Hamburg. Hamburger als Insolvenzverwalter bestellt. Ziel ist die Fortführung der Warenhauskette. Was Mitarbeiter und Ver.di sagen.

Wenn ein Unternehmen zum dritten Mal binnen drei Jahren einen Insolvenzantrag stellt, ist es eigentlich kein gutes Zeichen für die Zukunft. Im Fall des letzten deutschen Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof soll es zum „Befreiungsschlag“ werden. So jedenfalls nannte es Galeria-Chef Olivier van den Bossche am Dienstag, nachdem das Amtsgericht Essen den Insolvenzantrag des Unternehmens genehmigt hatte.

Klar ist: Das wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen, das zum Firmenimperium der insolventen Signa-Gruppe des österreichischen Investors René Benko gehört, hat jetzt noch mal drei Monate Zeit für einen Neuanfang bekommen. Als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde der Hamburger Stefan Denkhaus von der Kanzlei BRL Boege Rohde Luebbehuesen eingesetzt.

Galeria insolvent: Beschäftigte hoffen auf Neuanfang, Stimmung erstaunlich gut

Flossen bei den früheren Insolvenzen noch Tränen und kochte die Wut, reagierten die mehr als 400 Beschäftigten in den drei übrig gebliebenen Hamburger Galeria-Standorten an der Mönckebergstraße (Innenstadt), an der Osterstraße (Eimsbüttel) und im Alstertal-Einkaufszentrum (Poppenbüttel) dieses Mal fast schon gelassen. „Viele sind erleichtert, weil es jetzt wieder eine Perspektive gibt“, sagte Nils Reinhardt, Betriebsratsvorsitzende von Galeria Karstadt an der Mönckebergstraße, auf Abendblatt-Anfrage.

Um kurz nach 11 Uhr war die Mitteilung über die neuerliche Insolvenz nach 2020 und 2022 aus der Firmenzentrale in Essen gekommen. Danach hatte Filialleiterin Anne-Marie Tenzer die dort beschäftigten etwa 230 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen informiert. Eine wichtige Botschaft: Bis April sind die Gehälter sicher. Während des vorläufigen Insolvenzverfahrens zahlt die Bundesagentur für Arbeit erneut Insolvenzgeld.

Galeria Karstadt Kaufhof stellt dritten Insolvenzantrag

Auch im Galeria-Kaufhaus an der Osterstraße war die Stimmung gut, nachdem in den vergangenen Wochen im Zuge des Zerfalls des Signal-Imperiums nahezu täglich neue Schreckensnachrichten aufgeploppt waren. „Es kann nur besser werden“, sagte die Betriebsratsvorsitzende Anke Ackermann. Dabei wissen alle Beteiligten, dass es ohne Einschnitte im Filialnetz und Personalabbau bei dem Handelsriesen nicht weitergehen kann. „Aber im Moment haben wir keine Bedenken, dass unsere Filiale zur Disposition stehen könnte“, sagt die Arbeitnehmervertreterin mit Blick auf das gute Weihnachtsgeschäft.

Tatsächlich kann man die schriftliche Mitteilung über die Insolvenzanmeldung durchaus positiv lesen. „Galeria Karstadt Kaufhof ist mit seinen über 15.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Markt erfolgreich und hat das erste Quartal des Geschäftsjahres 2023/24 über dem Vorjahresquartal abgeschlossen“, heißt es.

Der Hamburger Stefan Denkhaus soll jetzt eine Lösung für den letzten deutschen Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof finden: Der Sanierungsexperte von der Kanzlei BRL wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der Hamburger Stefan Denkhaus soll jetzt eine Lösung für den letzten deutschen Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof finden: Der Sanierungsexperte von der Kanzlei BRL wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Die zahlreichen Insolvenzen der Signa-Gruppe schädigten Galeria jedoch massiv, behinderten das laufende Geschäft und schränkten durch hohe Mieten und teure Dienstleistungen die künftigen Entwicklungsmöglichkeiten stark ein. Diesem Sog wolle man sich über die Insolvenzanmeldung entziehen.

Die Fakten: Mit der Antragstellung am 9. Januar 2024 läuft die Uhr. Die Filialen sowie das Onlinegeschäft werden den Angaben zufolge in vollem Umfang fortgeführt. Es ist jetzt die Aufgabe von dem Hamburger Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus, in den drei Monaten bis nach Ostern einen Insolvenzplan zu erstellen, der einen Fortbestand des vor mehr als 140 Jahren gegründeten Traditionsunternehmens ermöglicht. Die Geschäftsleitung unter Olivier van den Bossche und Guido Mager werde den Sanierungsprozess begleiten. Ziel ist die Fortführung von Galeria. Dafür wird ein neuer Eigentümer gesucht. Gespräche mit potenziellen Investoren laufen den Angaben zufolge bereits.

Galeria Karstadt Kaufhof gehört zum verzweigten Signa-Imperium

Der Hintergrund: Galeria Karstadt Kaufhof mit bundesweit 92 Filialen ist seit 2014 Teil des weit verzweigten Signa-Imperiums. Dessen Signa Holding und unter anderem zwei wichtige Immobilien-Gesellschaften haben inzwischen Insolvenzanträge gestellt. In Hamburg hat dies auch Auswirkungen auf den Elbtower, die Gänsemarkt-Passage, das ehemalige kleine Karstadt-Haus und die Flüggerhöfe.

