Hamburg. Der DGB hat mehr als 1000 Lehrlinge in der Hansestadt befragt. In welchen Berufen sie sich wohlfühlen – und in welchen oft eher nicht.
Die Warnungen von Wirtschaftsverbänden vor den gravierenden Folgen des wachsenden Fachkräftemangels werden zunehmend lauter, zugleich beklagen viele Unternehmen, es gäbe zu wenig Bewerber, um die freien Ausbildungsplätze zu besetzen. Dennoch liegt in der betrieblichen Ausbildung in Hamburger Unternehmen weiterhin vieles im Argen. Das belegt der Ausbildungsreport 2024 des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). „Wer Fachkräfte braucht, muss sie gut ausbilden und dann auch eine Perspektive bieten“, sagte Hamburgs DGB-Vorsitzende Tanja Chawla bei der Vorstellung der umfangreichen Studie.
Azubis in Hamburg: Viele unzufrieden mit Ausbildung
Sie beruht auf einer Umfrage unter mehr als 1000 der grob geschätzt etwa 30.000 jungen Männern und Frauen, die eine sogenannte duale Ausbildung in Hamburger Unternehmen und in der Berufsschule absolvieren. Die zentrale Erkenntnis lautet: Die Unzufriedenheit der Azubis mit ihrer Ausbildung wächst. Gut ein Viertel (26 Prozent) sagen, sie seien nur teilweise zufrieden damit, wie es in Firma und Schule mit der Ausbildung läuft. Jeder zwölfte Befragte ist sogar eher oder sehr unzufrieden damit.
Das bedeutet zwar, dass immerhin zwei Drittel aller Hamburger Azubis zufrieden oder sehr zufrieden mit den Lernbedingungen sind. Doch dieser Wert sei zurückgegangen, sagte Wiebke Oetken, die Jugendsekretärin des DGB Nord. „Langfristig und auch bundesweit liegt die Gesamtzufriedenheit auf einem relativ niedrigen Niveau. Das sollte ein Warnzeichen für die Hamburger Betriebe sein.“ Vor zehn Jahren waren noch fast 73 Prozent der Hamburger Azubis zufrieden bis begeistert gewesen.
Azubis in Hamburg: Ein Drittel macht regelmäßig Überstunden
Aus Sicht des Gewerkschaftsbundes gibt es eine ganze Reihe von Aspekten, die Azubis unzufrieden machen. So sagen inzwischen 14 Prozent (2012: 8,5 Prozent) der Hamburger Azubis, sie müssten häufig oder ständig Aufgaben im Betrieb übernehmen, die mit der Ausbildung gar nichts zu tun haben. „Das sind oft die Klassiker: Ständig den Kaffee kochen, Erledigungen für die Chefin oder den Chef, immer die Werkstatt sauber machen“, weiß Jugendsekretärin Oetken.
Mehr als ein Drittel aller Azubis muss laut der Umfrage regelmäßig Überstunden machen, teils mehr als fünf Stunden pro Woche. Und das werde bisweilen finanziell oder durch Freizeit nicht ausgeglichen. „Wer Azubis Überstunden aufbrummt, verhält sich unverantwortlich. Das sind keine Kavaliersdelikte, sondern Verstöße gegen das Berufsbildungsgesetz“, kritisierte Wiebke Oetken.
Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz seien an der Tagesordnung und besonders weit verbreitet in Berufen in Gastronomie und Hotellerie. „Da werden Azubis schon mal aufgefordert, nach der Berufsschule noch eine Schicht im Betrieb zu machen.“ Die DGB-Jugend fordert mehr Arbeitszeitkontrollen und Sanktionen für die Betriebe bis hin zum Entzug der Ausbildungsberechtigung.
