Hamburg. Hamburgs größte Genossenschaft will erstmals sogenannte Cluster-Wohnungen bauen. Es ist nicht das einzige Projekt. Mieter gesucht!
Bezahlbaren Wohnraum in Hamburg zu schaffen, ist ohne staatliche Förderung derzeit kaum möglich. Gleichzeitig lebt in mehr als jedem zweiten Haushalt in der Hansestadt nur eine Person – der Bedarf nach kleinen Wohnungen ist also enorm. Der Bauverein der Elbgemeinden (BVE), mit fast 15.000 Wohnungen Hamburgs größte Baugenossenschaft, will nun zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und beide Probleme mit einem neuen Projekt angehen: Cluster-Wohnungen.
„Diese sind eine Wohnform, bei der mehrere kleine oder kleinere Wohneinheiten um gemeinsam genutzte Räume angeordnet sind“, beschreibt der BVE den Ansatz. Anders als in einem Azubi-Wohnheim wie dem der Haspa oder einer Wohngemeinschaft hat jede Bewohnerin und jeder Bewohner also nicht nur ein Zimmer, sondern eine kleine, abgeschlossene Wohnung, in der Regel mit Bad und vielleicht auch einer kleinen Kochnische. Nur alle weiteren Räume, also Flur, Wohnzimmer oder große Wohnküche, Abstellräume und eventuell ein Büro fürs Homeoffice, teilen sich alle Bewohner.
Wohnen Hamburg: Hamburger Genossenschaften bauen Cluster-Wohnungen
„Diese Wohnform wird oft als Antwort auf verschiedene gesellschaftliche Herausforderungen und Veränderungen in der Lebensweise betrachtet“, schreibt der BVE. „Wir sehen das auch so und werden unsere erste Cluster-Wohnung im Schlicksweg anbieten.“ In dem Neubaugebiet in Barmbek-Nord entstehen derzeit Seniorenwohnungen, die im Sommer 2024 fertig sein sollen. Zwei weitere Cluster-Wohnungen, die dann jeweils aus mehreren Wohneinheiten bestehen, sollen in dem Baugemeinschaftsprojekt des BVE in der Behringstraße in Ottensen entstehen, das 2027 fertig sein soll.
Diese sind zwar ausschließlich den Mitgliedern vorbehalten, aber grundsätzlich können sich auch Außenstehende um eine der in der Regel sehr günstigen Genossenschaftswohnungen bewerben. Einzige Bedingung: Wer eine Wohnung mietet, muss dann auch Mitglied werden und Anteile erwerben. Eine Umfrage unter den größten der rund 30 Hamburger Baugenossenschaften hatte ergeben, dass zum Teil rund die Hälfte der Neuvermietungen auf das Konto von Neu-Mitgliedern geht.
Cluster-Wohnungen helfen auch gegen Vereinsamung in der Großstadt
Wie ein Sprecher des Bauvereins der Elbgemeinden zum Thema Cluster-Wohnungen sagte, werden sicher weitere Projekte dieser Art folgen. Die exakte Miete stehe für diese Wohnungen noch nicht fest, aber sie dürfte leicht unterhalb des sonst üblichen Niveaus liegen. Bei der neuen Wohnform gehe es aber nicht nur um Flächen- und Kostenreduzierung, heißt es auf der Homepage des BVE. Sondern Cluster-Wohnungen förderten auch die soziale Interaktion: „In einer Stadt wie Hamburg, der Singlehochburg Deutschlands, ist das ein sehr wichtiges soziales Moment, um Vereinsamung und soziale Isolation zu verringern.“
Wie berichtet, will auch die Baugenossenschaft Bergedorf-Bille ihren alten Verwaltungssitz in der Bergedorfer Innenstadt in 22 Cluster-Wohnungen umgestalten, Baustart soll voraussichtlich 2025 sein. Auch die Hansa Baugenossenschaft hat im Pergolenviertel in Winterhude bereits eine Cluster-Wohnung, die allerdings vom Verein Leben mit Behinderung betrieben wird.
