Hamburg. Galeria-Chef Olivier van den Bossche und Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus über den möglichen Rettungsplan und das schwere Signa-Erbe.
Klar, dass es in dieser Firmenzentrale Rolltreppen gibt. Olivier van den Bossche, Chef von Galeria Karstadt Kaufhof, und Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus fahren standesgemäß zum Doppelinterview mit den Reportern vom Abendblatt und von der „WAZ“ (beide Funke Mediengruppe). Ein bisschen Kaufhaus-Atmosphäre in dem nüchternen Zweckbau am Stadtrand von Essen. Dass Geschäftsführer und Sanierer gemeinsam und offenbar vertraut Rede und Antwort stehen, ist angesichts der dritten Insolvenz binnen drei Jahren nicht unbedingt üblich. Es wird sogar gelacht. Dabei wissen alle, dass es vor allem an diesen beiden liegt, ob Deutschlands letzte Warenhauskette noch eine Zukunft hat. Ein Gespräch über den Zeitdruck bei der Suche nach einem Käufer und die Belastungen durch Eigentümer Signa, über unrentable Standorte und die besonderen Probleme bei Galeria Karstadt in der Mönckebergstraße.
Herr Denkhaus, wann haben sie zum letzten Mal in einem Kaufhaus eingekauft? Wissen Sie noch, was es war?
Stefan Denkhaus: Das war kurz vor Weihnachten bei Galeria in der Mönckebergstraße in Hamburg. Es war der große Transporthubschrauber von Playmobil. Für mich und meine Söhne gibt es jedes Jahr zu Weihnachten ein Playmobilgeschenk. Das ist Tradition.
Aktuell werden im Winterschlussverkauf in den Galeria-Kaufhäusern vor allem Waren der auslaufenden Saison verkauft. Kommen trotz Insolvenz in den nächsten Wochen neue Waren?
Denkhaus: Das Geschäft läuft ganz normal weiter – auch im Einkauf. Wir wollen ja einen Investor finden. Und der Prozess wäre zum Scheitern verurteilt, wenn wir jetzt keine Ware einkaufen würden, auch für den nächsten Winter.
Nach der Insolvenz: Alle 92 Galeria-Kaufhäuser auf dem Prüfstand
Können Ihre Lieferanten sicher sein, dass Ihre Rechnungen beglichen werden?
Denkhaus: Ja, Galeria wird jede Bestellung, die ab dem 9. Januar ausgelöst wurde, bezahlen. Der Grund der Insolvenz ist, dass es unter den gegebenen Umständen keine Fortführungsperspektive für das Unternehmen gibt. Es braucht einen neuen Eigentümer.
Herr van den Bossche, Sie sind aktuell auf Rundtour in den 92 Galeria-Standorten – was ist Ihr Eindruck? Was läuft gut? Woran hapert es?
Olivier van den Bossche: Ich bin immer mindestens zwei Tage in der Woche in den Filialen. Die Stimmung ist wirklich gut. Das haben Stefan Denkhaus und ich zusammen in Hamburg, in München oder in Bonn gespürt. Natürlich gibt es in einem solchen Prozess immer auch Ungewissheit, aber die Mitarbeiter verstehen, dass wir durch diese Insolvenz jetzt die Chance haben, uns von erdrückenden Mieten zu befreien und einen neuen Eigentümer zu finden.
Weil die Belegschaft glaubt, dass es ohne Signa und René Benko nur besser werden kann?
Van den Bossche: Wir verstehen dieses Verfahren ausdrücklich als einen Befreiungsschlag.
Mit 5000 jungen Aushilfskräften durch das Weihnachtsgeschäft
Die Beschäftigten sind für das Unternehmen wichtig. Inzwischen haben viele Galeria bereits verlassen. In der dritten Insolvenz schauen sich vor allem die Jüngeren nach neuen Jobs um. Wollen oder können Sie das verhindern?
Van den Bossche: Unsere Beschäftigten sind unser wichtigstes Kapital. Glücklicherweise ist das Zugehörigkeitsgefühl bei Galeria weiter sehr hoch. Ich kann das sagen, weil ich das in anderen Unternehmen anders erlebt habe. Viele empfinden das Unternehmen als Familie, und viele sagen gerade jetzt: Wir haben Lust auf Galeria, und wir können den Neuanfang gestalten. Und wir finden auch neue Mitarbeiter. Allein im Weihnachtsgeschäft hatten wir rund 5000 junge Aushilfskräfte, darunter viele Studierende.
