Hamburg. Neue Anlage im Hafen geht nun erst 2024 offiziell in Betrieb. Stadt erwartet einen Quantensprung für bessere Luft, doch es gibt Kritik.

Das hatte sich der Senat so schön ausgemalt: Kurz vor Weihnachten sollte die frohe Botschaft verkündet werden, dass es mit der Landstrom-Versorgung von Schiffen im Hafen endlich vorangeht. „Gute Nachricht zum Fest“, stand daher schon in der Einladung zu dem Termin am Freitag, bei dem das Kreuzfahrtschiff „Aidanova“ von Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) an die neue Anlage am Kreuzfahrtterminal Steinwerder angeschlossen werden sollte – schöne Bilder inklusive. Doch „Zoltan“ hatte etwas dagegen.

Aufgrund des heftigen Sturmtiefs, das über ganz Norddeutschland hinwegzog und Hamburg Wasserstände von bis zu drei Metern über dem mittleren Hochwasser bescherte, war die mit einem flexiblen Roboterarm arbeitende und über 270 Meter Kaikante bewegliche Anlage nicht einsatzbereit. Kleiner Trost: Das 337 Meter lange Schiff war mit Blick auf das Wetter vorsorglich schon einen Tag eher nach Hamburg gekommen und konnte wie geplant für einen Kreuzfahrtrekord sorgen.

Hafen Hamburg: Kreuzfahrtschiff „Aidanova“ sorgt für Passagierrekord

Knapp 6000 Passagiere gingen von Bord, ebenso viele steigen wieder zu und machen sich am Freitagabend auf den Weg nach Norwegen. Das seien „die meisten Passagierbewegungen an einem Tag an den Hamburger Kreuzfahrtterminals“, teilte der städtische Terminalbetreiber Cruise Gate Hamburg (CGH) stolz mit. Neben den Tausenden Menschen würden auch rund 8800 Koffer sowie 16 Lkw-Ladungen Proviant bewegt. Am 29. Dezember soll sich das Schauspiel wiederholen, wenn die „Aidanova“ nach Hamburg zurückkehrt.

Großer Trost: Auch ohne symbolischen Fototermin dürfte die Landstromversorgung 2024 mächtig Fahrt aufnehmen. Allein an der neuen Anlage auf Steinwerder, in die die Stadt und der Bund rund 13 Millionen Euro investiert haben, sollen dann 140 Kreuzfahrtschiffe während der Liegezeit im Hafen mit Ökostrom von Hamburg Energie versorgt werden. Die mächtigen Schiffsdiesel, deren Abgase dafür sorgen, dass die Luft rund um den Hafen so schlecht ist wie nirgendwo sonst in der Hansestadt, können dann abgeschaltet werden.

2024 sollen zwei von drei Kreuzfahrtschiffen mit Landstrom versorgt werden

Weitere 40 Anschlüsse ans Landstromnetz soll es am Kreuzfahrtterminal Altona geben, mit dem Hamburg 2016 weltweit Neuland betreten hatte. Bei erwarteten 270 Schiffsanläufen können also 180 oder zwei Drittel aller Kreuzfahrtschiffe auf die umweltfreundlichere Energieversorgung setzen. Das ist ein Quantensprung, denn seit es die Landstromanlage Altona gibt, sind in rund sieben Jahren überhaupt erst 117 Schiffe dort angeschlossen worden, wobei die Höchstzahl von 35 in diesem Jahr ereicht wurde – bei mehr als 280 Anläufen also nur jedes achte Schiff.

Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) und Hafen-Chef Jens Meier (r.) hatten im Sommer eine Vereinbarung mit der Reederei Aida Cruises und ihrem Präsidenten Felix Eichhorn über die Nutzung von Landstrom geschlossen.
Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) und Hafen-Chef Jens Meier (r.) hatten im Sommer eine Vereinbarung mit der Reederei Aida Cruises und ihrem Präsidenten Felix Eichhorn über die Nutzung von Landstrom geschlossen. © Aida Cruises | AIDA Cruises

Immerhin sollen dabei rund 640 Tonnen CO2 eingespart werden, was den Emissionen beim Verbrauch von 270.000 Liter Benzin durch Autos entspreche, so die Wirtschaftsbehörde. Hinzu komme, dass neben den „Steckdosen“ für Kreuzfahrtschiffe im kommenden Jahr auch die Landstromanlagen auf den Containerterminals Burchardkai, Tollerort und Eurogate in Betrieb gehen sollen. 2025 soll dann das neue Kreuzfahrtterminal in der HafenCity samt Landstromanlage fertig sein. Entsprechende Nutzungsverträge für die Anlagen hat die Stadt mit vielen großen Reedereien abgeschlossen.

