Hamburg. Gunther Bonz macht im Abendblatt überraschenden Vorschlag. Wie er ihn begründet und warum er Hamburgs Hafen vor einer Stagnation sieht.
Die internationalen Schifffahrtsmärkte sind im Wandel. Im Fokus steht dabei auch die Zukunft des Hamburger Hafens.Gunther Bonz war viele Jahre Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg und ist weiterhin Präsident des Verbands der europäischen Seehafenbetriebe Feport in Brüssel. Er äußert sich im Abendblatt – wie immer pointiert – zur Zukunft des Hamburger Hafens und bringt den Bau einer zweiten Köhlbrandbrücke ins Spiel.
Herr Bonz, Hapag-Lloyd und die dänische Reederei Maersk wollen eine neue Zweier-Allianz gründen. Hat Sie das überrascht?
Nein. Seitdem klar war, dass Maersk und MSC vom kommenden Jahr an getrennte Wege gehen, war absehbar, dass sich die Reedereien neu orientieren. Auch unter gesamteuropäischen Gesichtspunkten ist klar gewesen, dass sich etwas bei den Allianzen verändern wird. Wer das aufmerksam verfolgt, hat bemerkt, dass es einen erbitterten Streit zwischen MSC und Maersk über den Umgang mit der Gruppenfreistellungsverordnung durch die EU gegeben hat. Diese erleichtert das Bilden von Allianzen. MSC wollte sie unbedingt beibehalten, Maersk nicht.
Welche Auswirkungen erwarten Sie durch die neue Gemini Cooperation für die deutschen Seehäfen?
Erhebliche. Schauen wir nach Hamburg. Dazu muss man einmal zurückgehen in die 1990er-Jahre. Damals räumte der damalige Wirtschaftssenator Thomas Mirow der Reederei Hapag-Lloyd, der es damals schlecht ging, eine asymmetrische Gewinnbeteiligung am Containerterminal Altenwerder ein. Die Reederei erhielt einen Anteil von 25 Prozent, aber vom Gewinn 50 Prozent, wenn Hapag-Lloyd im Gegenzug eine bestimmte Menge an Ladung nach Hamburg bringt. Dies hat Hapag-Lloyd viele Jahre erbracht. Wenn sich die Allianz jetzt auf andere Terminals konzentriert, werden die Mengen in Altenwerder nicht mehr ausreichen, damit die Bedingungen der asymmetrischen Gewinnbeteiligung erfüllt werden.
Erhalt der Köhlbrandbrücke überlegen
Damit wird der wirtschaftliche Anreiz für Hapag-Lloyd, Altenwerder zu bedienen, weiter abnehmen. Maersk wiederum hat Terminalbeteiligungen in Rotterdam und Bremerhaven und ist daran interessiert, diese zu füllen. Somit ist die Aussage von Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen nachvollziehbar, dass Hamburg etwa zehn Prozent der Ladung verlieren werde. Und es gibt noch eine zweite globale Auswirkung.
Nämlich?
Die weltgrößten Reedereien haben unterschiedliche Betriebskonzepte. Maersk verfolgt das Hub-Konzept. Das heißt, die großen Schiffe aus Übersee laufen konzentriert bestimmte Häfen an, von denen aus die Ladung mit kleineren Schiffen weiter verteilt wird. Das ist wie bei der Bahn: Zwischen den Großstädten Hamburg und München fahren die ICE hin und her. Wer aber nach Flensburg will oder nach Garmisch, muss dann in Regionalzüge umsteigen. Hapag-Lloyd und Maersk werden jetzt also die Hubs stärken wie Rotterdam, Tanger, Häfen in Westafrika und in Asien. Hamburg ist kein Hub, hier werden also künftig kleinere Schiffe mit weniger Ladung ankommen.
Sie sagen, dass für Hapag-Lloyd der Anreiz abnimmt, den Containerterminal Altenwerder zu bedienen. Glauben Sie, dass die Reederei jetzt auch ihre Beteiligung an Altenwerder aufgibt?
Nein, das glaube ich nicht. Eine Terminalbeteiligung gibt man nicht so schnell auf. Es wird nur aus den genannten Gründen eine geringere Menge geben.
Höhere Köhlbrandbrücke müsste häufig gesperrt werden
Wenn die beiden Gemini-Partner jetzt kleinere Schiffe nach Hamburg schicken, wäre dann nicht die ganze Elbvertiefung überflüssig?