Herr Denkhaus, sie haben viel Erfahrung im Managen von Insolvenzen. Wie viele Insolvenzen kann ein Unternehmen überstehen?
Denkhaus: Es muss ganz klar das Ziel sein, dass das die letzte Insolvenz ist. Die Chancen sind gut. Das Verfahren wurde professionell vorbereitet. Wir sind in ruhigem Fahrwasser und können die Häuser gut durch diese Phase steuern.
Viele sagen, Warenhäuser sind ein totes Geschäftsmodell. Ist das Konzept, ist Galeria wirklich noch zu retten?
Denkhaus: Ich bin überzeugt: Das Warenhaus lebt. Galeria hat Zukunft und das ist auch entscheidend dafür, dass unsere Innenstädte nicht veröden.
Insolvenzverwalter: Mieten teilweise deutlich zu hoch
Aber wir haben bei den vergangenen beiden Insolvenzen gesehen, dass nichts besser geworden ist. Und dass, obwohl sich der Konzern zweimal komplett entschulden konnte. Welche Erklärung haben Sie für die Dauerkrise?
Denkhaus: Das war eine andere Zeit. Die Zinswende hat dazu beigetragen, dass das System von Immobilienentwicklern kollabiert ist. Und man muss sagen, dass die Mieten in den Signa-Immobilien für Galeria teilweise deutlich oberhalb dessen liegen, was man gewöhnlich an Mieten zahlt.
Also liegt diese Insolvenz allein an den überhöhten Signa-Mieten? Demnach hat von den letzten beiden Insolvenzen nur Benko profitiert und die Warenhäuser in Deutschland weiter ausgesaugt?
Denkhaus: Im Insolvenzplan hat der Eigentümer ja auch hohe Investitionen versprochen, darauf haben die Gläubiger seinerzeit vertraut. Aber diese Mittel waren aufgrund der Insolvenzen in der Signa-Gruppe nicht mehr zu erwarten.
Die berühmten 200 Millionen Euro, die nie geflossen sind. Der Insolvenzverwalter der Signa Holding hat gerade erklärt, Forderungen innerhalb des Signa-Konzerns erkenne er nicht an. Meint er damit auch Ihre 200 Millionen Euro?
Denkhaus: Ja. Aber wir sehen das natürlich anders als der Signa-Insolvenzverwalter.
Behalten Sie im Gegenzug nun die Mieten ein?
Denkhaus: So leicht geht das nicht, weil es unterschiedliche Gesellschaften sind. Ich kann nicht ohne Weiteres der einen die Miete vorenthalten, weil die andere uns Geld vorenthält.
Aber letztlich war das doch ein Taschenspielertrick von Benko: Er hat Geld versprochen, nicht gezahlt, aber weiter überhöhte Mieten kassiert.
Denkhaus: Da erlaube ich mir nach drei Wochen kein abschließendes Urteil. Die juristische Aufarbeitung im Rahmen dieses Insolvenzverfahrens folgt später.
Galeria-Chef: Mehr als 60 Filialen sind rentabel
Herr van den Bossche, Sie haben unlängst gesagt, 60 Filialen seien rentabel …
Van den Bossche: … es sind sogar mehr als 60.
Heißt das, die anderen rund 30 werden geschlossen?
Van den Bossche: Aber nein, operativ arbeiten alle Filialen rentabel …
… wirklich alle? Das überrascht.
Van den Bossche: Ja, vor Abzug von Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Mieten verdienen alle unsere Filialen Geld. Das Quartal von Oktober bis Dezember ist sehr gut gelaufen. Die Umsätze lagen über dem Vorjahr, und die Besucherzahlen haben sich gegen den Markttrend erfreulich entwickelt.
Und wie sieht es nach Abzug der Mieten aus?
Van den Bosche: Wir haben 16 Filialen, die durch die zu hohen Mieten unrentabel sind.
Ziel im Insolvenzverfahren sind deutliche Mietsenkungen
Und die befinden sich nicht zufällig in Signa-Immobilien?
