Hamburg. Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof steht nach der Signa-Insolvenz zum Verkauf. Noch ist unklar, wie es in Hamburg weitergeht.
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- Sorge um Galeria-Filiale in der Osterstraße
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„Das wäre schon schade, wenn auch noch Karstadt in der Hamburger Innenstadt schließen müsste“, sagt eine Frau, Mitte 70, die gerade Weihnachtbaumdekoration in der Filiale an der Mönckebergstraße gekauft hat. Es sei doch jetzt schon kaum noch etwas los in der City. „Und gerade für uns Ältere ist das toll, dass man bei Karstadt so viele Produkte unter einem Dach findet.“
Im Eingangsbereich der Galeria-Filiale, über deren Eingang weiterhin der Name Karstadt prangt, stehen Nussknacker aus Holz für unter 20 Euro, in der Spielwarenabteilung wird mit 25 Prozent Rabatt auf die Artikel des Herstellers Playmobil geworben. Mehrere Plakate am Rand der breiten Gänge verweisen auf die „Galeria Weihnachtswelt“. Es sind die umsatzstärksten Wochen des Einzelhandels – vor dem Heiligen Abend.
Doch so richtige Feststimmung will bei den Beschäftigten nicht aufkommen. Man sei schon in Sorge, sagt eine Verkäuferin. Aber mit dieser Unsicherheit lebe man ja nun schon seit Längerem, nicht erst seit der aktuellen Insolvenz der Signa Holding. Als sie hört, dass ihr Gegenüber von der Presse kommt, will sie lieber nichts mehr sagen – und schon gar nicht ihren Namen nennen.
Galeria, Sportscheck – wie geht es in Hamburg nach der Signa-Insolvenz weiter?
Seit Tagen überschlagen sich die schlechten Nachrichten rund um den österreichischen Immobilienunternehmer René Benko und seine Signa-Gruppe. Auch Deutschlands letzte Warenhaus-Kette Galeria Karstadt Kaufhof gehört wie auch der insolvente Sporthändler Sportscheck zu dem verschachtelten Firmenimperium. Nachdem die Signa Holding in Wien am Mittwoch Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet hatte, wurde am Abend des gleichen Tages bekannt, dass auch die Signa Retail Selection AG in Zürich einen Antrag auf Gläubigerschutz stellen musste. Die Gesellschaft, zu der auch Galeria gehört, steht zum Verkauf. Das operative Geschäft läuft weiter.
Ein harter Schlag für die Warenhaus-Kette, die seit Jahren ums Überleben kämpft und gerade erst das zweite Insolvenzverfahren beenden konnte. Aktuell gibt es noch 92 Häuser in Deutschland, in Hamburg sind drei Standorte übrig geblieben: der Stammsitz in der Mönckebergstraße sowie die beiden Stadtteil-Filialen in Eimsbüttel und in Poppenbüttel im Alstertal Einkaufszentrum. Bei der letzten Schließungswelle im Sommer waren die Häuser in Harburg und in Wandsbek aufgegeben worden.
Galeria Karstadt: Hamburger Betriebsrat trotz Signa-Insolvenz zuversichtlich
Wie es weitergeht, ist offen. Zwar laufen die Geschäfte den Angaben des neuen Managements in der Essener Konzernzentrale zufolge wieder deutlich besser, aber Galeria ist weiter finanziell von der Signa abhängig. Im Rahmen des letzten Insolvenzverfahrens hatte sich der Konzern verpflichtet, insgesamt 200 Millionen Euro für die Sanierung beizusteuern. Die erste Rate sollte im März 2024 gezahlt werden. Das ist jetzt mehr als unwahrscheinlich. Offiziell hat sich das Galeria-Management nicht dazu geäußert, aus Unternehmenskreisen verlautete Beschwichtigendes. Man erwarte zunächst keine negativen Auswirkungen. Offenbar will das Unternehmen jetzt bei den – oftmals überhöhten – Mietzahlungen an die Signa-Gruppe sparen.
„Natürlich beschäftigt uns die Situation, aber es gibt auch viel Zuversicht durch das neue Management“, sagt Nils Reinhardt, Betriebsratsvorsitzender bei Galeria Karstadt an der Mönckebergstraße und Mitglied im Gesamtbetriebsrat. Schlechte Nachrichten sei man inzwischen gewohnt. „Das prallt an uns ab“, so der 55-Jährige, der in der Filiale 230 Galeria-Beschäftigte vertritt. Dazu kommen in dem Haus noch mal rund 100 Mitarbeiter von Partnerfirmen.
