Hamburg. Lange Zeit gehörte Essen und Trinken zu den Treibern der Inflation. Ein Verbraucherschützer macht Hoffnung auf weitere Preissenkungen.
Im Supermarkt trieb es vielen sparsamen Kunden beim Blick auf das Preisschild in den vergangenen Monaten die Zornesröte ins Gesicht. Immer wieder hatten die Lebensmittelkonzerne die Preise für ihre Waren verteuert. Die Verbraucherzentrale Hamburg registrierte 2023 mit 104 versteckten Preiserhöhungen so viele „Mogelpackungen“ wie nie zuvor in einem Jahr.
Doch so langsam ist Besserung in Sicht. Die Inflationsrate in Deutschland lag im Januar nur noch bei 2,9 Prozent. Das ist laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) der niedrigste Wert seit Juni 2021. Die Preise für Nahrungsmittel zogen mit einem Plus von 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zwar noch überproportional an. Allerdings ist die Tendenz klar abnehmend. Zum Vergleich: Im März 2023 wurde Essen und Trinken noch um 21,2 Prozent teurer. „Der Preisauftrieb für Nahrungsmittel verlangsamt sich weiter“, sagt Ruth Brand, Präsidentin des Statistischen Bundesamtes.
Supermarkt Hamburg: Trendwende? Erste Lebensmittel werden wieder günstiger
Bei vielen Produkten heißt es jetzt sogar: Es wird günstiger. Zu Jahresanfang ging Aldi voran. Der Anspruch des Discounters: Günstiger als bei Aldi sollen Kunden die Waren im Normalfall nicht kaufen können. Zwei Produktgruppen verbilligte man: Backwaren mit verschiedenen Toastsorten und Broten sowie Frühstückscerealien wie Cornflakes, Zimtchips und Bio-Haferpops.
Die Konkurrenten ziehen in der Regel mit ihren Eigenmarken nach und folgen dem Preisführer, der Aldi meist ist. Rivale Lidl verkündete Ende Januar, die Preise für Bioprodukte dauerhaft zu senken, und zwar für Müsli, Kaffee und Weizenmehl.
Discounter senkten zu Jahresanfang mehrfach die Preise
Kräftiges Trommeln hört man in diesen Wochen aber vor allem von einem anderen Discounter. „Norma hat es schon wieder getan!“ Mit diesem Slogan machte das Unternehmen vor einigen Tagen auf sich aufmerksam. Bereits zum siebten Mal im Januar seien die Preise auf zahlreiche Artikel gesenkt worden. Die Nürnberger betreiben mehr als 1450 Filialen in vier europäischen Ländern, in der Metropolregion werden Norma-Filialen in Geesthacht, Winsen und Lübeck aufgelistet, aber nicht in Hamburg.
Die mit einem Rotstift markierten Artikel reichen durch verschiedene Warenbereiche: Bei Cerealien und Brot ging man mit Aldi zum Monatsanfang im Gleichschritt. Es folgten verschiedene Nüsse, Pistazien und Cranberrys sowie mehrere Weinsorten in der Mitte des Monats. Und Ende Januar kamen noch Back- und Puddingpulver, Speisestärke, Süßstoff, norwegischer Räucherlachs und einige Bioprodukte wie Müsli und Kaffee hinzu. Die von Norma angekündigten Preise findet man in dieser Höhe auch online bei Aldi.
Verbraucherschützer Valet bestätigt erste Preissenkungen im Handel
„Der Zenit der Preiserhöhungen ist nach unseren Daten überschritten“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg im Gespräch mit unserer Redaktion. „In bestimmten Bereichen wie bei Brot und Milchprodukten finden nicht nur keine Preiserhöhungen mehr statt, sondern teilweise Preissenkungen.“
Allerdings sind die Preise im längerfristigen Vergleich immer noch hoch. So kostet beispielsweise die 500-Gramm-Packung Toastbrot bei Discountern und Supermärkten unter den verschiedenen Handelsmarken im Einstiegsbereich nun 99 Cent. Im vergangenen Jahr wurden dafür noch flächendeckend 1,19 Euro verlangt. Zu Jahresanfang folgte dann der von Aldi verkündete Abschlag von 16 Prozent.
Das Niveau der Lebensmittelpreise liegt deutlich höher als vor Corona
Allerdings: Im Oktober 2021 wurden noch 69 Cent für die Packung genommen. Es gibt auf Sicht von gut zwei Jahren also immer noch ein deutliches Preisplus von rund 43 Prozent. „Das Niveau der Lebensmittelpreise liegt im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit deutlich höher. Hersteller und Händler haben es auf ein ganz anderes Niveau gehoben“, sagt Valet.
Der Lebensmittelexperte gibt bei kräftigen Preissteigerungen auch dem Handel eine Mitschuld und führt als Beispiel die von den Verbrauchern gekürte Mogelpackung des Jahres 2023 an. Die Tuc Bake Rolls seien mindestens 127 Prozent teurer geworden. Der Hersteller bedient sich dabei eines raffinierten Tricks.
Bei einem Produkt fordert Valet die Auslistung
Seit 2023 bietet Mondelez die Brotchips unter einem anderen Label an. Bei dem konzerninternen Markenwechsel von 7days zu Tuc schrumpfte der Inhalt von 250 auf 150 Gramm in einem ähnlich großen Standbeutel. Der Verkaufspreis stieg hingegen von 1,39 Euro auf 1,89 Euro beziehungsweise jüngst sogar 1,99 Euro – das wäre sogar ein Plus von 139 Prozent. Das Aussehen, die Rezeptur und die Nährwerte der Brotchips hätten sich, abgesehen vom Salzgehalt, praktisch nicht verändert.
