Hamburg. Linke kritisieren falsche Angaben. Weniger Kreuzfahrtschiffe zapfen saubere Energie von Land aus als angekündigt. Tui Cruises verklagt.
In Sachen Landstrom war 2023 für Hamburgs Hafen den Angaben des Senats zufolge ein gutes Jahr. Der Ausbau der Stromsteckdosen an den Terminals schritt voran. Mit mehreren Kreuzfahrtreedereien konnten Kooperationsverträge zur Übernahme von Landstrom für ihre Schiffe während ihrer Liegezeit im Hamburger Hafen verkündet werden.
Doch nun hat die Linksfraktion die Angaben näher untersucht und stößt auf erhebliche Ungereimtheiten. Diese betreffen sowohl den tatsächlichen Verlauf der Energieversorgung der schwimmenden Paläste im Jahr 2023 als auch die Prognosen für 2024. Für die Linke hat der Senat falsche Angaben gemacht. Sie spricht von „Greenwashing“.
Landstrom: Schwere Vorwürfe gegen Hamburger Senat
So ist eine Reihe von Kreuzfahrtschiffen, die den Hamburger Hafen anlaufen, zwar landstromfertig, aber nicht zertifiziert. Landstromfertig heißt, dass sie über die notwendigen Anlagen verfügen, um einen Stromstecker von Land bei sich anzuschließen. Zertifiziert sind diese Luxusliner aber erst, wenn sie mit den Hamburger Anschlüssen kompatibel sind und auch tatsächlich eine Versorgung aufgebaut werden kann.
Der Vorwurf der Linken: Anders als vom Senat ursprünglich behauptet, sei tatsächlich eine Reihe von Kreuzfahrtschiffen, die den Hafen anlaufen, zwar grundsätzlich in der Lage, Landstrom zu beziehen, das notwendige Zertifikat fehle ihnen aber. Am Hamburger Stromnetz waren diese Schiffe also nie, darunter die „Aidaprima“, die „Aidaperla“ und die „Queen Mary 2“. Das geht aus zwei schriftlichen Kleinen Anfragen der Fraktion hervor.
Nicht alle landstromfähigen Schiffe nehmen grünen Strom aus der Steckdose
Zudem hätten alle landstromfähigen und zertifizierten Schiffe, die im Jahr 2023 das Terminal in Altona angelaufen haben, zwar tatsächlich Landstrom bezogen, jedoch nicht bei jedem Anlauf. Insgesamt sei bei den 45 Anläufen von geeigneten Schiffen lediglich bei 28 Anläufen eine entsprechende Landstromversorgung zustande gekommen. Das wären gerade einmal 62 Prozent.
Die Ankündigung des Senats, drei Viertel der Kreuzfahrtanläufe im Jahre 2024 mit Landstrom zu versorgen, ist für die Linke „reinstes Greenwashing“: Demnach sollen 140 Anläufe mit Landstromversorgung am Terminal Steinwerder erfolgen und 40 weitere am Terminal Altona. Laut der Antworten auf die schriftliche Kleine Anfrage sind jedoch nur elf Kreuzfahrtschiffe insgesamt landstromfähig. Zählt man deren Besuche in der Elbmetropole zusammen, kommt man auf 46 Anläufe, bei denen eine Versorgung durch Landstrom möglich ist – aber nicht auf 180.
Landstrom für Kreuzfahrtschiffe: Linke wirft Senat Greenwashing vor
„Entweder beherrscht der Senat den Dreisatz nicht, oder er ist unehrlich gegenüber uns und der Bevölkerung der Freien Hansestadt Hamburg“, sagt dazu der Abgeordnete der Linken, Stephan Jersch. „Ein Bruchteil der Kreuzfahrtschiffe, die dieses Jahr geplant haben Hamburg anzulaufen, können überhaupt, Stand jetzt, Landstrom beziehen. Dennoch hat der Senat großspurig verkündet, drei Viertel der Anläufe von Kreuzfahrtschiffen würden in diesem Jahr mit Landstrom versorgt werden.“
Sein Fraktionskollege, der hafenpolitische Sprecher Norbert Hackbusch, ergänzte, es gebe mehrere falsche Angaben des Senats. „Im Umkehrschluss bedeutet es, dass sich die Anwohnenden im Hamburger Hafen auch weiterhin auf schlechte Luft einstellen müssen, obwohl der Senat hier in der Pflicht ist, diese zu schützen.“
Die Hamburger Wirtschaftsbehörde verteidigt ihre Angaben über Landstromfähigkeit und Zertifizierung der Schiffe. Diese würden jeweils von den Reedereien vorab geliefert. Erst bei Anlauf des jeweiligen Schiffes im Hamburger Hafen könnten diese Angaben verifiziert werden: „Es geht im Kern um die Frage, was funktioniert wo – und die Zertifizierung ist durchaus ein aufwendiger Prozess, der in der Regel auch mit mehreren Versuchen einhergeht. Weil es sich um eine neue Technik handelt, klappt dabei immer mal wieder auch etwas nicht und muss dann bei einem erneuten Anlauf (mitunter Wochen später) noch mal neu versucht werden.“
Deutsche Umwelthilfe verklagt Tui Cruises
Unterdessen muss sich das Landgericht Hamburg mit einer Klage gegen Tui Cruises befassen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wirft der Hamburger Reederei („Mein Schiff“) Verbrauchertäuschung vor, weil sie mit realitätsfernen Zukunftsannahmen werbe. Hintergrund der Klage ist, dass Tui Cruises – ebenso wie seine Konkurrenten – angekündigt hat, den Betrieb seiner Flotte bis 2050 zu dekarbonisieren.
Laut Umwelthilfe verweist Tui Cruises dazu auf die zukünftige Verfügbarkeit „derzeit völlig unausgereifter Technologien wie E-Fuels“. Darüber hinaus erläutere das Unternehmen nicht ausreichend, woher die für die Schifffahrt benötigten Mengen alternativer Kraftstoffe kommen sollten. „Sprich: Das Ziel, 2050 den Kreuzfahrtbetrieb ohne den Ausstoß von CO2 hinzubekommen, sei unrealistisch.
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Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH spricht von dreister Verbrauchertäuschung. „Der Kreuzfahrtriese Tui begründet seine utopische Ankündigung auf seiner Webseite mit der kühnen Behauptung, seine Kreuzfahrtschiffe ab 2050 mit grünem Methanol, anderen E-Fuels und LNG zu betreiben. Unabhängig von der Tatsache, dass LNG ein fossiler Kraftstoff ist, verlegt Tui sein tatsächliches Engagement um 26 Jahre in die Zukunft.“
Tui Cruises wehrt sich gegen Umwelthilfe
Das beklagte Unternehmen sagte, es lasse sich sein Engagement für den Klimaschutz nicht zerreden. „Wir werden uns gegen die unbegründete Klage der DUH in der gebotenen Weise verteidigen“, hieß es in einer Stellungnahme. „Wir sind von unserer stets an den neuesten technischen Entwicklungen orientierten und transparenten Klimaschutzstrategie überzeugt. Diese Strategie und die darin beschriebenen Ziele und Maßnahmen werden wir darum konsequent verfolgen, die Klage der DUH wird daran nichts ändern. Wir setzen uns realistische Ziele und informieren hierüber die Öffentlichkeit.“