Guter Start ins Weihnachtsgeschäft in den Hamburger Galeria-Häusern
Das Unternehmen sei im Oktober gut ins neue Geschäftsjahr gestartet. Im November seien sehr gute Umsätze unter anderem durch die Rabattaktionen rund um den Black Friday erzielt worden, so Reinhardt. „Auch das Weihnachtsgeschäft läuft gut an. Wir haben mehr und bessere Waren als im vergangenen Jahr“, so Reinhardt. Er sagt aber auch: „Man darf nicht die Augen davor verschließen, dass im nächsten Jahr auch der Super-GAU kommen könnte.“
Sprich: das Aus für die Warenhauskette. Ein Käufer hat sich bislang nicht aus der Deckung gewagt. Handelsexperten, wie Professor Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein, sehen geringe Überlebenschancen. „Die Aussichten sind düster“, lautet seine Prognose. Er sieht große Probleme für die Zeit nach dem Weihnachtsgeschäft, wenn im Januar und Februar weniger gekauft wird und die Liquidität nicht mehr da ist. „Sobald die neue Ware bestellt werden muss, kann es schnell schwierig werden.“
Sportscheck-Insolvenz: Zwei Filialen in Hamburg sind betroffen
Keine 100 Meter vom Karstadt-Haus entfernt verlässt ein junger Mann die Sportscheck-Filiale. Zwei prall gefüllte Tüten hat er in der rechten Hand. „Klamotten für den Skiurlaub“, sagt er. „Der Laden ist gut sortiert.“ Von möglichen Problemen bei Sportscheck wegen der Signa-Turbulenzen habe er gehört. „Die Leute kaufen ja ohnehin alles online“, sagt er ein wenig resigniert. Da müsse man sich nicht wundern, wenn die Innenstädte verödeten.
Sportscheck hatte am Donnerstag Insolvenz gemeldet. Das Münchner Unternehmen mit bundesweit 34 Filialen und 350 Millionen Euro Jahresumsatz teilte mit, nach dem Insolvenzantrag der Signa-Holding zahlungsunfähig zu sein. Die vor einigen Wochen angekündigte Übernahme von Sportscheck durch den britischen Modehändler Frasers Group werde jetzt zwar „erst einmal nicht vollzogen werden; Frasers hält jedoch weiter an seinen Übernahmeplänen fest“, teilte das Unternehmen mit. In Hamburg sind zwei Standorte in der Mönckebergstraße und im Phoenix Center in Harburg betroffen. Die Geschäfte sind weiter geöffnet.
Aber viele Experten machen sich Sorgen um die Zukunft. „Es drohen weitere Leerstände großer Flächen“, sagt Andreas Bartmann, Präsident des Handelsverbands Nord und Geschäftsführer des Outdoor-Ausrüsters Globetrotter. Er befürchtet negative Auswirkungen für die Innenstädte. „Obwohl das Vertriebsformat der Warenhäuser schon seit Jahrzehnten von anderen Formaten verdrängt wird, ist das Tempo, mit dem dieser Strukturwandel vorangeht, für die Handelsstandorte eine große Belastung.“
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Auch die Politik hat die Brisanz des Themas erkannt „Es ist wirklich bitter, dass nach der Schließung von 42 Standorten in 2023 der Sanierungsprozess durch die Signa-Pleite voraussichtlich dennoch zu scheitern droht“, sagt Dirk Kienscherf, Chef der SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Viele Tausend Mitarbeitende brauchen möglichst bald Klarheit, wie es weitergeht.“
Unabhängig von den Entwicklungen der nächsten Tage erwarte er von den Insolvenzverwaltern, dass sie die betroffenen Städte bei Standortentscheidungen einbeziehen. „Für die Zukunft wäre der Vorschlag des Deutschen Städtetags zu prüfen, im Fall einer Pleite Städten Zugriff auf Immobilien in zentralen Lagen zu ermöglichen.“
Galeria: Wie geht es in Eimsbüttel weiter?
In Eimsbüttel, wo das Galeria-Haus an der Osterstraße ein wichtiger Fixpunkt für den Einzelhandel ist, beobachtet man die Entwicklung mit Sorge: „Der Standort an der Osterstraße ist ein wichtiger Baustein für die Attraktivität des Stadtteils Eimsbüttel – mit Blick auf die Versorgungssituation, aber auch auf die Publikumswirkung des Kaufhauses für die Osterstraße“, so Ali Mir Agha, Fraktionschef der Grünen in der Bezirksversammlung. „Wir wünschen uns daher den Erhalt des Kaufhauses und werden uns für gemeinsame und tragfähige Lösungen, auch im Sinne der Beschäftigten, einsetzen.“