„Für mich ist das ein Produkt, das ausgelistet werden müsste“, sagt Valet. „Zumindest sollten die großen Handelskonzerne wie Rewe und Edeka beim Preis nachverhandeln. Dass Kunden 139 Prozent mehr zahlen sollen für quasi dasselbe Produkt, ist nicht nachvollziehbar. Diese Preiserhöhung ist in keinem Fall gerechtfertigt.“
Sinkende Preise für Rohstoffe kommen zu langsam bei Verbrauchern an
Fairerweise müsse man sagen, dass Löhne und zum Teil auch Energiepreise deutlich höher als vor Corona liegen. Höhere Preise seien also grundsätzlich nachvollziehbar, so Valet: „Aber man merkt schon, dass teilweise sehr hohe Preise verlangt wurden – die jetzt trotz sinkender Rohstoffkosten nur peu à peu zurückgehen.“ Die Entwicklung komme also nur langsam bei den Kunden an. Und zumindest in einigen Bereichen nicht vollumfänglich.
Zwar gebe es bei Milchprodukten schon Preissenkungen im Handel. „Wir sehen da aber noch weiteres Potenzial“, so Valet. Ein besonders auffälliges Beispiel ist der Frischkäse von Philadelphia. Regulär kosten 175 Gramm 2,19 Euro in den Geschäften. Aus Sicht des Verbraucherschützers ist das „viel zu hoch“. Vor gut zwei Jahren waren es noch 1,49 Euro.
Bauern erhalten deutlich weniger Geld für Milch als vor zwei Jahren
In der Zwischenzeit sind die Erzeugerpreise für Milch als Grundbestandteil des Produktes deutlich gesunken. Bekamen die Bauern im Frühjahr 2022 noch 68 Cent je Kilogramm, sind es jetzt zwischen 40 und 45 Cent. Das Statistische Bundesamt weist für die im Handel erhältliche Vollmilch im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat eine Vergünstigung von immerhin 10,7 Prozent aus.
Für Butter – die als Eckprodukt im Handel gilt, bei der Kunden besonders preissensitiv sind und häufig zur günstigsten Eigenmarke greifen – stellen die Statistiker sogar eine Verbilligung um 17,5 Prozent fest. Bei Frischkäse lag das Minus nur bei 0,7 Prozent. Auf Zweijahressicht liegt das Preisplus laut Destatis aber immer noch bei fast 38 Prozent.
Kunden greifen bei Frischkäse wohl gern zu bekannten Namen. „Offensichtlich gelingt es internationalen Markenherstellern gut, höhere Preise beim Handel durchzusetzen oder zu halten“, sagt Valet. Bei unverarbeiteten oder landwirtschaftlichen Produkten wäre dies undenkbar.
Bei Eis, Snacks und Brot gibt es Spielraum für Preissenkungen
Für alle Fans des in der Grundform weißen Brotaufstrichs: Edeka bietet Philadelphia in dieser Woche für 99 Cent an, Konkurrent Kaufland sogar bis nächsten Mittwoch als „Knüller-Preis“ für 95 Cent. Bei den Konkurrenten Rewe und Aldi sind die Konkurrenzprodukte Exquisa und Buko in dieser Woche für 99 Cent zu haben. Die Angebotspreise sind im Vergleich zum Herbst 2022 stabil geblieben.
„Es muss in mehreren Bereichen noch Preissenkungen geben“, fordert der Hamburger Verbraucherschützer. Wenn Valet auf seine Liste mit den Mogelpackungen schaut, sieht er bei Eis Potenzial. Oreo-Stieleis wurde 2023 beispielsweise indirekt um 63 Prozent teurer, indem das Eis bei unverändertem Preis von 110 auf 90 Milliliter und der Kartoninhalt von vier auf drei schrumpfte. In dem kaum von Wettbewerb geprägten Markt zogen viele Eishersteller die Preise deutlich an – daher könnte es eigentlich auch wieder ein Stück runtergehen.
Supermarkt Hamburg: Für das laufende Jahr wird eine Abschwächung der Preise erwartet
Das gelte auch für viele Snacks wie Chips und Erdnüsse. Bei einzelnen Produkten wie zum Beispiel Pringles gebe es schon leichte Vergünstigungen, auch bei einigen Ölen. So ist die Kategorie Sonnenblumen- und Rapsöl laut Destatis um 21,6 Prozent günstiger geworden. Beim Brot gebe es trotz der Rotstiftaktionen weiteren Spielraum. Denn die Getreidepreise waren Ende 2023 etwa ein Drittel niedriger als im Vorjahr. Für Weizenmehl stellte Destatis immerhin schon ein Preisminus von 5,4 Prozent fest.
Die weitere Preisentwicklung hänge zwar auch von der politischen Großwetterlage ab wie Kriegen und anderen Schwierigkeiten, aber grundsätzlich ist Valet für das laufende Jahr verhalten optimistisch: „Wir erwarten eine Abschwächung der Preise.“
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Das zeigt sich übrigens auch bei den Mogelpackungen. Die Beschwerden der Verbraucher darüber gingen seit dem zweiten Halbjahr 2023 deutlich zurück. „Wir haben in den ersten fünf Wochen dieses Jahres nur fünf neue Produkte veröffentlicht. Im vergangenen Jahre lagen wir im Durchschnitt bei knapp neun pro Monat. Bei versteckten Preiserhöhungen gibt es eine gewisse Entspannung.“