Hamburg. Hamburger Weltmarktführer verdient 2023 so viel Geld wie nie. Was Lufthansa-Chef für die Ticketpreise und den Flugverkehr im Sommer erwartet.
Für eine Bilanzpressekonferenz war es eine ungewöhnliche Personalkonstellation, die sich am Donnerstagmorgen in Frankfurt im Lufthansa Aviation Center einfand. Neben dem Vorstandsvorsitzenden Carsten Spohr und Finanzchef Remco Steenbergen, die die Journalisten traditionell erwarteten, war auch Arbeitsdirektor Michael Niggemann anwesend.
Der Grund dafür lag aber auf der Hand: Deutschland wurde an diesem Tag gleich von mehreren Warnstreiks lahmgelegt. Die Lokführergewerkschaft GDL bestreikt bis Freitagmittag die Deutsche Bahn. Ver.di rief die Sicherheitskontrolleure an den Flughäfen in Hamburg und Frankfurt sowie überraschend und unangekündigt auch in Düsseldorf und Köln/Bonn zum ganztägigen Ausstand auf – und das Bodenpersonal des Kranich-Konzerns zum fünften Mal von Mittwoch um 20 Uhr bis Sonnabend um 7.10 Uhr.
Lufthansa Technik bricht Rekord beim Gewinn – Streiks kosten Hamburger Firma Millionen
Am Flughafen Hamburg wurde die zentrale Sicherheitskontrolle am Donnerstag geschlossen, sodass alle Abflüge mit Passagieren ausfielen. Am Freitag werden viele Lufthansa-Verbindungen auf der Strecke von Fuhlsbüttel nach München und Frankfurt gestrichen. Zudem drohen im Lufthansa-Konzern weitere Warnstreiks von anderen Berufsgruppen wie den Flugbegleitern.
Niggemann erinnerte an die Corona-Pandemie, die vor vier Jahren begann und den Luftfahrtkonzern in eine Existenzkrise stürzte. „Zusammen haben wir eine drohende Insolvenz abgewendet“, sagte er und bedankte sich bei den Mitarbeitern für ihr Engagement – aber die wollen jetzt ihren Anteil in Form von höheren Gehältern und demonstrierten dafür an mehreren Orten wie in Hamburg.
Lufthansa Technik verdient 2023 so viel Geld wie nie zuvor
Denn der Konzern ist längst auf Erfolgskurs zurückgekehrt. Der Umsatz legte 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent auf 35,4 Milliarden Euro zu. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Adjusted Ebit) sprang sogar um 76 Prozent auf rund 2,7 Milliarden Euro. Es war das drittbeste Ergebnis der Firmengeschichte. Unterm Strich wurden knapp 1,7 Milliarden Euro verdient – plus 112 Prozent.
Erstmals wiesen alle Passagierfluglinien der Gruppe einen operativen Gewinn aus, Swiss, Austrian und Brussels Airlines sowie Eurowings meldeten Rekordergebnisse. Das gelang auch erneut der Hamburger Konzerntochter Lufthansa Technik. Der Weltmarktführer für die Wartung, Reparatur und Überholung von Flugzeugen wies einen bereinigten Gewinn vor Zinsen und Steuern von 628 Millionen Euro aus. Das Rekordergebnis des Vorjahres, das nachträglich auf 554 Millionen Euro angehoben worden war, wurde um gut 13 Prozent getoppt.
Lufthansa Technik profitiert von höherer Nachfrage nach Wartungs- und Reparaturleistungen
Lufthansa Technik habe von der branchenweit weiter steigenden Zahl von Flugreisen profitiert, die zu einer deutlich höheren Nachfrage nach Wartungs- und Reparaturleistungen führte, hieß es. Zur Einordnung: Im Vor-Corona-Jahr 2019 wurde mit 463 Millionen Euro eine damals neue Bestmarke gemeldet.
Die Gewerkschaft Ver.di fordert in diesem Umfeld für die 20.000 bis 25.000 Beschäftigen des Bodenpersonals – darunter fallen laut Unternehmen rund 7000 tariflich Beschäftigte in Hamburg bei Lufthansa Technik – im Kern eine Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro sowie 12,5 Prozent oder mindestens 500 Euro mehr Lohn monatlich bei zwölf Monaten Laufzeit. Lufthansa bietet die Prämie an sowie eine Gehaltssteigerung von zehn Prozent bei 28 Monaten Laufzeit.
