neubau aus Sicht der großen, sozialen Vermieter derzeit nicht akzeptabel. Man konzentriere sich daher auf die Sanierung der Wohnungsbestände.

Genossenschaft Hamburg: Darum bauen „soziale Vermieter“ derzeit keine Wohnungen

Für die viele Jahre so erfolgreiche Hamburger Wohnungsbaupolitik ist das ein schwerer Schlag. Denn die Genossenschaften sind mit ihren rund 137.500 Wohnungen – knapp 20 Prozent der Hamburger Mietwohnungen – nicht nur ein großer Spieler des Wohnungsmarktes.

Mit einer durchschnittlichen Nettokaltmiete von 7,14 Euro pro Quadratmeter, deutlich unter dem Hamburger Mietenspiegel von 9,83 Euro pro Quadratmeter, sind sie neben der städtischen Saga vor allem der zweite entscheidende Pfeiler im Segment bezahlbarer Wohnraum. Und sie haben sich in den zehn Jahren des Wohnungsbaubooms seit 2011 auch stets nennenswert am Neubau beteiligt.

Neun von zehn Genossenschaften schätzen Neubaubedingungen als schlecht ein

Doch schon auf dem Neujahrsempfang des Vereins hatten Vertreter der Genossenschaften klargemacht, dass sich zu den derzeitigen Baukosten von 5000 Euro und mehr pro Quadratmeter kein bezahlbarer Wohnraum mehr realisieren lasse. Das bestätigt nun die Umfrage. Demnach schätzen 92 Prozent der Genossenschaften die Aussichten für den Neubau von bezahlbaren Wohnungen in Hamburg derzeit als schlecht (47 Prozent) oder sehr schlecht (45 Prozent) ein.

Knapp zwei Drittel der Genossenschaften (63 Prozent) wollen daher in diesem Jahr nicht mit dem Bau von Wohnungen beginnen, weitere 18 Prozent sind sich da noch unsicher. Immerhin: Knapp jede fünfte Genossenschaft (18 Prozent) will 2024 noch Wohnungsbauprojekte starten.

Genossenschaften beklagen hohe Baukosten und wollen lieber modernisieren

Da Überschüsse bei Genossenschaften reinvestiert werden, werden die meisten Vermieter ihre freien Mittel nun in die Modernisierung ihrer Bestände stecken. 82 Prozent wollen der Umfrage zufolge damit noch in diesem Jahr starten. Nur 13 Prozent planen das nicht, und fünf Prozent haben sich noch nicht festgelegt. Mehr als jedes zweite befragte Unternehmen (53 Prozent) plant „Vollmodernisierungen“, also neben der energetischen Modernisierung der Fassaden auch Bad, Küche und Versorgungsstränge.

Matthias Saß, Vorsitzender des Vereins Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften (r.), mit 
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (M.)  und Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW).
Matthias Saß, Vorsitzender des Vereins Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften (r.), mit Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (M.) und Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). ©  Bertold Fabricius | Bertold Fabricius

Nicht überraschend beklagt fast jede zweite Wohnungsbaugenossenschaft die hohen Baukosten. Als weitere Problemfelder werden langwierige Genehmigungsverfahren und ein durch die Politik überregulierter Immobilienmarkt genannt.

„Wer ohne Förderung baut, muss 18 bis 20 Euro Miete pro Quadratmeter nehmen“

„Auch Wohnungsbaugenossenschaften können jeden vereinnahmten Euro nur einmal ausgeben“, sagte Matthias Saß, Vorstand der Allgemeinen Deutschen Schiffszimmerer-Genossenschaft und Vorsitzender des Vereins Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften. „Angesichts der von der Politik beschlossenen energetischen Vorgaben konzentrieren sich unsere Mitgliedsunternehmen auf die Sanierung und die Modernisierung ihrer Wohnungsbestände. So können sie garantieren, dass ihre Mitglieder auch künftig in bezahlbaren Wohnungen leben können.“

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Der Neubau sei für Genossenschaften ohne eine ausreichende öffentliche Förderung gegenüber ihren Mitgliedern derzeit nicht vertretbar, so Saß. „Wer heute ohne Förderung neu baut, müsste am Ende eine monatliche Nettokaltmiete nehmen, die zwischen 18 und 20 Euro liegt. Das ist mit unserem Auftrag, bezahlbaren Wohnraum für unsere Mitglieder anzubieten, nicht vereinbar.“

Trotz Krise loben die Genossenschaften Stadtentwicklungssenatorin Pein (SPD)

Trotz der schwierigen Lage lobte der Vereinsvorsitzende den Pragmatismus, mit dem Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) die Probleme angehe: „Die Installation eines dritten Förderweges und die Erhöhung der Fördermittel für den Bau bezahlbarer Wohnungen sind richtig.“ Man unterstütze die Senatorin auch bei ihrem Vorhaben, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu entbürokratisieren: „Die kürzlich im Hamburger Abendblatt veröffentlichten Vorschläge gehen in die richtige Richtung“, so Saß.

Unter anderem hatte Pein angekündigt, bei Einfamilien- und Reihenhäusern mit maximal sieben Meter Höhe innerhalb von qualifizierten Bebauungsplänen auf Baugenehmigungen verzichten zu wollen. Saß wünscht sich das auch für seine Branche: „So ein ‚Bauanzeigeverfahren‘ wäre auch für genossenschaftliche Wohnungsbauprojekte sinnvoll und würde diese beschleunigen.“