Hamburg. 50.000 Befürworter werden erwartet. Wie man mitmachen kann. Welche Gründe aus Sicht der Initiatoren für die alte Querung sprechen.

Eigentlich war der Abriss der Köhlbrandbrücke schon besiegelt, doch seit einigen Wochen gewinnt die Diskussion über einen möglichen Erhalt des Baus im Hafen wieder unerwartet an Dynamik. Jetzt schaltet sich der Denkmalverein ein und erhöht den Druck: Der Verein startet eine groß angelegte Online-Petition. Sein Ziel: Der Senat soll prüfen, ob ein Erhalt der Brücke möglich ist. Dem Begehren haben sich bereits zahlreiche Intellektuelle angeschlossen.

„Die Köhlbrandbrücke ist ein international bekanntes Wahrzeichen Hamburgs, findet sich auf jeder stilisierten Silhouette der Stadt und liegt vielen Menschen am Herzen. Sie stiftet städtische Identität wie der Michel, die Hafenkräne und die Elbphilharmonie. Als wichtiges Ingenieurbauwerk und Zeugnis der Hamburger Verkehrsgeschichte steht sie unter Denkmalschutz. Wir fordern daher, dass der Senat eine mögliche Sanierung und Weiternutzung der Köhlbrandbrücke unabhängig und ergebnisoffen prüfen lässt.“ So lautet die Petition.

Köhlbrandbrücke erhalten: Denkmalverein setzt sich für Bewahrung ein

Lennart Hellberg, Vorsitzender des Denkmalvereins Hamburg, begründet den Vorstoß so: Die Behörden hätten immer behauptet, dass die Brücke nicht erhaltungsfähig sei, bis im vergangenen Jahr das Gutachten aus 2008 bekannt wurde, das das Gegenteil beschreibe. „Es steht außer Zweifel, dass die Brücke Schäden hat und Reparaturbedarf besteht. Nur wurde die Diskussion immer auf den Punkt verkürzt: Was einen Schaden hat, muss abgerissen werden! Das ist natürlich nicht richtig, denn auch wenn etwas schadhaft ist, kann es in aller Regel repariert werden.“

Allerdings sei die Frage, wie die Brücke erhalten werden kann, tatsächlich nie geprüft worden. „Dabei ist das gerade bei denkmalgeschützten Gebäuden die erste Frage, die man sich zu stellen hat“, so Hellberg. Niemand käme auf die Idee, Kulturdenkmäler abzureißen, nur weil sie einen Schaden haben. Niemand sei auf die Idee gekommen, nach dem Großen Brand den Abriss der Katharinenkirche zu fordern. Man würde auch eine Brooklyn Bridge oder eine Golden Gate Bridge nicht einfach abreißen.

Online-Petition soll neue Prüfung erzwingen

Unter www.change.org/koehlbrandbruecke können sich Unterstützer mit ihrem Namen und ihrer E-Mail-Adresse eintragen, und schon sind sie der Petition beigetreten. Mit mindestens 50.000 Unterstützern rechnet der Denkmalverein. „Wir haben uns bewusst für eine Online-Petition entschieden, weil wir innerhalb kurzer Zeit viele Menschen mobilisieren wollen. Es geht um eines der wichtigsten Hamburger Wahrzeichen, und es haben schon diverse Verbände und Einzelpersonen ihre Unterstützung signalisiert, daher sind wir sehr optimistisch“, sagt die Geschäftsführerin des Vereins, Kristina Sassenscheidt.

Den Anstoß zur erneuten Debatte hatte der Präsident des Verbands der europäischen Seehafenbetriebe (Feport), Gunther Bonz, gegeben. In einem Abendblatt-Interview hatte er den Erhalt der alten Köhlbrandbrücke für den Pkw-Verkehr vorgeschlagen sowie einen gleich hohen zweiten Bau für den Schwerlastverkehr. Bonz begründete die Idee unter anderem mit der neuen Reedereiallianz namens „Gemini“, die Hapag-Lloyd mit der dänischen Reederei Maersk eingehen will. Dadurch werde Hapag-Lloyd künftig kleinere Schiffe nach Hamburg bringen, die unter der Köhlbrandbrücke hindurchpassten und somit den Containerterminal Altenwerder erreichten, sagte er. Ein Abriss sei somit nicht notwendig.

Es gibt die Idee, zwei Köhlbrandbrücken zu bauen

Die Idee von Gunther Bonz, eine zweite Köhlbrandbrücke zu bauen, sei nicht neu, betont Denkmalschützer Hellberg. Schon 1968 bei den Planungen zur heutigen Brücke habe es die Überlegung gegeben, bei wachsendem Verkehrsaufkommen eine zweite, südliche Brücke zu bauen. Die bestehende Brücke müsse unter verschiedenen Gesichtspunkten geprüft werden. Sie müsse bautechnisch funktionieren, ebenso wie verkehrstechnisch und hafenwirtschaftlich, sagt Hellberg.