Ganz sicher nicht. Erstens gibt es ja noch viele andere Reedereien außerhalb der Kooperation, die ihre großen Schiffe nach Hamburg schicken, und zweitens haben auch die kleineren Verteilschiffe, von denen Hapag-Lloyd und Maersk jetzt sprechen, Kapazitäten von 16.000 bis 18.000 Standardcontainern. Für diese Schiffe ist die Fahrrinnenanpassung weiterhin erforderlich.
Ein Argument für den Abriss der Köhlbrandbrücke ist, dass die neuen großen Containerschiffe nicht mehr darunter hindurchpassen, um den Containerterminal Altenwerder anzulaufen. Wenn jetzt die Schiffe kleiner werden, benötigen wir dann noch eine neue, höhere Köhlbrandbrücke?
Da müssen wir jetzt die Prüfung der Senatorin abwarten. Für die Hafenwirtschaft muss eine offene Querung zu jeder Zeit sichergestellt sein. Aber wenn jetzt neben einer Tunnellösung eine Brücke als Ersatzbau erwogen wird, sollte man noch einmal über die Höhe nachdenken. Erstens: jeder Meter mehr kostet hundert Millionen Euro mehr. Zweitens: Ab einer Höhe von 70 Metern herrschen so starke Windverhältnisse, dass damit zu rechnen ist, dass die Brücke für mehrere Wochen im Jahr gesperrt werden muss.
Hamburger Hafen verliert Ladung
Was schlagen Sie also vor?
Eine saubere Analyse der Varianten: ein Tunnel als Luxusversion oder als einfachere Variante, eine Brücke mit mehr als 70 Metern für Großschiffe, eine neue Brücke auf Höhe der alten oder als vierte Variante, die ich sehr überzeugend finde: die Beibehaltung und Sanierung der jetzigen Köhlbrandbrücke, um darüber künftig den Pkw-Verkehr abzuwickeln und daneben der Bau einer gleich großen Brücke für den Schwerlastverkehr.
Wie kommen Sie darauf?
Um wirklich für viele Milliarden Euro noch eine mehr als 70 Meter hohe neue Brücke für Großschiffe zu bauen, muss eine saubere Bedarfsbegründung vorliegen. Und die sehe ich derzeit nicht. Wenn Maersk und Hapag-Lloyd jetzt kleinere Schiffe nach Hamburg bringen, dürfte der Bedarf noch schlechter zu begründen sein. Schon unter Kostengesichtspunkten müssen wir über einen Erhalt der Köhlbrandbrücke nachdenken. Und dann spielt ja auch noch der Klimawandel eine Rolle.
Auch andere Reedereien könnten Ladung abziehen
Inwiefern?
Seit Anfang des Jahres gilt für die internationale Schifffahrt das EU-Emissionshandelssystem. Dieses zwingt die Reedereien, ihre CO₂-Emissionen deutlich zu senken. Die Unternehmen konzentrieren sich jetzt zunehmend auf Schiffe der „Methanol-Klasse“. Die sind kleiner als die derzeitigen Megafrachter und passen deshalb auch unter der Köhlbrandbrücke hindurch.
Hapag-Lloyd war in seiner jetzigen Schifffahrtsallianz die starke Reederei, die ihre asiatischen Partner angewiesen hat, Ladung nach Hamburg zu bringen. Wenn diese Allianz 2025 fällt, besteht dann die Gefahr, dass die anderen Reedereien sich ebenfalls nach neuen Häfen in Europa umschauen, was den Hamburger Hafen noch weiter schwächen könnte?
Ja, weil Hapag-Lloyd sich in der Allianz nicht nur ausbedungen hat, dass die Partner auch Hamburg anlaufen müssen, sondern auch an welchem Terminal sie ihre Schiffe abzufertigen haben. Hintergrund ist, dass Hapag-Lloyd natürlich ein Interesse daran hatte, Altenwerder voll auszulasten, damit die Gewinnbeteiligung wirksam wird. Dazu mussten kleinere Schiffe eingesetzt werden, weil die ganz großen unter der Köhlbrandbrücke nicht hindurchpassen. Diese asiatischen Allianzpartner sind ab 2025 wieder frei zu entscheiden, welche Häfen sie mit welchen Schiffen in Europa anlaufen. Insofern ist eine weitere Schwächung des Hamburger Hafens nicht auszuschließen.
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Abschließend, wenn jetzt eine weitere Schwächung des Hamburger Hafens zu erwarten ist, kann die Reederei MSC als neue Teileigentümerin der HHLA die Mengenverluste durch ihren eigenen versprochenen Ladungszuwachs auffangen?
MSC will bis 2030 eine Million Standardcontainer nach Hamburg bringen. Das wird die Ladungsverluste allenfalls ausgleichen. Das bedeutet Stagnation.