Hamburg. Bereits in den 1960er-Jahren gab es diese ungewöhnliche Idee. Die Linke in der Bürgerschaft findet daran nun wieder Gefallen.
Noch hat der Senat nicht entschieden, ob die marode Köhlbrandbrücke im Hafen durch eine neue, höhere Brücke oder durch einen Tunnel ersetzt werden soll. Nur eines scheint klar: Der Abriss der alten Köhlbrandbrücke ist mehr oder weniger beschlossen.
Ihr Erhalt wäre so aufwendig, dass ein Neubau wirtschaftlicher ist. Doch nun sind längst vergessene Dokumente aufgetaucht, die der Diskussion um den Erhalt der alten Köhlbrandbrücke neue Impulse geben könnten: Ursprünglich war nämlich nicht nur eine Köhlbrandbrücke geplant, sondern derer zwei. Aus den Unterlagen, die aus den späten 1960er-Jahren stammen, wird deutlich, dass eine weitere Ausbaustufe auch heute noch möglich wäre.
Hafen Hamburg: Köhlbrandbrücke wurde als Zwilling einst geplant
„Diese Variante tauchte in der Diskussion um die Köhlbrandquerung bisher nicht auf“, sagt der hafenpolitische Sprecher der Linken, Norbert Hackbusch. Für ihn ändert das alles. „Das kann sowohl für die Verkehrsplanung bedeutend sein und damit den Erhalt der Köhlbrandbrücke ermöglichen. Und die Planung kann auch für die Bauabfolge wichtige neue Möglichkeiten bieten.“
Ein Zwilling für die Köhlbrandbrücke? Finden kann diese Pläne nur, wer in das Archiv der Hamburgischen Bürgerschaft hinabsteigt. Dort liegt die Drucksache 6/1650 vom 5. November 1968, auf die Hackbusch gestoßen ist. Darin legt der Senat der Bürgerschaft seine Pläne zum „Bau des Autobahnzubringers Waltershof mit Köhlbrandkreuzung“ dar. Zunächst stellten die Planer fest, dass die Brückenlösung sehr viel günstiger als eine Tunnellösung sei. Aber dann machten sie deutlich, dass man noch nicht genau berechnen könne, mit welchen Verkehrsmengen man es in Zukunft zu tun haben werde.
Hintergrund ist, dass damals die Fertigstellung der Autobahn A7 mit dem Elbtunnel bevorstand, dessen Bau gerade begonnen hatte. So heißt es in der Drucksache: „Die Höhe der Kosten des Endausbaus gab Veranlassung zu der Überlegung, das Bauvorhaben in mehreren Baustufen enger an die effektive, heute in ihrem zeitlichen Ablauf noch nicht mit letzter Sicherheit voraussagbare Verkehrsentwicklung anzupassen.“
Verkehr Hamburg: Südlich der Köhlbrandbrücke war Zwillingsbau vorgesehen
Würde ein Tunnel gebaut, könne man diesen nicht mehr erweitern, hieß es weiter. Und: „Eine Brücke dagegen ist erweiterungsfähig, das heißt, sie kann der Verkehrsentwicklung in Baustufen folgen.“ Somit war also zunächst der Bau einer Brücke mit zwei Fahrspuren je Richtung vorgesehen, ein Bauwerk wie die heutige Köhlbrandbrücke. Wenn aber zu einem späteren Zeitpunkt der Straßenverkehr auf der Hochbrücke deren Leistungsfähigkeit übersteige, würde eine zweite Ausbaustufe der Köhlbrand-Hochbrücke mit noch einmal zwei Fahrstreifen je Richtung erforderlich, wusste man damals schon.
So zeichneten die Planer direkt südlich der Köhlbrandbrücke eine weitere Querung. Der Baugrund dafür, heißt es heute von Fachleuten, sei schon damals untersucht worden. Nach Zeichnungen, die dem Abendblatt vorliegen, sollte die zweite Brücke exakt wie die erste aussehen und dann gebaut werden, wenn die erste an ihre Grenzen stößt.
Bürgerschaft Hamburg: Linke fordert neue Überprüfung der Brückenlösung
Für Hackbusch heißt das: „Zeichnete sich der Senat bisher durch schlechte Untersuchungen und fehlende Informationen bei dem Neubau der Köhlbrandquerung aus, muss man jetzt grundsätzlich neu diskutieren“ Der Linken-Politiker hat deshalb eine kleine Schriftliche Anfrage an den Senat gestellt. Er will unter anderem wissen, welche Unterlagen von den ursprünglichen Plänen für die zweite Köhlbrandbrücke noch vorhanden sind und ob die weitere Ausbaustufe bei den Planungen für die neue Köhlbrandquerung überhaupt berücksichtigt wurden.
Ähnlich sieht es der Journalist und Autor Frank Hoffmann. Er hat ein Buch geschrieben, dass die Köhlbrandquerung thematisiert und das demnächst erscheinen soll. Darin zeigt Hoffmann auf, dass ursprünglich ein Tunnel geplant war, der die alten Hafenfähren über den Köhlbrand ersetzen sollte. Doch die klamme Finanzsituation der Hansestadt sowie technische Probleme bei den Rampen für den Tunnel hätten damals zu einem Umdenken geführt.
Hafen Hamburg: Pläne für Zwillingsbrücke sind bereits vorhanden
Hoffmann, der auch Sprecher der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) ist, stieß im Staatsarchiv auf die Zeichnungen der doppelten Köhlbrandbrücke. Er sagt: „Der problematische Zustand der Brücke rührt offenbar vom Schwerlastverkehr her. Vielleicht könnte man die alte Brücke nur für Pkw und Radfahrer erhalten und eine zweite für die Lkw daneben bauen. Der Platz dafür ist vorhanden.“
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Der Streit über den Köhlbrand dürfte also weitergehen. Erst im kommenden Jahr will der Senat entscheiden, ob er künftig unter- oder oberhalb der Wasserlinie mit einem Bauwerk versehen werden soll.