Denkhaus: Wir verhandeln an erster Stelle die Mieten mit Signa nach. Aber nicht nur. Unser Zielkorridor ist ein Umsatzanteil der Mieten von zwischen sieben und elf Prozent. Da sind wir noch nicht überall.
Gehört zu dem von Ihnen beschworenen Befreiungsschlag, mit dem Sie eine Loslösung von Signa und Benko verbunden haben, nicht zwangsläufig, sich aus seinen Häusern zurückzuziehen? Sind diese 16 Filialen also am ehesten gefährdet?
Denkhaus: Das kommt darauf an, wie die Verhandlungen laufen. Wir versuchen zunächst, alle Standorte zu erhalten.
Bedeutet das, dass die Galeria-Filiale in der Mönckebergstraße, in der Signa Vermieter ist, gefährdet ist?
Denkhaus: Ganz grundsätzlich ist jede Filiale auf dem Prüfstand, in der die Mieten zu hoch sind. Aber klar ist auch, dass wir um jede einzelne Filiale kämpfen werden.
Umbautermin für Galeria Karstadt in Mö weiter unklar
Herr van den Bossche, wie viele Filialen müssen Sie behalten, um genügend Verhandlungsmacht gegenüber den Lieferanten zu behalten?
Van den Bossche: Es geht auch nicht nur um die Verhandlungen mit unseren Lieferanten oder für die Produktion unserer Eigenmarken. Wir brauchen auch eine gewisse Größe, um bundesweit vertreten zu sein. Das wird mit weniger als 60 Filialen schwierig.
Ein weiterer Kostenfaktor sind die großen Flächen. Schon bei der letzten Insolvenz wurde ein neues Konzept mit Metropol- und Regionalstandorten verkündet. Der Umbau stockt allerdings. Ist das vom Tisch?
Van den Bossche: Die Bündelung an sich bleibt. Wir haben vier Metropolfilialen in Hamburg, Berlin, München und Frankfurt. Außerdem gibt es zehn regionale Flagshipstores, wie in Stuttgart oder Bonn und 78 mittlere und kleinere Standorte. Aber wir werden uns noch sehr viel lokaler aufstellen als in der Vergangenheit. Die Strahlkraft einer Metropolfiliale wie München Marienplatz erfordert andere Möglichkeiten als die Versorgerfunktion von München-Schwabing.
Karstadt-Gebäude an der Mö gehört insolventer Signa-Tochter
Aber an der Hamburger Mönckebergstraße ist nichts sichtbar von der Strahlkraft einer Galeria-Metropolfiliale. Draußen steht immer noch Karstadt an der Fassade.
Van den Bossche: Bis jetzt haben wir erst eine kleinere Anzahl von Standorten mit Galeria-Schriftzug ausgestattet. Da haben wir noch einiges vor uns. Zum einen brauchen wir dazu Mittel – auch von den Vermietern – und zum anderen ist der Umbau einer Metropolfiliale wie Hamburg im laufenden Geschäft sehr komplex.
Denkhaus: Bei Galeria in der Mönckebergstraße haben wir zudem noch eine spezielle Situation wegen des Thalia-Hauses. Beide Immobiliengesellschaften sind insolvent. Das Thalia-Haus ist zwar geräumt, aber die komplette Warenanlieferung läuft noch über Lagerflächen im Untergeschoss des Thalia-Hauses. Außen gibt es noch „die Wunde“ in der Fassade, also die Stelle in der Fassade, wo die alte Brücke vor dem Abriss war. Die Bauarbeiten wurden eingestellt. Wenn wir einen solventen Vermieter hätten, könnte man die Dinge schneller besprechen. Jetzt müssen wir erst mal abwarten, wie es auf der Signa-Seite weitergeht.
Galeria-Zentrale: Umzug in Essen?
Herr Denkhaus, gehört zu Ihren ersten Kostensenkungsmaßnahmen, aus der Zentrale hier in Essen auszuziehen? Auch sie gehört Signa, und die Miete ist hoch.
Denkhaus: Auch hier müssen wir über die Miete reden, das ist richtig.
