Hamburg. Im vergangenen Jahr wurden kaum noch neue Immobilienprojekte in Hamburg begonnen. Die Folgen für die Mieten könnten dramatisch sein.

Man muss schon genau hinsehen, um den kleinen blauen Stummel noch zu erkennen. Das Balkendiagramm, das der Landesverband Nord im Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) am Donnerstag präsentierte, zeigte die „realisierten Baubeginne“ seiner Unternehmen in Hamburg: Im Jahr 2011, als der damals neue Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) versprach, den Wohnungsbau wieder anzukurbeln, waren es 2334. Drei Jahre später wurde schon der Bau von 3458 Wohnungen gestartet, 2018 dann 5075, und 2022 begannen BFW-Unternehmen sogar den Bau von 5219 Wohnungen – ein Rekordwert.

Doch 2023 blieb davon kaum noch etwas übrig: Ganze 770 Wohnungen nahmen die Unternehmen noch in Angriff, das ist ein Rückgang von mehr als 85 Prozent. Mit anderen Worten: Der frei finanzierte Wohnungsbau in Hamburg kommt fast zum Erliegen. „Es ist das eingetreten, was wir befürchtet hatten – nur noch schlimmer“, sagte der BFW-Vorsitzende Sönke Struck bei der Tagung des Verbands im Volksparkstadion und betonte: „Das ist kein Rückgang, sondern ein katastrophaler Absturz.“ Schwankungen gebe es im Wohnungsbau immer mal, aber das habe er noch nicht erlebt, so Struck. „Das ist historisch.“

Immobilien Hamburg: Frei finanzierter Wohnungsbau bricht ein – die Gründe

Es gebe zwar noch geplante oder sogar schon genehmigte Projekte, aber kaum ein Unternehmen traue sich noch, diese auch zu starten, so Struck. Das zeige die Anzahl der „geplanten Baubeginne 2024“, die für Hamburg bei 971 liegt. Das sieht zwar nach einem leichten Anstieg aus, doch der ist nicht realistisch. Denn die Zahl der geplanten Baubeginne ist fast immer höher als die der dann tatsächlich realisierten. Zum Vergleich: Für 2023 hatten die BFW-Unternehmen vorausgesagt, dass sie den Bau von 2555 Wohnungen beginnen werden – tatsächlich waren es dann 770, also weniger als ein Drittel davon. Auf 2024 übertragen, lässt das erwarten, dass nur der Bau von rund 300 neuen Wohnungen begonnen wird.

Als Gründe für den beispiellosen Einbruch führte der BFW-Chef neben den gestiegenen Zinsen vor allem die immer weiter steigenden Anforderungen an den Wohnungsbau – etwa hinsichtlich Energieeffizienz, Schallschutz und Barrierefreiheit – an, die wiederum die infolge des Ukraine-Krieges ohnehin hohen Baukosten noch weiter in die Höhe treiben würden. „Wir müssen von diesen hohen Baukosten herunterkommen, dazu gibt es keine Alternative“, sagte Struck, der im Hauptberuf das gleichnamige Wohnungsunternehmen leitet.

BFW: Wer heute in Hamburg baut, müsste mindestens 24 Euro Miete pro Quadratmeter nehmen

Er rechnete vor, dass man in Hamburg derzeit kaum für unter 6500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche neu bauen könne. Selbst bei 30 Prozent Eigenkapitaleinsatz lande man am Ende bei einer Miete von knapp 24 Euro pro Quadratmeter – Abschreibungen und ein eigentlich nötiger kleiner Gewinn noch nicht mit eingepreist.

Es werde zwar immer Menschen geben, die sich das leisten könnten, aber für die breite Masse sei dieser Wohnraum nicht finanzierbar. Eine ähnliche Rechnung hatten kürzlich die Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften aufgemacht und damit begründet, warum sie derzeit kaum noch neue Projekte starten.

