Hamburg. Exklusiv: Restaurants, Geschäfte, Büros, Kulturflächen, eine Hochschule und 100 Mietwohnungen sollen entstehen. Alle Details.

Die Eingangstüren sind seit sieben Monaten geschlossen. Wo 100 Jahre lang Kunden zum Einkaufen in das Wandsbeker Karstadt-Kaufhaus strömten, versperrt ein blauer Bauzaun den Weg. Darauf hat die Immobiliengesellschaft Union Investment ihre Zukunftsvision für das Quartier gepinnt. Eine ältere Passantin bleibt stehen und betrachtet eine Zeichnung, die die Pläne für die ehemalige Warenhaus-Immobilie zeigt. „Ich könnte immer noch weinen, dass Karstadt weg ist“, sagt die Wandsbekerin. Aber sie sei auch froh, dass jetzt etwas passiert bei der Umgestaltung mitten im Ortskern von Hamburgs größtem Bezirk.

Man könnte auch sagen: In Wandsbek beginnt gerade die Zeit nach Karstadt. Mit dem Quartier Wandsbek Markt startet Union Investment eins der größten, privat finanzierten Transformationsprojekte in Hamburg. Entstehen soll ein gemischt genutztes Quartier mit Gastronomie, Büros, Geschäften, Kultur, Hochschule und 100 Mietwohnungen auf einer Fläche von 45.000 Quadratmetern. Dafür werden die beiden Karstadt-Gebäude aus den Jahren 1922 und 1967 saniert und umgebaut.

Galeria Karstadt Kaufhof in der Insolvenz: Aus dem ehemaligen Karstadt wird das Quartier Wandsbek Markt

„Das geschlossene Karstadt-Kaufhaus wird in Wandsbek keine Lücke hinterlassen. Im Gegenteil: Das Projekt ist die richtige Ergänzung an dieser Stelle und insofern auch ein Stück Stadtreparatur“, sagt Ronald Behrendt, Projektleiter der Eigentümerin Union Investment, beim exklusiven Ortstermin mit dem Abendblatt. Bis Ende 2027 soll das neue Quartier fertig sein. Die Immobiliengesellschaft, der auch das angrenzenden Einkaufszentrums Quarree gehört, investiert den Angaben zufolge einen dreistelligen Millionenbetrag. Die Finanzierung läuft über den offenen Immobilienfonds UniImmo Deutschland.

Ronald Behrendt (l.), Projektleiter bei Union Investment für das Quartier Wandsbek Markt, steht mit Bent Mühlena aus dem Immobilienprojektmanagement vor dem ehemaligen Karstadt-Parkhaus an der Wandsbeker Königsstraße.
Ronald Behrendt (l.), Projektleiter bei Union Investment für das Quartier Wandsbek Markt, steht mit Bent Mühlena aus dem Immobilienprojektmanagement vor dem ehemaligen Karstadt-Parkhaus an der Wandsbeker Königsstraße. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Direkt um die Ecke, am rückwärtigen Teil des Areals an der Wandsbeker Königstraße, steht nur noch das Gerippe des früheren Karstadt-Parkhauses. Nachdem der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof den Standort Wandsbek im Juni 2023 geschlossen hatte, waren die Parkdecks verwaist. Seit einigen Tagen frisst sich ein riesiger Bagger durch die Betondecken. Der Abriss ist das erste sichtbare Zeichen für den Start der ersten Bauphase. Die Fußgängerbrücke, die in das Warenhaus führte, ist schon fast verschwunden. „Wir erhalten so viel Bausubstanz wie möglich. Aber das alte Parkhaus konnte wegen seiner baukonstruktiven Eigenschaften nicht weitergenutzt werden“, sagt der Leiter Immobilienprojektmanagement bei Union Investment, Bent Mühlena.

Zweistöckige Halle mit Gastronomie und Theaterbühne als neuer Treffpunkt

Herzstück des neuen Quartiers wird eine zweistöckige, offene Halle, die in dem sogenannten Karstadt-Anbau entstehen soll. Der Zweckbau aus den 1960er-Jahren wird mit acht Meter hohen Arkaden nach außen geöffnet. „Auf einer Fläche von 1500 Quadratmetern ist Platz für Restaurants und kleinere Kioske“, sagt Projektleiter Behrendt. Geplant ist auch eine Bühne für Kulturveranstaltungen. Damit wollen die Projektentwickler einen neuen Treffpunkt schaffen und die Attraktivität im Wandsbeker Zentrum erhöhen.