Azubis in Hamburg: In diesen Berufen ist die Unzufriedenheit am größten
Tatsächlich ist die Unzufriedenheit mit der Ausbildung unter den angehenden Kaufleuten für Hotelmanagement und für künftige Restaurantfachleute am größten. Jeweils ein Viertel der Azubis sind eher oder sehr unzufrieden. Und von den Hotelkaufleuten sind lediglich gut 30 Prozent sehr zufrieden. Ganz anders bei den künftigen Fachkräften für Veranstaltungstechnik: Beim Spitzenreiter in der Wohlfühl-Rangliste der 27 untersuchten Ausbildungsberufe in Hamburg herrscht zu 100 Prozent sehr große Zufriedenheit unter den Azubis.
Ein anderes Ergebnis der Umfrage ist aus Sicht von DGB-Chefin Chawla angesichts der Klagen über den Fachkräftemangel höchst verwunderlich: Mehr als die Hälfte der befragten Azubis wusste noch nicht, ob sie nach Ende der Ausbildung vom Betrieb übernommen werden und dort einen Arbeitsplatz erhalten. „Selbst von den Azubis im dritten Ausbildungsjahr wussten 45 Prozent noch nicht, ob sie übernommen werden. Und von denen, die es wussten, hatte ein Teil nur die Aussicht auf eine befristete Anstellung. Es ist absolut nicht verständlich, dass die Betriebe keine klare Berufsperspektive aufzeigen und den Auszubildenden keine guten Angebote machen.“
Azubis in Hamburg: 30 Prozent lernen ihren Traumberuf
Wie zufrieden oder unzufrieden Auszubildende sind – auch das zeigt die Umfrage – hängt stark davon ab, ob sie ihren Wunschberuf erlernen. Das tun immerhin fast 30 Prozent (2020: 25 Prozent) der Hamburger Lehrlinge und die sind damit ganz überwiegend sehr zufrieden. Doch für ebenso viele war der Ausbildungsberuf gar nicht geplant oder sogar eine Art Notlösung. Entsprechend groß ist die Unzufriedenheit in der Lehre.
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Bislang wenig genutzt wird die Möglichkeit, eine Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren. Die Hürden dafür waren vor einigen Jahren gesenkt worden, um zum Beispiel auch Alleinerziehenden die Möglichkeit zu einer dualen Ausbildung zu eröffnen. „Wir waren erstaunt, dass lediglich 1,3 Prozent der Befragten, eine Teilzeit-Ausbildung machen. Immerhin würde ein Drittel das gerne machen“, sagte DGB-Chefin Chawla. Doch offenbar gibt es große Wissenslücken bei dem Thema. Nur ein kleiner Teil der Azubis wusste überhaupt, dass eine Teilzeit-Lehre möglich ist.
Ausbildung Hamburg: Nur jeder sechste Betrieb bildet aus
Auch vor dem Hintergrund, dass lediglich etwa jedes sechste Hamburger Unternehmen eine duale Ausbildung anbietet („Das ist die niedrigste Ausbildungsquote unter den westdeutschen Bundesländern.“), und dass zugleich fast ein Drittel der in Hamburg geschlossenen Ausbildungsverträge noch vor der Prüfung vom Betrieb oder vom Azubi aufgelöst wird, forden der DGB und seine Jugendorganisation unter anderem:
- regelmäßige Aus- und Fortbildungen für die Ausbilder in den Betrieben
- eine Erhöhung der Mindestausbildungsvergütung um 130 Euro im Monat
- die unbefristete Übernahme aller Azubis
- die Stärkung der Teilzeit-Ausbildung
- einen Zukunftsfonds für die duale Ausbildung in Hamburg, in den Unternehmen einzahlen, die nicht selbst ausbilden
„Die Ausbildungskosten müssen gerechter auf die Betriebe verteilt werden“, sagte Jugendsekretärin Wiebke Oetken. DGB-Chefin Chawla verwies auf bereits laufende umlagefinanzierte Ausbildungsfonds in Bremen und in der Bauwirtschaft. Hamburgs oberste Gewerkschafterin: „Wir sind in Gesprächen mit dem Senat darüber.“