Hamburg. Eine Sozialpädagogin und eine Zahnärztin berichten von ihrem Neustart in Hamburg. Welche Probleme es gibt und was funktioniert.

Bei den Sonnenlichtern dreht sich an diesem Vormittag alles um Farben und Formen. Zusammen mit vier Krippenkindern sitzt Valeriia Oplachko im Gruppenraum auf einem Teppich. In der Mitte liegen rote Dreiecke. Es gibt auch blaue Kreise und gelbe Quadrate. Die sollen jetzt alle in einen selbst gebastelten Steckkasten. Ein Mädchen greift eines der Teile und schiebt es in einen passenden Schlitz. „Sehr gut“, lobt die Ukrainerin und strahlt die Kleine an. Jetzt wollen die anderen auch mal.

Valeriia Oplachko arbeitet seit Oktober im SterniPark Kinderhaus in Harburg. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs vor zwei Jahren war die 31-Jährige aus ihrer Heimat in Sjewjerodonezk im äußersten Osten der Ukraine geflohen. Im Gepäck ihr Abschlussdiplom als Sozialpädagogin. In Deutschland ein Beruf, in dem Fachkräfte gesucht werden. Trotzdem hat es mehr als ein Jahr gedauert, bis sie in Hamburg arbeiten konnte – in einem Teilzeitjob als sozialpädagogische Assistentin, früher bekannt als Kinderpflegerin.

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine: Jobsuche schwierig

Immerhin. Valeriia Oplachko ist eine von 7500 Ukrainerinnen und Ukrainern in Hamburg, die in der Beschäftigtenstatistik der Arbeitsagentur auftauchen. Insgesamt leben den Angaben zufolge etwa 24.700 Menschen im erwerbsfähigen Alter aus dem Kriegsland in der Stadt. Der mit etwa 15.072 Personen zwischen 15 und 65 Jahren größte Teil bezieht den Angaben zufolge Leistungen über das Jobcenter. Davon waren Ende März 6275 Ukrainer und Ukrainerinnen arbeitslos gemeldet, die anderen besuchen Integrations- und Deutschkurse oder machen eine geförderte Ausbildung.

Bundesarbeitsministerium startet Jobmotor

Dass die Integration von ukrainischen Kriegsflüchtlingen auf dem deutschen Arbeitsmarkt deutlich schleppender verläuft als in anderen europäischen Ländern, sorgt seit Monaten für politische Debatten. Trotz guter Startbedingungen, die anders als bei anderen Fluchtländern den Bezug von Bürgergeld und eine sofortige Arbeitsaufnahme erlauben, hatten nach den jüngsten Zahlen aus dem September 2023 gerade mal gut 24 Prozent der ukrainischen Kriegsflüchtlinge einen Arbeitsplatz in Deutschland. Tendenz steigend.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat deshalb ein Programm unter dem markigen Begriff „Job-Turbo“ gezündet. Auch in Hamburg hat das Jobcenter eine Informationskampagne und Unterstützungsmaßnahmen gestartet, die sich sowohl an Geflüchtete als auch an Arbeitgeber wenden.

Valeriia Oplachko gehört zu denen, die keine Zeit verlieren wollen. Als sie ihre Heimat im Februar 2022 mit ihrem Ehemann, ihrer Mutter und einer Katze verlassen musste, hat sie auch ihr bisheriges Leben und ihre berufliche Perspektive hinter sich gelassen. Nach dem Studium hatte sie unter anderem in einer Bank gearbeitet. „Meine Heimatstadt war eine der ersten, die zerstört wurde. Da gibt es kein Zurück“, sagt die junge Frau. Nach ihrer mehrmonatigen Flucht über Georgien und die Türkei landete sie schließlich in Hamburg.

Sozialpädagogin aus der Ukraine: Erster Arbeitsvertrag nach 14 Monaten

„Ich konnte kein Wort Deutsch und musste bei null anfangen“, sagt Valeriia Oplachko. In der kürzestmöglichen Zeit absolvierte sie drei Deutschkurse bis zum B1-Niveau. Nachdem sie über eine Freundin von SterniPark gehört hatte, bewarb sie sich im Sommer 2023 mit Unterstützung des Jobcenters für ein Praktikum am Standort in Harburg. „Ich mag es, mit Kindern zu arbeiten“, sagt die studierte Sozialpädagogin.