Das Gebäude, das über einen begrünten Innenhof samt Spielplatz in der dritten Etage belichtet wird, soll um drei Geschosse in Holzbauweise aufgestockt werden. Dort und in dem Neubau auf der Fläche des bisherigen Parkhauses sollen 103 Mietwohnungen gebaut werden, ein Drittel davon als Sozialwohnungen. Einzelhandel wird es künftig nur noch im Erdgeschoss und in der ersten Etage geben. Das gilt auch für das denkmalgeschützte, historische Karstadt-Haus. Dort sollen künftig 1000 Studierende der privaten Hochschule NBS lernen, außerdem sind Büros geplant.

Planung für das neue Quartier laufen seit 2021

Dass es in Wandsbek im Vergleich zu anderen geschlossenen Warenhäusern, wie etwa dem ehemaligen Kaufhof in der Mönckebergstraße, mit der Umnutzung vergleichsweise schnell geht, hat mehrere Gründe. Schon 2020 stand die Filiale im Zuge eines Insolvenzverfahrens auf der Kippe und war nach erheblichen Mietreduzierungen erst in letzter Minute gerettet worden – mit einem Schließungstermin im April 2024. Nach der zweiten Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof 2022 wurde dieser Termin auf Sommer 2023 vorverlegt.

So kannte man Karstadt Wandsbek: Das Warenhaus mit der markanten Sandsteinfassade kurz vor der Schließung im Juni 2023.
So kannte man Karstadt Wandsbek: Das Warenhaus mit der markanten Sandsteinfassade kurz vor der Schließung im Juni 2023. © Funke Foto Services | Roland Magunia

Auch wenn das vorgezogene Karstadt-Aus für Eigentümerin und Politik unerwartet kam, die Planungen für das neue Quartier liefen damals bereits. Im September 2022 hatten die Fraktionen in der Bezirksversammlung einstimmig grünes Licht für den Start des Bebauungsplanverfahrens gegeben. Trotzdem dauert es noch, bis alle Genehmigungen erteilt werden. Nach heutigem Stand könnte das B-Plan-Verfahren im März nächsten Jahres abgeschlossen sein. Eine Baugenehmigung erwartet Projektleiter Ronald Behrendt im Sommer 2025. Erst dann startet die zweite, entscheidende Bauphase mit Um- und Neubauten.

In den nächsten Monaten könnte das Wandsbeker Projekt auch bundesweit für Interesse sorgen. Denn nachdem Galeria Karstadt Kaufhof im Januar zum dritten Mal binnen drei Jahren Insolvenz angemeldet hat, ist die Schließung von weiteren der aktuell noch 92 Warenhäuser wahrscheinlich. Schon länger beschäftigen sich Städte, Immobilienbesitzer und Experten mit der Suche nach funktionierenden Nachnutzungskonzepten.

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„Die Schließung eines Warenhauses hat meist weitreichende Folgen für die Innenstadt und den Handel in der City“, sagt Lars Jähnichen, Geschäftsführer der auf Handelsimmobilien spezialisierten IPH Gruppe. Gemeinsam mit der BBE Handelsberatung hat das Unternehmen gerade eine Studie zur Nachnutzung von Warenhäusern veröffentlicht. „Unsere Analyse zeigt, dass Mischnutzungen Erfolg versprechend sind“, so BBE-Geschäftsführer Johannes B. Berentzen und verweist auf positive Beispiele, etwa in Osnabrück oder Leipzig. Sein Fazit: „Das Freiwerden großer Flächen vor allem in guter Lage ist auch eine große Chance für die deutschen Innenstädte.“

Galeria Karstadt Kaufhof in der Insolvenz: 50 Prozent der Kaufhäuser sind noch leer

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass nach einer Studie des Instituts für Internationales Handels- und Distributionsmanagement (IIHD) noch mehr als 50 Prozent der Warenhäuser von der Galeria-Schließungsliste 2019/2020 leer stehen. Dazu zählt unter anderen auch der Kaufhof an der Mönckebergstraße. Dort plant die Immobiliengesellschaft Tishman Speyer den Umbau. Auch an anderen ehemaligen Kaufhaus-Standorten in der Hansestadt stockt es. Im Schnitt rechnen die Experten mindestens mit vier bis fünf Jahren von der Schließung eines Warenhauses bis zur Wiedereröffnung.

Union-Investment-Projektleiter Ronald Behrendt mit einem Holzmodell des neuen Quartiers Wandsbek Markt im Showroom im Einkaufszentrum Quarree.
Union-Investment-Projektleiter Ronald Behrendt mit einem Holzmodell des neuen Quartiers Wandsbek Markt im Showroom im Einkaufszentrum Quarree. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

In Wandsbek könnte das klappen. In einem Showroom im Einkaufszentrum Quarree informieren die Projektentwickler von Union Investment regelmäßig über den Stand bei dem Großprojekt. „Das Interesse von Bürgern ist groß“, sagt Projektleiter Behrendt. Es gibt auch schon Anfragen für die Vermietung von Ladenlokalen und vor allem für die 100 neuen Mietwohnungen.