Hamburg. Hamburg will den einbrechenden Wohnungsbau mit einem „3. Förderweg“ ankurbeln – das wird auch für die breite Mittelschicht interessant.

Als Familie fast 100.000 Euro Bruttoeinkommen im Jahr zu haben und trotzdem Anspruch auf eine Sozialwohnung zu haben – das klang bislang eher utopisch. Doch in Hamburg soll es schon bald Realität werden: Voraussichtlich im Frühjahr führt die Stadt einen „dritten Förderweg“ ein, der genau das ermöglicht. Die staatlich subventionierten Mieten sollen dann bei etwa 12 Euro pro Quadratmeter liegen.

„Mit einem neuen dritten Förderweg schaffen wir in Hamburg noch in diesem Jahr ein zusätzliches Angebot für die Mitte der Gesellschaft, um möglichst vielen Menschen in Hamburg ein bezahlbares Wohnen zu ermöglichen“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) dem Abendblatt. Sie verwies darauf, dass man es schon im vergangenen Jahr durch eine „deutlich ausgeweitete Förderung“ in Hamburg geschafft habe, „trotz schwierigster Marktbedingungen die Zahl der bewilligten Sozialwohnungen gegen den bundesweiten Trend zu steigern“.

Eine Sozialwohnung trotz bis zu 100.000 Euro Einkommen – das ist der Plan

Diesen Weg geht man nun mit einem dritten Förderweg weiter. Nach Abendblatt-Informationen soll die Einkommensgrenze für einen vierköpfigen Haushalt bei 95.000 bis 100.000 Euro brutto im Jahr liegen. „Die exakten Konditionen werden noch ermittelt“, sagte der Vorstandschef der städtischen Investitions- und Förderbank, Ralf Sommer, im Gespräch mit dem Abendblatt.

Die neue Obergrenze werde aber so bemessen sein, dass sie einen großen Bevölkerungskreis erreiche: „Damit decken wir rund zwei Drittel der Hamburger Haushalte ab, die dann Anspruch auf so eine geförderte Wohnung hätten, denn auch Familien mit mittlerem Einkommen brauchen weiterhin ein bezahlbares Zuhause“, sagte Sommer. „Hiervon versprechen wir uns weitere Impulse für bezahlbares Wohnen in Hamburg. Wir erhoffen uns, dass dadurch der Einbruch beim Neubau frei finanzierter Wohnungen etwas kompensiert wird und wir auch diesen Markt wieder beleben.“

Rot-Grün will mit drittem Förderweg mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen

Mit der Maßnahme, die die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen in der Bürgerschaft angestoßen hatten, soll mehreren Problemen des Hamburger Wohnungsmarkts begegnet werden, die miteinander zusammenhängen: Obwohl in den vergangenen Jahren mit mehr als 10.000 neuen Wohnungen pro Jahr mehr Wohnraum geschaffen wurde als in jeder anderen deutschen Stadt, hielt das nicht mit dem Bevölkerungswachstum auf inzwischen mehr als 1,9 Millionen Einwohner Schritt – das Ergebnis ist eine Leerstandsquote, die gegen null tendiert. Mit anderen Worten: Es gibt praktisch keine freien Wohnungen.

Zweitens fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Denn der Neubau hat das Mietniveau eher nach oben getrieben, und obwohl darunter auch jeweils rund ein Viertel Sozialwohnungen war, wurden diese unterm Strich weniger, da mehr alte Sozialwohnungen aus der Bindung fielen als neue hinzukamen.