Da war sie schon gut ein Jahr in Deutschland. Drei Monate später unterschrieb sie ihren ersten Arbeitsvertrag. Dafür akzeptierte sie, dass sie erst mal „nur“ als Kinderpflegerin eingruppiert ist. Vormittags arbeitet sie in der Kita, nachmittags macht sie einen weiteren Deutschkurs. Wenn sie den besteht, hofft Valeriia Oplachko als nächstes Etappenziel auf einen Vollzeitvertrag.

Kita-Leiterin macht „gute Erfahrungen mit Menschen aus der Ukraine“

Die Chancen stehen nicht schlecht. Kita-Leiterin Natalya Yanitska, die selbst vor 20 Jahren aus der Ukraine nach Hamburg gekommen war und inzwischen seit elf Jahren bei dem Kitaträger SterniPark arbeitet, ist zufrieden mit dem Neuzugang aus ihrer alten Heimat. „Wir haben inzwischen neun Beschäftigte aus der Ukraine“, sagt die 42-Jährige. Insgesamt arbeiten 70 Beschäftigte in ihrem multinationalen Team.

„Wir machen gute Erfahrungen mit Menschen aus der Ukraine, aber auch aus anderen Fluchtländern“, sagt sie. „Sie sind motiviert und engagiert, möchten arbeiten und können ihre Erfahrungen bei der Integration einbringen.“ Sie würde gern noch mehr einstellen und vor allem mit weniger bürokratischem Aufwand.

Jobcenter startet Informationskampagne in Hamburg

Solche Arbeitgeber wünscht sich nicht nur der Bundesarbeitsminister. „Wir brauchen Unternehmen, die Geflüchteten eine Chance geben, auch wenn sie noch nicht perfekt Deutsch sprechen und ihre Berufsabschlüsse noch nicht anerkannt sind“, sagt Geschäftsführer des Hamburger Jobcenters, Dirk Heyden, im Gespräch mit dem Abendblatt.

Angesichts des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung sei es Zeit, die tradierten und formalen Anforderungen zu senken. Dazu gehöre auch, wie im Fall der jungen Sozialpädagogin, den Besuch eines berufsbegleitenden Sprachkurses zu ermöglichen. „Das sorgt dafür, dass Arbeitserfahrung und Spracherwerb künftig stärker Hand in Hand gehen“, sagt Heyden.

Dirk Heyden (l.), Geschäftsführer des Jobcenters team.arbeit.hamburg, steht mit Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) und dem Geschäftsführer der Agentur für Arbeit, Sönke Fock, bei einer Pressekonferenz in einem Konferenzraum des Jobcenters.
Dirk Heyden (l.), Geschäftsführer des Jobcenters team.arbeit.hamburg, steht mit Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) und dem Geschäftsführer der Agentur für Arbeit, Sönke Fock, bei einer Pressekonferenz in einem Konferenzraum des Jobcenters. © DPA Images | Rabea Gruber

In den nächsten Monaten soll es „ein Feuerwerk an Veranstaltungen geben“. Geplant sind Jobbörsen und Jobmessen, um bei Arbeitgebern gezielt für die Einstellung von Geflüchteten zu werben. Parallel werden auch die Geflüchteten angesprochen. Es gibt Plakataktionen, Infoveranstaltungen in Flüchtlingsunterkünften und eine Steigerung der Beratungstermine bei den Jobcentern. Jobcenter-Geschäftsführer Heyden beobachtet erste Erfolge: „Die Zahl der versicherungspflichtigen Beschäftigten aus der Ukraine steigt jeden Monat.“

Dass es der Bundesregierung ernst mit dem Job-Turbo ist, zeigt ein Brief, der aktuell bundesweit an alle erwerbsfähigen Jobcenter-Kunden verschickt wird. Darin stellen Bundesarbeitsminister Heil, der Sonderbeauftragte für Arbeitsintegration von Geflüchteten und der ukrainische Botschafter Möglichkeiten und Maßnahmen vor – und machen deutlich, dass es langsam Zeit wird, in Deutschland eine Arbeit anzunehmen.

