Hamburg. Gestiegene Tariflöhne bringen Hamburgs größten Träger in finanzielle Probleme. In zentralen Stadtteilen gibt es ein überraschendes Problem.

Es klingt nach einer Kehrtwende: Hamburgs größter Kita-BetreiberElbkinder kündigt einen Stellenabbau an. In Elternbriefen und einer Pressemitteilung informiert der Träger von 181 Kitas in Hamburg, dass man im laufenden Jahr 80 pädagogische Fachkraftstellen einsparen werde. Noch im vergangenen Jahr teilte das Unternehmen mit, dass man dringend Personal suche und dafür auch Ungelernte einstellen werde.

In dem aktuellen Schreiben heißt es: „In den vergangenen Jahren sind die Tariflöhne der Erzieherinnen und Erzieher erfreulich stark gestiegen. Gleichzeitig stiegen jedoch auch die Inflation sowie insbesondere Energie- und Baukosten. Die Kosten überstiegen zuletzt deutlich die Ressourcen, die wir dafür über die Kita-Gutscheine erhalten. Auch die Gutschein-Entgelte stiegen zwar, jedoch langsamer und weniger stark.“

Elbkinder-Kitas: geringere Nachfrage in zentrumsnahen Stadtteilen

Ein weiteres Problem, mit dem sich die Elbkinder-Kitas konfrontiert sehen, wirkt überraschend. So berichtet der Betreiber davon, dass in einigen Stadtteilen die Nachfrage nach Kita-Plätzen gesunken sei. Betroffen seien konkret dicht besiedelte, zentrumsnahe Stadtteile wie etwa Eimsbüttel. Von einigen Standorten ist zu hören, dass deutlich zu wenig Kinder in den Gruppen seien.

Als Gründe dafür sehen die Elbkinder den vermehrten Wegzug von Familien ins Hamburger Umland. Eltern würden von hohen Mieten und Homeoffice-Vorteilen berichten, die es auch möglich machten, weiter auswärts zu arbeiten. Aber auch weniger Geburten nach Corona seien ein Grund für diese Veränderung.

Kita Hamburg: Verbände verhandeln mit der Stadt über Gutschein-Entgelte

Gestiegene Kosten und in einigen Stadtteilen eine geringere Nachfrage: Im Ergebnis würden keine „ausgeglichenen Jahresabschlüsse mehr erzielt werden“ können.

Erzieherinnen und Erzieher demonstrieren auch in Hamburg in der Innenstadt für bessere Arbeitsbedingungen und finanzielle Anerkennung (Archivbild aus dem Jahr 2022).
Erzieherinnen und Erzieher demonstrieren auch in Hamburg in der Innenstadt für bessere Arbeitsbedingungen und finanzielle Anerkennung (Archivbild aus dem Jahr 2022). © dpa | Marcus Brandt

Die Sparmaßnahme sei nötig, um Zeit für die erforderlichen Verhandlungen mit der Stadt zur Refinanzierung zu gewinnen. Nun laufen die Verhandlungen zwischen der Sozialbehörde und den Kita-Verbänden, um „höhere Entgelte zu erreichen und damit eine langfristige Lösung zu haben“, wie Anna Fuy von der Elbkinder-Unternehmenskommunikation mitteilte.

Elbkinder: Kitas haben weiterhin hohe Nachfrage nach Fachkräften

„Dafür werden Spielräume, die sich aus Fluktuation und Vakanzen in Kitas ergeben, in einem überschaubaren Umfang genutzt. Kitas, die bereits jetzt personell belastet sind, sind hiervon ausgenommen“, so Fuy weiter.

Konkret heiße das: „Von den vielen Hundert pädagogischen Fachkraftstellen, die wir jährlich neu besetzen, können im Laufe des Jahres 2024 rund 80 nicht nachbesetzt werden. Somit fragen die Elbkinder dennoch auch weiterhin pädagogische Fachkräfte im hohen Maße nach.“

Elbkinder-Betriebsrat: „Viele Erzieher sind schon jetzt am Limit“

Dass es absehbar weniger pädagogische Fachkräfte geben wird, sorgt beim Elbkinder-Betriebsrat für Unverständnis. Betriebsratsmitglied Marina Jachenholz berichtet: „Viele Erzieherinnen und Erzieher sind schon jetzt am Limit. Wir können uns nicht vorstellen, wie das mit noch weniger Personal gehen soll.“