„M“ wie „mehr Wohnungen“: Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD), hier auf dem Abendblatt-Neujahrsempfang, will den Wohnungsbau in Hamburg wieder ankurbeln.
„M“ wie „mehr Wohnungen“: Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD), hier auf dem Abendblatt-Neujahrsempfang, will den Wohnungsbau in Hamburg wieder ankurbeln. © FUNKE Foto Services | Mark Sandten

Und drittens bricht der Wohnungsbau aufgrund der gestiegenen Zinsen und der extrem hohen Baukosten seit ein, zwei Jahren ein. Ganze 5000 Wohnungen wurden 2023 noch genehmigt, Tendenz abnehmend. Insbesondere der frei finanzierte Wohnungsbau – „unser Problemkind“, wie Stadtentwicklungssenatorin Pein kürzlich sagte – kommt fast völlig zum Erliegen. Was heute nicht genehmigt wird, wird in einigen Jahren auch nicht fertig. Der Wohnungsmangel wird sich also noch verschärfen.

Senat hat Bedingungen für geförderten Wohnungsbau massiv verbessert

Der Senat hat darauf bereits reagiert und vor allem die Bedingungen für den geförderten Wohnungsbau massiv verbessert. Die Einkommensgrenzen für einen Wohnberechtigungsschein wurden ebenso kräftig angehoben wie die Haushaltsmittel für die Wohnraumförderung, zudem bietet die IFB jetzt Darlehen zu 1,0 Prozent für 30 Jahre an. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) forderte die Wohnungswirtschaft daher im vergangenen Jahr offensiv auf, auf sozialen Wohnungsbau umzuschwenken.

Das hatte auch durchaus Erfolg. 2023 wurde gegen den allgemeinen Trend der Neubau von 2380 Sozialwohnungen bewilligt – knapp 500 Wohnungen mehr als im Jahr zuvor. „Viele Vorhabenträger, die eigentlich frei finanzierte Projekte im Kopf hatten, sind im vergangenen Jahr auf Sozialwohnungen umgeschwenkt“, sagte Ralf Sommer. „Das hat sicher 20 bis 25 Prozent der 2400 neuen Wohnungen ausgemacht, deren Förderung wir 2023 bewilligt haben.“

Sozialwohnungen: Diese Einkommensgrenzen gelten bisher in Hamburg

Mit dem dritten Förderweg soll das weiter forciert werden. Bislang gilt: Wer eine auf dem ersten Förderweg errichtete Wohnung beziehen will (Kaltmiete: 7 Euro pro Quadratmeter), darf als alleinstehende Person ein Brutto-Jahreseinkommen von 28.500 Euro nicht überschreiten. Für einen Zweipersonenhaushalt liegt die Grenze bei 42.200 Euro, für drei Personen bei 53.800 und für einen Vierpersonenhaushalt bei 65.500 Euro – das trifft auf rund 38 Prozent der Hamburger Haushalte zu.

Ralf Sommer ist seit deren Gründung 2013 Vorstandschef der städtischen Hamburger Investitions- und Förderbank (IFB).
Ralf Sommer ist seit deren Gründung 2013 Vorstandschef der städtischen Hamburger Investitions- und Förderbank (IFB). © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Für eine Wohnung des zweiten Förderwegs (Kaltmiete: 9,10 Euro) liegen diese Grenzen bei 35.300 (eine Person) bis 81.600 Euro (vier Personen). Diese Bedingungen erfüllen bereits rund 55 Prozent der Hamburger Haushalte – was vielen gar nicht bewusst ist. Darüber setzt nun der dritte Förderweg an.

Miete von 12 Euro pro Quadratmeter liegt weit unter aktuellen Neubauvorhaben

Rot-Grün hatte dafür ein Delta von 11 bis 13 Euro Miete vorgegeben, wobei man wohl ungefähr in der Mitte bei gut 12 Euro landen wird. Das wäre zwar deutlich über dem Mietenspiegel, der bei durchschnittlich 9,83 Euro liegt, aber immer noch erheblich unter den Mieten in aktuellen Neubauvorhaben. Selbst die auf günstigen Wohnraum fokussierten Genossenschaften müssen mitunter bis zu 20 Euro pro Quadratmeter nehmen, weil ihnen die Kosten für Neubauvorhaben während der Planungs- und Bauphase entglitten sind.