Uns schien klar, dass Sie so bald wie möglich hier raus wollen …
Denkhaus (schaut sich um): … schauen Sie sich mal um, was hier alles leer steht. Als wir hier ankamen, haben uns viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezeigt, wie marode das Gebäude ist, in einigen Büros saßen viele mit Mantel und Schal am Bildschirm, in anderen war es viel zu heiß. Aber bei der Suche nach einer möglichen neuen Zentrale müssen wir auch den künftigen Investor ins Boot holen.
Wie viele potenzielle Investoren, die Galeria Karstadt Kaufhof übernehmen wollen, haben sich bei Ihnen schon gemeldet?
Denkhaus: Es sind viele. Das stimmt mich optimistisch.
Investorenprozess gestartet, Angebote bis 11. Februar möglich
Wenn Sie schon nicht über Namen sprechen wollen: Können wir davon ausgehen, dass es sich um eine bunte Mischung handelt – um Investoren aus dem In- und Ausland, aus der Handels- und aus der Finanzinvestoren-Szene?
Denkhaus: Das ist richtig.
Welche Bedingungen muss ein Investor erfüllen, um Galeria Karstadt Kaufhof zu übernehmen?
Denkhaus: Wir haben am vergangenen Freitag einen mehrstufigen Prozess gestartet. Wir haben bereits jetzt erste Rückmeldungen von möglichen Investoren. Im nächsten Schritt geben wir ein sogenanntes Factbook mit mehr Informationen zu Galeria heraus. Danach erwarten wir Angebote, die noch nicht bindend sind. Dann gucken wir, mit wem wir in vertiefte Verhandlungen gehen.
Nicht nur der Kaufpreis entscheidet bei einem Verkauf
Ist der Kaufpreis das entscheidende Kriterium?
Denkhaus: Es wäre zum Beispiel auch wünschenswert, dass das Warenhaus nicht mehr ein Anhängsel der Immobilien ist. Im Augenblick stehen große Teile des Gebäudebestands der Signa nach unserer Kenntnis zum Verkauf. Wenn Investoren über Immobilien verfügen und diese in die Bilanz von Galeria Karstadt Kaufhof einbringen, hat das Vorteile. Eine mögliche Alternative wäre ein vernünftiger Mietzins für das Warenhausgeschäft. Was jedenfalls nicht mehr passieren darf: Dass das Warenhaus nur buckelt, um hohe Mieten überweisen zu können.
Herr van den Bossche, Sie sind lange im Geschäft. Wünschen Sie sich einen Investor mit Handelsexpertise und Erfahrung?
Van den Bossche: Wichtig wäre für uns ein strategischer Investor, der langfristig auf den Handel und unsere Warenhäuser setzt.
Als René Benko im Jahr 2014 bei Karstadt einstieg, soll er die seinerzeit mehr als 80 Filialen für einen symbolischen Euro übernommen haben. Rechnen Sie bei dem Verkauf, der diesmal ansteht, überhaupt mit einem Verkaufspreis?
Denkhaus: Mein Anspruch als Insolvenzverwalter ist immer, die Interessen der Gläubiger bestmöglich zu befriedigen.
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Kommt auch ein Verkauf von Teilen der Warenhauskette infrage, also eine Zerschlagung von Galeria Karstadt Kaufhof?
Denkhaus: Wir haben den Plan, einen Investor für Galeria Karstadt Kaufhof als Ganzes zu finden. Wenn potenzielle Investoren Interesse an einzelnen Standorten oder Paketen von mehreren Filialen haben, nehmen wir dies zur Kenntnis. Bevorzugt sprechen wir aber zunächst einmal mit möglichen Käufern, die das Unternehmen in seiner Gesamtheit weiterführen wollen.
Galeria-Insolvenz: Alle Kaufhäuser auf dem Prüfstand
Welche Investmentbank haben Sie eingeschaltet?
Denkhaus: Wir haben die international tätige Investmentbank Houlihan Lokey mandatiert, die im Team agiert mit der Sigma Corporate Finance aus Frankfurt. Für den Auftrag haben wir mehrere Angebote eingeholt. Sigma hat sich auf Transaktionen aus Insolvenzen heraus spezialisiert.
Bis wann soll der Verkauf über die Bühne gegangen sein?
Denkhaus: Unser Ziel ist, die Verträge spätestens im April unterschrieben zu haben.