Ehemaliges Parkhaus: Auch im Gröninger Hof entstehen Cluster-Wohnungen
Weitere Cluster-Wohnungen sollen im Gröninger Hof in der Innenstadt entstehen. Die gleichnamige, eigens dafür gegründete Baugenossenschaft will auf den Fundamenten des Parkhauses an der Neuen Gröningerstraße bis 2026 insgesamt 90 Wohneinheiten errichten, darunter sechs Clusterwohnungen mit insgesamt 30 individuellen Einheiten für je ein bis zwei Personen.
„Mit Clusterwohnungen bieten wir Orte für Menschen an, die ein abgeschlossenes Zimmer mit eigenem Bad bewohnen und ihre große Wohnküche mit Mitbewohner/-innen teilen“, heißt es auf der Homepage der Genossenschaft Gröninger Hof. Mitstreiter werden durchaus noch gesucht, dürfen aber bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten und müssen außer 1000 Euro für die Mitgliedschaft auch Genossenschaftsanteile (600 Euro pro Quadratmeter) erwerben. Die Mieten sollen, auch dank staatlicher Förderung, zwischen 7,00 und 14,40 Euro pro Quadratmeter liegen.
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Das wäre für ein Neubau-Projekt in Hamburg, zumal in begehrter Innenstadt-Lage, vergleichsweise günstig. Wer aktuell frei finanzierte Projekte anpacke, lande am Ende bei mindestens 25 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter, hatten zuletzt sowohl die Genossenschaften als auch die freien Immobilienunternehmen vorgerechnet – und damit auch begründet, warum in der Hansestadt derzeit kaum noch Neubauprojekte gestartet werden.
Wohnungsneubau in Hamburg: „Katastrophaler Absturz“
Ganze 770 Wohnungen nahmen die im Landesverband Nord des Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) organisierten Unternehmen 2023 noch in Hamburg in Angriff, ein Rückgang von mehr als 85 Prozent gegenüber 2022. „Es ist das eingetreten, was wir befürchtet hatten – nur noch schlimmer“, gab der scheidende BFW-Vorsitzende Sönke Struck seinem Nachfolger Kay Brahmst auf der Verbandstagung mit auf den Weg und betonte: „Das ist kein Rückgang, sondern ein katastrophaler Absturz.“
Abgesehen von den seit 2022 kräftig gestiegenen Zinsen (die aber mittlerweile schon wieder fallen) schiebt die Wohnungswirtschaft die Entwicklung vor allem auf die enorm gestiegenen Baukosten, zu denen außer dem Ukraine-Krieg auch die aus ihrer Sicht viel zu hohen Anforderungen des Staates beitragen – etwa hinsichtlich des Energieverbrauchs oder der Barrierefreiheit. Strucks Appell an die Politik in Bund und Stadt lautete daher: „Wir müssen von diesen hohen Baukosten herunterkommen, dazu gibt es keine Alternative.“
Wohnen Hamburg: Cluster-Wohnungen können Antwort auf Wohnungsmangel sein
Keine Alternative, aber eine Reaktion auf diese Entwicklungen könnte sein: kleinere Wohnungen zu bauen, mit weniger Wohnfläche pro Person. Denn die ist in Hamburg allein seit 1990 von rund 33 auf mehr als 40 Quadratmeter gestiegen – steigender Wohlstand und der Trend zum Single-Dasein lassen grüßen. Eine Reduzierung der Wohnfläche bei gleichzeitiger gemeinsamer Nutzung von Infrastruktur und Aufenthaltsräumen hätte daher das Potenzial, die Baukosten zu senken.
„Innerstädtische Wohnlagen werden immer begehrter und entsprechend schwieriger zu finanzieren“, heißt es in einer Broschüre der Berliner Stadtentwicklungsgesellschaft Stattbau zum Thema Cluster-Wohnungen, die in der Hauptstadt schon weiter verbreitet sind. „Wer nicht an die Ränder ziehen will und nicht bereit ist, lange Anfahrtswege zur Arbeit in Kauf zu nehmen, muss bereit sein, mit sehr viel weniger Wohnraum auszukommen“, so die Autoren. Cluster-Wohnungen könnten eine Antwort darauf sein.