Lufthansa-Aktionäre sollen 30 Cent Dividende erhalten
„Wir bieten mit die besten Konditionen in unserer Branche“, sagte Niggemann. Seit Mitte 2022 habe man die Vergütungen um mehr als zehn Prozent angehoben. Aber man stehe auch im internationalen Wettbewerb. Daher müssten die Personalkosten wettbewerbsfähig bleiben. Zum Vergleich: Die Inflationsraten lagen 2022 in der Bundesrepublik bei 6,9 Prozent, ein Jahr später bei 5,9 Prozent. Niggemanns Appell an Ver.di: „Verhandeln – nicht streiken!“
Man habe die Mitarbeiter mit mehr als einer halben Milliarde Euro am Erfolg beteiligt, rechnete Spohr vor. Das sei mehr als für das vergangene Jahr an die Aktionäre ausgeschüttet werden soll. Erstmals seit 2019 will der Kranich-Konzern wieder eine Dividende zahlen, und zwar 30 Cent je Anteilsschein. Kumuliert wären dies 359 Millionen Euro. Die Dividendenrendite liege, bezogen auf den aktuellen Aktienkurs, damit bei mehr als vier Prozent.
Laut Lufthansa beliefen sich die Streikkosten auf mindestens 100 Millionen Euro
Spohr hofft auf eine schnelle Einigung des Tarifstreits: „Jeder Streik enttäuscht Zehntausende, Hunderttausende unserer Gäste.“ Die Kosten dafür beliefen sich in den ersten beiden Monaten schon auf mindestens 100 Millionen Euro.
Der Technik-Tochter sei dadurch ein Schaden im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich entstanden, sagte Sprecher Jens Krüger unserer Redaktion und nannte die Arbeitsausstände maßlos: „Die Streikbeteiligung sinkt bei uns weiter, liegt nun bei etwa 20 Prozent.“ Die Mitarbeiter wollten aus seiner Sicht, dass Verhandlungen stattfinden.
Lufthansa Technik soll nach Absage des Teilverkaufs aus eigener Kraft wachsen
Mit jedem Streik verliere man Vertrauen bei den Kunden, die einem die Flugzeuge anvertrauten. „Die Kosten für diesen Streik zahlen wir von unserem Zukunftskonto“, sagte Krüger. Der lange Zeit geplante Teilverkauf oder Börsengang von rund 20 Prozent der Anteile von Lufthansa Technik war im vergangenen November abgesagt worden.
Stattdessen soll das Unternehmen mit dem Programm „Ambition 2030“ aus eigener Kraft wachsen. Es sieht für die kommenden Jahre umfassende Investitionen in den Ausbau des Kerngeschäfts, die Erweiterung von Standorten und der internationalen Präsenz, potenziell auch durch Zukäufe, sowie den Ausbau digitaler Geschäftsmodelle vor.
Lufthansa-Chef Spohr erwartet stabile Ticketpreise
Die Hamburger sollen auch im laufenden Jahr weiter wachsen und einen ordentlichen Beitrag zum erwarteten deutlichen Umsatzanstieg des Konzerns leisten. Der operative Gewinn soll 2024 auf dem Niveau von 2023 liegen. Die Aktie lag am Nachmittag ein Prozent im Minus bei rund 7 Euro.
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Die Privatreisen sollen 2024 erneut zulegen, die Geschäftsreisen sich weiter erholen. Das Flugangebot werde deshalb weiter ausgeweitet und liege bei rund 94 Prozent von 2019. Die Ticketpreise sollen laut Spohr „stabil bleiben“. Der Konzernchef hofft, dass der Flugbetrieb im Sommer stabil läuft: „Wir im Hause Lufthansa haben eine Menge Puffer eingebaut.“
Man werde deutlich mehr Flugzeuge und Personal in Reserve vorhalten, um bei unvorhergesehenen Ausfällen reagieren zu können. Fraglich sei aber, ob die Systempartner wie Flughäfen und Sicherheitsdienstleister genügend Personal finden werden. „Jeder ist motiviert, diesen Sommer das Beste zu geben“, sagte Spohr. Bleibt für die Passagiere zu hoffen, dass dies bald auch wieder an den Verhandlungstischen gilt und es schnelle Tarifeinigungen gibt.