Hamburg. Liesa Wernicke bietet mit dem neuen Konzept voll ausgestattete Arbeitsplätze. Dahinter steckt auch der Fachkräftemangel in der Branche.

Draußen, über dem Schaufenster, steht in großen Buchstaben „Le Club“, und auch drinnen sieht es auf den ersten Blick so gar nicht nach Friseursalon aus. Ein langer Tresen mit schicker Kaffeemaschine, eine Sitzecke mit Kissen in Pastellfarben, moderne Kunst an den Wänden. Nur die großen Spiegel an der Wand geben einen Hinweis darauf, dass in dem Ladenlokal in der Hamburger Neustadt nicht die nächste neue Bar oder das nächste hippe Café eröffnet, sondern Hamburgs erster Co-Working-Salon für alles rund um Haare und Schönheit.

„Der Empfangsbereich ist Teil des neuen Konzepts“, sagt Liesa Wernicke. Von wegen schnell mal waschen, schneiden, föhnen. Le Club ist eine Mischung aus Gemeinschaftsarbeitsflächen, Club-Atmosphäre und Veranstaltungsfläche. In schnellen Schritten steuert die Friseurmeisterin durch den Raum, unter einer glitzernden Disco-Kugel geht es über eine Treppe nach oben. „Hier gibt es zwölf voll ausgestattete Friseur-Arbeitsplätze“, sagt die Gründerin bei der exklusiven Führung durch den großen, hellen Salon vis-à-vis des Michels. Außerdem ist Platz für Kosmetikbehandlungen. Das Besondere: Angestellt ist hier niemand, jede und jeder arbeitet auf eigene Rechnung.

Friseur in Hamburg mit Co-Working-Konzept: erster Salon eröffnet

Gemeinschaftsarbeitsflächen kennt man bislang vor allem von Schreibtischjobs. „Die Idee ist, auch in einem klassischen Handwerksberuf die Flexibilität zu erhöhen und damit den Anforderungen einer sich stark verändernden Arbeitswelt gerecht zu werden. Gerade jungen Menschen kann das den Sprung in die Selbstständigkeit ermöglichen“, sagt Liesa Wernicke, die ihre Unternehmensidee von einem Auslandsaufenthalt in London mitgebracht hat. Inzwischen gibt es auch in Deutschland erste Co-Working-Salons, etwa in Berlin und München.

Der Eingangsbereich des Co-Working-Salons Le Club an der Englischen Planke sieht aus wie eine schicke Bar und wird als Empfang für die Kunden genutzt.
Der Eingangsbereich des Co-Working-Salons Le Club an der Englischen Planke sieht aus wie eine schicke Bar und wird als Empfang für die Kunden genutzt. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

In Hamburg betritt die 37-Jährige mit Le Club unternehmerisches Neuland. Dabei bietet sie anders als bei der bei Friseuren üblichen Stuhlmiete für ihre Co-Worker unterschiedliche Möglichkeiten von einer festen Mitgliedschaft mit 30 Stunden im Monat (449 Euro) bis zu Halbtagestickets (ab 99 Euro), alles immer inklusive aller Nebenkosten. Die neue Flexibilität bei der Arbeitszeit hat auch Vorteile für die Kunden. Geöffnet ist der Gemeinschaftssalon von Montag bis Sonnabend zwischen 7 Uhr und 22 Uhr. Die Terminkoordination läuft online über das Buchungsportal Treatwell oder nach individueller Vereinbarung.

Geschäftsidee für Le Club in Hamburg stammt aus London

Dafür, dass Le Club am Freitag offiziell eröffnet, wirkt Liesa Wernicke wenige Stunden vorher noch ziemlich gelassen. Knapp zwei Jahre hat sie auf diesen Moment hingearbeitet. Der Sprung ins Unternehmertum kommt nicht von ungefähr. Die Hamburgerin hat eine Ausbildung als Bankkauffrau gemacht, bevor sie ihrer Leidenschaft fürs Friseurhandwerk folgte und in den vergangenen Jahren Erfahrungen in ganz unterschiedlichen Betrieben gesammelt hat.