Bestätigt sieht er sich durch Äußerungen der Hafenverwaltung selbst. „Es gibt die eindeutige Aussage des leitenden Ingenieurs der Hamburg Port Authority, Olaf Bergen, der sagt: Wir könnten die Brücke erhalten, wenn wir den Schwerlastverkehr herunternehmen. Und damit hätten wir genau das, was Herr Bonz jetzt wieder vorschlägt: Wir hätten eine Brücke, die erhalten werden und einen Teil des Verkehrs weiterhin aufnehmen kann, nämlich Pkw- und Radverkehr. Das würde bedeuten, dass eine zweite Querung für den Schwerlastverkehr benötigt wird. Und das könnte eben jenes Zwillingsbauwerk sein, das bereits in den 1960er-Jahren geprüft wurde“, so Hellberg.

Hamburgs Hafen erreicht nicht die alten Ladungsziele

Eine der prominenten Unterstützer der Petition ist der Hamburger Stadtforscher Dieter Läpple. Er sagt: „Um zu verstehen, warum die Diskussion bisher so einseitig verlief, muss man sich in Erinnerung rufen, dass zwischen 2002 und 2008 der Hamburger Hafen einen enormen Wachstumsschub erlebte. Das Containeraufkommen verdoppelte sich. Die offiziellen Prognosen gingen lange davon aus, dass der Containerumschlag bis 2025 auf 28 Millionen Standardcontainer anwachsen werde.“

Ein Containerschiff der Reederei Hapag-Lloyd fährt unter der Köhlbrandbrücke hindurch. Es kann 14.000 Standardcontainer tragen. Die modernsten Frachter können 24.000 Boxen transportieren. Sie sind viel größer und passen unter der Köhlbrandbrücke nicht mehr hindurch.
Ein Containerschiff der Reederei Hapag-Lloyd fährt unter der Köhlbrandbrücke hindurch. Es kann 14.000 Standardcontainer tragen. Die modernsten Frachter können 24.000 Boxen transportieren. Sie sind viel größer und passen unter der Köhlbrandbrücke nicht mehr hindurch. © Hapag-LLoyd AG

Die Realität sei aber eine andere. „Das Containeraufkommen ist inzwischen von knapp zehn auf unter acht Millionen Standardcontainer zurückgefallen. Die Situation hat sich völlig verändert. Die bisherigen Planungen des Senats waren jedoch immer noch geprägt durch die Wachstumseuphorie der Nullerjahre.“

„Höhere Köhlbrandbrücke verstößt gegen das Wettbewerbsrecht“

Läpple warnt sogar davor, mit städtischem Geld, die Köhlbrandbrücke abreißen und durch einen höheren Neubau ersetzen zu wollen. Dieser Ausbau käme vor allem einem Unternehmen zugute, das damit verbotenerweise subventioniert würde: „Als das Containerterminal Altenwerder gebaut wurde, stand die Köhlbrandbrücke schon 13 Jahre. Zunächst hatte das CTA einen Wettbewerbsvorteil an dem großflächigen Standort. Inzwischen bauen die Reedereien immer größere Schiffe, und der Wettbewerbsvorteil schlägt in einen möglichen Nachteil um.“

Jetzt fordere die Reederei Hapag-Lloyd, die das Terminal vor allem nutzt, dass die Wettbewerbsbedingungen durch eine höhere Brücke verbessert werden müssen. „Das ist schon eine merkwürdige Vorstellung, dass für die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen eines einzelnen Unternehmens Milliarden aus dem Staatshaushalt entnommen werden sollen, die an anderer Stelle fehlen“, so Läpple.

Köhlbrandbrücke: Denkmalverein macht Druck auf die Politik

Wenn der mit öffentlichen Mitteln finanzierte Ausbau der Infrastruktur nur einem Unternehmen zugutekomme, sei das nach dem Beihilferecht der EU eine „dedicated infrastructure“ und damit nicht erlaubt. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Eurogate auf eine Klage verzichten wird, wenn es so weit kommt“, sagt der Stadtforscher. „Das Terminal von Eurogate hat derzeit keine Höhenbeschränkungen und damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Altenwerder. Wenn jetzt zugunsten vom CTA eine höhere Brücke gebaut würde, wäre dieser Wettbewerbsvorteil von Eurogate zunichtegemacht.“

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Sassenscheidt ist jedenfalls zuversichtlich, die Diskussion auch in Richtung Brückenerhalt drehen zu können. „Im Denkmalschutzgesetz ist klar festgelegt, dass die Stadt vorbildhaft mit ihren Denkmälern umgehen muss. Wenn sie nun eines der größten und bekanntesten Denkmäler abreißt, wie will sie dann noch glaubwürdig Privatleute zum Erhalt eines Denkmals bewegen?“