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Die Mieten auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt seien „völlig aus dem Ruder“ gelaufen, sagte Olaf Duge, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Grünen. Selbst in mittelmäßigen Lagen würden 15 bis 27 Euro pro Quadratmeter verlangt. „Die Mitte der Gesellschaft kann sich die eskalierenden Marktmieten nicht mehr leisten. Ein dritter Förderweg soll hier jetzt unterstützen und für Entlastung sorgen, wenn die Miete bei 11 bis 13 Euro pro Quadratmeter liegt.“

Senatorin Karen Pein: „Wir können nicht alle Probleme nur mit Geld zuwerfen“

Für Stadtentwicklungssenatorin Pein ist zwar „jede geförderte Wohnung im Angebot eine gute Wohnung“, wie sie kürzlich bei der Vorstellung der Wohnraumförderung sagte. Dennoch sei ihr auch klar, dass diese staatlich subventionierten Wohnungen „viel Geld“ der Steuerzahler kosteten: „Wir können nicht alle Probleme nur mit Geld zuwerfen, sondern wir müssen auch an die Wurzeln des Problems heran“, so Pein, „und das sind vor allem die Baukosten.“ Diese zu senken habe sich der Senat ebenfalls vorgenommen, unter anderem durch eine Entschlackung der Bauordnung und schnellere Genehmigungsprozesse.

Genug Geld auch für eine ausgebaute Förderung stehe dennoch zur Verfügung. Sommer verwies darauf, dass die Stadt den sogenannten Subventionsbarwert in den vergangenen zwei Jahren von 305 auf 780 Millionen Euro angehoben habe, und diese Mittel seien bislang bei Weitem nicht abgerufen worden: „Es muss niemand die Sorge haben, dass uns auf der Wegstrecke das Geld ausgeht.“

Eigenheimdarlehen zu 2,0 Prozent für 15 Jahre – trotzdem noch geringe Nachfrage

Das dürfte weniger an den Förderkonditionen als an den schwierigen Rahmenbedingungen liegen. So fördert die IFB seit August den Neubau und Ersterwerb von selbst genutztem Wohneigentum mit einem neuen Eigenheimdarlehen: 2,0 Prozent beträgt der Zinssatz, fest für 15 Jahre. Das ist nur ungefähr die Hälfte von dem, was parallel am Markt verlangt wurde. Trotz großzügiger Einkommensgrenzen – eine Familie mit zwei Kindern darf bis zu 140.000 Euro im Jahr verdienen – wurden seitdem erst 30 Finanzierungen abgeschlossen.

Ralf Sommer ist dennoch optimistisch: „Für die Zukunft rechne ich mit 200 bis 300 Abschlüssen im Jahr. Es braucht etwas Zeit, bis so ein neues Angebot bekannt ist und unsere Vertriebspartner es auch aktiv anbieten.“ Das sind die Banken, die die Immobilie erstrangig finanzieren, während das IFB-Eigenheimdarlehen von bis zu 150.000 Euro nur nachrangig vergeben wird.

Immobilienfinanzierung: Menschen mit Migrationshintergrund trauen sich eher

Ohnehin ist die Eigenheimförderung gerade ein schwieriges Geschäft, wie Sommer einräumt: „Wenn die Zinsen steigen und die Doppelhaushälfte 600.000 Euro statt früher 350.000 Euro kostet, drückt das natürlich die Nachfrage. Zudem sehen wir, dass viele Menschen von den steigenden Lebenshaltungs- und sonstigen Kosten beeindruckt sind und sich daher beim Thema Immobilienkauf zurückhalten.“

Menschen mit geringem Einkommen würden sich, anders als früher, kaum noch an den Immobilienkauf herantrauen, so der IFB-Chef, der eine interessante Beobachtung gemacht hat: „Wenn doch, dann sind es oft Menschen mit Migrationshintergrund. Bei ihnen spüren wir noch eher den Spirit, sich das Eigenheim abzusparen und dafür auf Urlaube oder andere Annehmlichkeiten zu verzichten. Diese Bereitschaft ist bei vielen jungen Leuten nicht mehr vorhanden.“