Mit Le Club verwirklicht sich die Mutter von zwei kleinen Kindern jetzt einen Lebenstraum: ein eigener Salon, aber eben anders. Das ist auch bei der Raumgestaltung sichtbar. Statt der üblichen Friseurstühle hat Liesa Wernicke bequeme Sessel an große geschwungene Tische gestellt. Auf glänzenden Steinplatten sind Spiegel und Friseurprodukte ausgestellt. Die Waschplätze sind getrennt davon in einem Nebenraum. Es gibt eine Fotowand für schnelle Posts von der neuen Frisur bei Instagram & Co. Außerdem kleine Räume für individuelle Anwendungen, Schließfächer, Küche und was man sonst noch für den Betrieb eines Salons braucht. Insgesamt stecken Investitionen in sechsstelliger Höhe in Le Club, finanziert über Bankkredite und Investoren aus dem Familien- und Freundeskreis.

Die Friseurmeisterinnen Christiane Maue (l.) und Natalie Werner gehören zu den ersten Mitgliedern in Hamburgs ersten Co-Working-Salon Le Club.
Die Friseurmeisterinnen Christiane Maue (l.) und Natalie Werner gehören zu den ersten Mitgliedern in Hamburgs ersten Co-Working-Salon Le Club. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

„Die Atmosphäre ist entspannt und einladend“, sagt Christiane Maue. Die 38-Jährige ist eine der Ersten, die einen festen Mitgliedsvertrag unterschrieben haben. „Ich war sofort von dem Konzept begeistert“, sagt sie. „Es bietet maximale Flexibilität in einem kreativen Umfeld.“ Dafür hat die Friseurmeisterin ihren festen Arbeitsvertrag gekündigt und startet in die Selbstständigkeit. Künftig will sie 25 Stunden in der Woche arbeiten. Die Fixkosten als Co-Workerin bei Le Club schätzt sie auf etwa 1300 Euro im Monat. „Für mich ist das die passende Lösung“, sagt die Mutter von zwei kleinen Kindern. Bedenken, dass ihr die Kunden fehlen, hat sie nicht. „Viele folgen mir schon seit Jahren.“

Auch Natalie Werner hat ihren Job gekündigt und will künftig im Le Club auf eigene Rechnung Köpfe frisieren. Die 27-Jährige hat erst im vergangenen Sommer ihre Ausbildung beendet und nach einem Intensivkurs auch die Meisterprüfung abgelegt – die Voraussetzung, um selbstständig zu arbeiten. Ihr Ziel: ein eigener Friseursalon. „Mit dem Co-Working-Konzept kann ich mir jetzt langsam ein Geschäft aufbauen“, sagt die junge Friseurmeisterin, die sich auf Locken spezialisiert hat. Für den Anfang hat sie noch einen anderen Teilzeitjob angenommen.

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Friseur- und Kosmetiksalons in Deutschland leiden schon länger unter Umsatzrückgängen. Zahlreiche Betriebe auch in Hamburg sehen sich in ihrer Existenz bedroht und haben ihre Angebote reduziert. „Die Situation in der Branche bleibt angespannt“, sagt der Obermeister der Hamburger Friseurinnung, Henry Riehl. Dabei ist die Zahl der Betriebe nach Angaben der Handwerkskammer in den vergangenen Jahr stetig gestiegen und lag Ende 2023 bei 1521. „Das Problem ist, dass viele kleine Betriebe mit zu hohen Fixkosten kämpfen“, sagt Riehl, der einen Salon in Barmbek hat. Den neuen Co-Working-Salon hält er auch deshalb „für ein interessantes Konzept, weil es neue Alternativen für junge Menschen bietet“.

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Dazu kommt der Fachkräftemangel. Gute Leute sind kaum zu bekommen. Das hat unterschiedliche Gründe, aber liegt auch an unattraktiven Arbeitszeiten und niedrigen Verdienstmöglichkeiten. Eine Veränderung ist nicht Sicht. In Hamburg ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge den jüngsten Zahlen zufolge weiter im Sinkflug: von 385 im Jahr 2000 auf 139 im Jahr 2022.

Am Montag öffnet Le Club erstmals die Türen für die Kunden. Für Gründerin Liesa Wernicke geht es jetzt erst mal darum, weitere Mitglieder für ihren Gemeinschaftssalon zu gewinnen. Aktuell hat sie fünf Verträge geschlossen. Sie selbst arbeitet auch mit. „Das Interesse ist da“, sagt die Unternehmerin. In den vergangenen Wochen habe sie 15 Anfragen bekommen. „Klar ist, dass die neuen Co-Worker auch menschlich zu uns und dem Konzept passen müssen.“