Als Grund für die finanzielle Schieflage sieht sie unter anderem die nicht ausreichende Refinanzierung durch die Stadt. „Die Kita-Träger, die nach Tarif bezahlen, bleiben auf den Kosten sitzen. Und die Stadt macht hier aus unserer Sicht nichts.“

Kitas Hamburg: Laut Behörde werden jährlich 200 Fachkräfte zusätzlich gebraucht

Erst kürzlich hatte die Linksfraktion den Hamburger Senat in einer großen Anfrage nach dem Fachkräftemangel und den Herausforderungen im Kita-Bereich befragt. In der Antwort bestätigte der Senat: „Die Fachkräftesituation in der Kindertagesbetreuung in Hamburg ist angespannt.“ Kita-Träger würden von einem spürbaren Personalmangel und einer hohen Belastung berichten.

Die zuständige Behörde gehe laut Senatsantwort für Hamburg von einem Personalmehrbedarf von rund 200 Personen pro Jahr aus. Hinzu kämen der Ersatzbedarf durch Fachkräfte, die aus dem Beruf ausscheiden. „Diese Bedarfe können rein rechnerisch durch die Zahl der zu erwartenden Absolventinnen und Absolventen der Hamburger Fachschulen und anderer Ausbildungsinstitutionen abgedeckt werden“, heißt es in der Antwort weiter.

Linksfraktion: Schlechtere Betreuungsqualität mutwillig in Kauf genommen

Wie passt diese Einschätzung zu den aktuellen Plänen der Elbkinder-Geschäftsführung, bei der Personalausstattung einzusparen? „Gar nicht“, meint Insa Tietjen, Fachsprecherin der Linksfraktion für Kindertagesstätten. „Fakt ist, dass 80 Stellen nicht wiederbesetzt werden, und die fehlen dann. Denn klar ist, dass es mit den Kürzungen zu einer Verschlechterung in der Betreuungsqualität kommt, und das wird hier mutwillig in Kauf genommen.“

Mehr zum Thema

Es sei an der Zeit, im Gutscheinsystem einige Mechanismen zu überdenken. „Elbkinder-Kitas und andere, die ebenfalls nach Tarif bezahlen, können ihre Personalausgaben nicht durch die Kita-Gutscheine refinanzieren. Es darf einfach nicht sein, dass Tariftreue bestraft wird.“

Sozialbehörde Hamburg: Kita-Entgelte sind grundsätzlich auskömmlich

Tietjen wird deutlich: „Wenn Hamburgs größter Kita-Träger nun zu solchen Maßnahmen greift, dann ist das ein klares Indiz dafür, dass es im System an dieser Stelle extrem hakt.“

Die federführende Sozialbehörde bewertet die Lage anders: „Die Kita-Entgelte sind grundsätzlich auskömmlich für eine tarifgerechte Finanzierung der pädagogischen Fachkräfte. Sie werden von den Partnern des Landesrahmenvertrags jährlich in der Vertragskommission vereinbart“, so Sprecher Wolfgang Arnhold.

Elbkinder-Kitas: Unternehmen trägt „eigene wirtschaftliche Verantwortung“

Die methodisch vereinbarten Fortschreibungsraten richten sich nach der Preisentwicklung des Vorjahres. „Dieses Verfahren ist konsentiert und hat sich über viele Jahre bewährt. Gleichwohl ist damit verbunden, dass Preissprünge im laufenden Verhandlungsjahr entsprechend nicht abgebildet sind. Ihre Effekte nivellieren sich jedoch in den Folgejahren“, so Arnhold weiter. „Die Verhandlungen der Vertragskommission hinsichtlich einer Zusatzvereinbarung für das Jahr 2024 sind bereits aufgenommen.“

Weiter betont er: „Die Geschäftsführung der Elbkinder leitet das Unternehmen in eigener wirtschaftlicher Verantwortung.“ Das Unternehmen habe bereits wirksame Maßnahmen in allen Unternehmensbereichen ergriffen, die den Betrieb stabilisieren und eine hohe Betreuungsqualität sichern werden. Weiter seien von der aktuellen Maßnahme rechnerisch „lediglich nur rund 80 von circa 5000 Stellen“ betroffen.