Zahnärztin aus der Ukraine: Approbation dauert Jahre

Eine deutliche Ansage. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Weg in den Arbeitsmarkt sehr viel Geduld erfordert. Olha Odarchuk arbeitet seit zwei Jahren daran, ihr eigenes Geld zu verdienen und sich eine Perspektive in Deutschland aufzubauen. Die Zahnärztin war im April 2022 mit zwei Kindern aus Kiew nach Hamburg geflohen. Wenige Tage später hatte sie ihren ersten Beratungstermin beim Welcome Center. „Schon damals wurde mir gesagt, dass es mindestens 1,5 Jahre dauert, bis ich eine Arbeit bekomme“, sagt die 40-Jährige, die vor ihrer Flucht schon zehn Jahre in ihrer Heimat in ihrem Beruf gearbeitet hat.

Olga Odarchuk arbeitet in einem Teilzeitjob als Zahnmedizinische Fachangestellte in der Zahnarztpraxis von Dr. Marian Guardado in Bramfeld. In Kiew hat sie Zahnmedizin studiert und zehn Jahre in ihrem Beruf gearbeitet.
Olga Odarchuk arbeitet in einem Teilzeitjob als Zahnmedizinische Fachangestellte in der Zahnarztpraxis von Dr. Marian Guardado in Bramfeld. In Kiew hat sie Zahnmedizin studiert und zehn Jahre in ihrem Beruf gearbeitet. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Sie lernte schnell Deutsch und bekam im Sommer 2023 eine Berufserlaubnis – allerdings nicht als Zahnärztin, sondern zunächst als Dentalhygienikerin. Es folgte ein mehrmonatiges Praktikum. Seit Jahresbeginn macht sie 15 Stunden in der Woche eine Schwangerschaftsvertretung als zahnmedizinische Fachangestellte in der Praxis von Dr. Marian Guardado in Bramfeld.

Die Stelle hat sie mit Unterstützung des Welcome Centers gefunden. Ein Kompromiss für den Arbeitgeber, denn auch Olha Odarchuk kann nur nachmittags arbeiten. Vormittags paukt sie in einem Kurs zahnmedizinische Fachsprache. Die Prüfung ist Anfang Juni. „Danach würde ich gern mehr arbeiten“, sagt die Zahnärztin, deren Familie im Moment auf Unterstützung vom Jobcenter angewiesen ist.

Auch die Approbation ist längst bei der Zahnärztekammer beantragt. Aber selbst wenn alles nach Plan läuft, wird es mindestens noch zwei Jahre dauern, bis sie in Deutschland in ihrem Beruf arbeiten kann. Dafür, so ist es gesetzlich für sogenannte reglementierte Berufe festgelegt, muss Olha Odarchuk bestimmte Voraussetzungen erfüllen und diverse Fachkurse und Prüfungen absolvieren.

Arbeitgeber kritisiert Bürokratie bei der Integration

Es sind sehr hohe Anforderungen“, sagt sie. Dazu kommen Gutachten und Übersetzungen, die eingereicht werden müssen. „Das Verfahren ist sehr langwierig und kompliziert“, sagt die Zahnärztin aus Kiew. Sie sagt auch, dass sie dankbar für die Unterstützung und die Arbeit in der Bramfelder Praxis ist.

Zahnarzt Marian Guardado und sein Team sind froh über die Fachkraft aus der Ukraine. „Formal ist sie überqualifiziert, aber fachlich und praktisch für uns ein Glücksfall“, sagt der Mediziner. Auch in Zukunft stehe Olha Odarchuk „die Tür offen“. Lieber früher als später. Guardado, der in seinem Betrieb schon Ärzte aus Syrien und Afghanistan beschäftigt hat, sieht die Auflagen bei den Anerkennungsverfahren kritisch. „Zu viel Bürokratie“, kritisiert er.

Mehr Wirtschaftsthemen

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine: Integration mit Hindernissen

Auch für die Sozialpädagogin Valeriia Oplachko ist es noch ein weiter Weg, bis ihr Diplom in Deutschland nicht nur anerkannt wird, sondern ihr auch einen Job ihren Qualifikationen entsprechend ermöglicht. „Um eine komplette Gleichstellung zu erhalten, muss ich in Deutschland noch mal vier Semester studieren“, sagt sie. Den notwendigen Deutschkurs will sie jetzt abends nach der Arbeit belegen.

Nächstes Etappenziel ist für die junge Ukrainerin, als Erzieherin zu arbeiten. „Ich mache alles, um in Deutschland zu bleiben und mir eine Perspektive aufzubauen“, sagt sie.