Wirtschaftssenatorin: „Hand in Hand mit Reedereien“ zu mehr Nachhaltigkeit

„Mit dem Ausbau der Landstromversorgung im Hamburger Hafen setzen wir ein deutliches Zeichen für mehr Umweltschutz“, teilte Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard am Freitag mit. Hamburg gehe „Hand in Hand mit den Reedereien“ große Schritte zu mehr Nachhaltigkeit: „Bei der Kreuzfahrt sind wir schon sehr weit“, so die Senatorin. „Im kommenden Jahr nehmen wir weitere Anlagen in Betrieb und gehen dabei über die Kreuzfahrtschiffe hinaus auch die Versorgung für Containerschiffe an.“

Das Kreuzfahrtschiff „Aidasol“ wird an die Landstromanlage am Cruise Center Altona angeschlossen. Eine ähnliche, aber noch größere Anlage gibt es jetzt auch am Kreuzfahrtterminal Steinwerder.
Das Kreuzfahrtschiff „Aidasol“ wird an die Landstromanlage am Cruise Center Altona angeschlossen. Eine ähnliche, aber noch größere Anlage gibt es jetzt auch am Kreuzfahrtterminal Steinwerder. © dpa | Christian Charisius

Felix Eichhorn, Präsident der Reederei Aida Cruises, betonte, dass man Hamburg nicht nur zu „einem der wichtigsten Kreuzfahrthäfen in Nordeuropa“ entwickelt habe, sondern dabei auch „wichtige Pilotprojekte mit internationaler Strahlkraft“ in Richtung eines nachhaltigen Kreuzfahrttourismus‘ umgesetzt habe. Eichhorn: „Umso mehr freuen wir uns, dass unsere gemeinsamen Bemühungen weitere Früchte tragen.“

Hafen Hamburg: Kritiker fordern Pflicht zur Landstromnutzung

Mit 116 von 270 geplanten Anläufen im kommenden Jahr ist das Unternehmen der mit Abstand größte Kreuzfahrtanbieter im Hamburger Hafen. Und da alle sieben Aida-Schiffe, die die Hansestadt anlaufen, landstromfähig sind, sorgen die markant bemalten schwimmenden Bettenburgen zumindest während der Liegezeit mitten in der Stadt nicht mehr für schlechte Luft.

An den Emissionen auf der langen Fahrt elbaufwärts und zurück Richtung Nordsee ändere das natürlich nichts, führen Kritiker an. Dennoch ist man sogar beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zufrieden mit der Entwicklung: „Der Nabu begrüßt sehr, dass es jetzt an zwei Standorten Landstromanlagen für Kreuzfahrtschiffe gibt“, sagte der Hamburger Landesvorsitzende Malte Siegert dem Abendblatt.

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„Landstrom ist sowohl in Bezug auf die erhebliche Reduzierung von gesundheitsgefährlichen Stickoxiden, Feinstaub oder krebserregendem Ruß während der Liegezeit sinnvoll, sondern auch wegen des Klimagases CO2 notwendig“, so Siegert. Der Nabu, der mit seinen mehr als 20.000 Mitgliedern in Hamburg immer wieder auf die negativen Folgen der Kreuzschifffahrt hingewiesen hat, schreibt es sich mit auf die Fahnen, dass das Thema Landstrom nun endlich Fahrt aufnimmt und die Stadt sich stolz als weltweiter „Vorreiter“ präsentieren kann.

Nabu kritisiert: Zu wenige Schiffe haben das Landstromangebot genutzt

Siegert kritisiert aber, dass in den vergangenen Jahren nur wenige Schiffe das Angebot „angesichts zu hoher Kosten für grünen Strom“ genutzt hätten. „Das kann es nicht sein. Deswegen muss die Stadt landstromtaugliche Schiffe zur Abnahme verpflichten und die, die keinen nehmen können oder wollen, satt zu Kasse bitten.“ Umwelt- und Gesundheitsschutz dürfe nicht den privatwirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden.

Auch die Linkspartei in der Bürgerschaft sieht die „gute Nachricht“ noch mit Skepsis: Ob die 180 angekündigten Landstromanläufe wirklich Realität werden, bleibe abzuwarten, sagte ihr Umweltexperte Stephan Jersch. Angesichts der Zahlen aus den Vorjahren wäre schon „eine Landstromquote von mehr als 50 Prozent ein großartiger Erfolg für ein auf Freiwilligkeit basierendes Vorhaben“.

Hafen Hamburg: „Aidanova“ könnte Landstrom schon bald nutzen

„Das halte ich aber für Greenwashing“, so Jersch. „Denn nach wie vor sind nicht alle Schiffe landstromfähig, zertifiziert oder sind die Reedereien bereit, eventuelle Mehrkosten zu bezahlen.“ Auch seine Partei halte eine Landstrompflicht daher für den „saubersten und schnellsten Weg“ zur Entlastung des Hafengebiets und seiner Anwohner.

Zumindest bei der Reederei Aida zeigt man sich aber gewillt, den Ökostrom auch zu nutzen – vielleicht schon am 29. Dezember, wenn die „Aidanova“ nach Hamburg zurückkehrt, so eine Sprecherin. Laut Wirtschaftsbehörde läuft die Anlage derzeit zwar noch im Testbetrieb, soll aber „sehr zeitnah zu Jahresbeginn“ offiziell an die Hamburg Port Authority (HPA) übergeben werden und dann in den Regelbetrieb gehen. Nur stürmen darf es dann nicht.