Sönke Struck, Vorsitzender des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW Nord)
Sönke Struck, Vorsitzender des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW Nord) © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Struck warnte eindringlich vor den Folgen für Hamburg: „Was jetzt nicht begonnen wird, wird in einigen Jahren auch nicht fertig.“ Bei weiter steigender Nachfrage nach Wohnraum würden die Mieten also weiter steigen.

2023 lag die reale monatliche Nettokaltmiete in der Hansestadt nach einer Studie im Auftrag der Wohnungswirtschaft, an der auch der BFW beteiligt war, bei 8,71 Euro pro Quadratmeter. Der Hamburger Mietenspiegel, der allerdings nur Mietverträge betrachtet, die in den vergangenen sechs Jahren verändert wurden, liegt aktuell bei 9,83 Euro pro Quadratmeter – das verdeutlicht, welche Zumutung 24 Euro und mehr für die meisten Menschen wären.

Verband warnt: „Wohnungsneubau in Hamburg wird praktisch zum Erliegen kommen“

Dass im vergangenen Jahr von den BFW-Unternehmen noch 3203 Wohnungen in Hamburg fertiggestellt wurden, könne nicht über die negative Entwicklung hinwegtäuschen, betonte Struck. Denn das seien alles Projekte, die in der „Vorkrisenzeit“ geplant und begonnen worden seien. „Aber danach sieht es düster aus“, so Struck. „Der Wohnungsneubau wird praktisch zum Erliegen kommen.“

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Dass die Stadt die Förderung für den Bau für Sozialwohnungen ausgeweitet hat, finden die im BFW organisierten Unternehmen zwar im Prinzip richtig. Sie verweisen auch stolz darauf, dass sie 2023 nach der städtischen Saga mit mehr als 400 Baugenehmigungen der zweitgrößte Player im Bereich geförderter Wohnungsbau waren. Doch eine Dauerlösung sei das nicht, sagte Struck. Mit Blick auf den dritten Förderweg, den die Stadt einführen will, wie das Abendblatt berichtet hatte, sagte er: „Wenn wir Familien, die 100.000 Euro im Jahr verdienen, fördern müssen, läuft etwas falsch. Die müssen sich doch eine Wohnung leisten können.“

Bau von Sozialwohnungen legt in Hamburg gegen den Trend zu

Der Senat will mit der massiv angehobenen Wohnraumförderung, für die er bis zu 800 Millionen Euro im Jahr bereitstellt, nicht nur mehr Sozialwohnungen schaffen, sondern auch den Wohnungsbau in der Stadt generell am Leben halten. 2023 zeigte das bereits Wirkung: Gegen den allgemeinen Trend wurde der Neubau von 2380 Sozialwohnungen bewilligt – knapp 500 mehr als im Jahr zuvor. Die Zahl der insgesamt genehmigten Wohnungen brach dennoch massiv ein – von 10.000 auf 5000.

Angesichts dieser dramatischen Entwicklung richtete der BFW mehrere Forderungen an die Politik:
Ganz oben steht die Senkung der Baukosten, wobei er in erster Linie die Bundesregierung in der Pflicht sieht, Gesetze zu entschlacken, Tausende DIN-Normen anzupassen und die Anforderungen an die Energieeffizienz nicht noch weiter zu erhöhen – das bringe in der Praxis ohnehin nichts. Aber auch Hamburg könne etwas tun, etwa Genehmigungsverfahren beschleunigen und die Grunderwerbsteuer wieder absenken.

Immobilien Hamburg: Erholung beim Wohnungsbau könnte lange dauern

„Es muss schnell etwas passieren“, forderte Struck. „Denn die Kapazitäten, die jetzt abgebaut werden, lassen sich nicht so einfach wiederherstellen.“ Auch gute Maßnahmen bräuchten lange, bis sie sich in Form hoher Fertigstellungszahlen auswirken. „Der Wohnungsbau ist wie ein Tanker, der – einmal zum Stehen gekommen – lange braucht, bis er wieder Fahrt aufnimmt.“