Die Warenhaus-Kette gehört zur Signa Retail Selection mit Sitz in der Schweiz. Diese hatte Ende November 2023 im Zuge der Insolvenz des Mutterkonzerns eine „Nachlassstundung“ beantragt, das Gegenstück zum Schutzschirmverfahren im deutschen Insolvenzrecht. Die damit einhergehende Prüffrist von sechs Wochen über die Zahlungsfähigkeit endete am Montag.

Galeria will Signa loswerden – heutiger Tag als „Befreiungsschlag“

Das Problem: Im Zuge der vorherigen Insolvenz in Eigenverwaltung hatte sich die Signa Holding verpflichtet, einen Betrag von 200 Millionen Euro an Galeria zu zahlen. Offenbar kommt das Geld aber nach dem Zusammenbruch des Firmengeflechts nicht. Schon im November war bekannt geworden, dass für Galeria ein Käufer gesucht werde.

Olivier van den Bossche ist seit Frühjahr 2023 Vorstandsvoritzender der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Bis 2017 war der Belgier Chef bei Galeria Kaufhof, bevor das Kölner Unternehmen vom Essener Rivalen Karstadt übernommen wurde.
Olivier van den Bossche ist seit Frühjahr 2023 Vorstandsvoritzender der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Bis 2017 war der Belgier Chef bei Galeria Kaufhof, bevor das Kölner Unternehmen vom Essener Rivalen Karstadt übernommen wurde. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Galerias operativer Erfolg wird durch die Rahmenbedingungen der alten Eigentümerstruktur belastet. Wir sehen in dem heutigen Tag ausdrücklich einen Befreiungsschlag. Jetzt zählt allein, was Galeria weiterbringt“, erklärte Galeria-Chef Olivier van den Bossche das Ziel. Der Topmanager hat, anders als seine Vorgänger, die Arbeitnehmervertreter um Konzernbetriebsratschef Joachim Ettl auf seiner Seite.

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Die Aufgabe: Nun ist es vor allem an dem Hamburger Sanierungsexperten Stefan Denkhaus, eine Lösung für das Unternehmen zu finden. Erwartet wird im Zuge der Regelinsolvenz – die beiden vorherigen Sanierungsverfahren waren in Eigenverwaltung und ohne externe Aufsicht durchgeführt worden – ein harter Schnitt, der erneut Personalabbau und weitere Filialschließungen beinhaltet. Insider sprechen laut „Süddeutscher Zeitung“ davon, dass die schwächsten zehn bis 20 Häuser um ihre Existenz bangen müssen. Eine wichtige Rolle spielen dabei wahrscheinlich auch die hohen Mietzahlungen an die Eigentümerin Signa. Medienberichten zufolge hat Galeria insgesamt einen Betrag in Höhe von 180 Millionen Euro im Jahr für die 18 Signa-Immobilien gezahlt.

Galeria Karstadt Kaufhof: Hamburger als Insolvenzverwalter bestellt

Stefan Denkhaus sagte dazu: „Die Insolvenzen der Signa-Gruppe haben die gute Entwicklung von Galeria konterkariert und bedrohen das Unternehmen. Dem Management blieb deshalb kein anderer Weg, als das Unternehmen im Zuge einer Insolvenz aus dieser Umklammerung zu befreien. Wir werden gemeinsam mit aller Kraft daran arbeiten, den begonnen Weg unter besseren Rahmenbedingungen weiter fortzusetzen und Galeria als Unternehmen zu erhalten. Eine Zerschlagung ist ausdrücklich nicht Ziel des Verfahrens.“

Der Sanierungsexperte gilt als erfahren. Er war 2006 Gründungsmitglied bei der Kanzlei BRL mit heute 400 Beschäftigten. In den vergangenen Jahren hat er unter anderem die Insolvenzverfahren des Agrarkonzerns KTG Agrar betreut sowie bei der Bäckerei-Kette Dat Backhus, dem Bootsausrüster A.W. Niemeyer sowie das Diakonie-Krankenhaus in Flensburg und die Imland-Kliniken in Rendsburg und Eckernförde. Trotzdem: Für den Sprecher des Gravenbrucher Kreises, eines Zusammenschlusses führender Insolvenzverwalter Deutschlands, ist Galeria eine deutlich größere Nummer.

Galeria Karstadt Kaufhof meldet Insolvenz an: Ver.di besorgt um Jobs

Und so schaut die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di auch deutlich kritischer auf die Situation bei dem Handelsriesen. „Das schlimmste Szenario einer Zerschlagung ist erst mal vom Tisch. Aber die Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof versetzt die Beschäftigten in Hamburg erneut in eine Zitterpartie“, sagte die stellvertretende Landesbezirksleiterin Heike Lattekamp, die auch im Galeria-Aufsichtsrat sitzt. Diese Entwicklung sei besonders bitter, da seit 2020 vier Galeria-Kaufhäuser in Hamburg (Harburg, Bergedorf, Wandsbek und der Kaufhof Mönckebergstraße) ihre Pforten schließen mussten. Mehr als 400 Stellen wurden seitdem abgebaut.

„Ich fordere eine faire Lösung für die Betroffenen“, so die Handelsexpertin. Wünschenswert aus Sicht von Ver.di wäre ein strategischer Investor, der Handelskompetenz hat und Geld mitbringt. Nur so werde es Galeria Karstadt Kaufhof ermöglicht, als Ganzes erhalten zu bleiben und damit die Arbeitsplätze zu sichern.