Hamburg. Schieflage des Benko-Konzerns trifft jetzt Signa Prime Selection und Signa Development. Was das für den Elbtower bedeutet.

Die lange erwartete Nachricht kam am Morgen aus Wien: Die zwei wichtigsten Immobiliengesellschaften der Signa-Gruppe haben Insolvenzverfahren angekündigt. Die Signa Prime Selection AG hat beim Handelsgericht Wien am Donnerstag (28. Dezember) die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens in Eigenverwaltung beantragt. Die Signa Development Selection AG werde am Freitag folgen. Das teilte die Immobilien- und Handelsgruppe Signa mit.

Das Ziel ist nach Aussage der Signa „die geordnete Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs im Rahmen der Eigenverwaltung und die nachhaltige Restrukturierung des Unternehmens“. In den beiden Gruppen sind die zentralen Projekte und Immobilien des Milliardärs René Benko, wie der Elbtower, gebündelt.

Signa-Insolvenz: Erforderliche Liquidität nicht in ausreichendem Maße sichergestellt

„Es ist bekannt, dass sich im Immobilienbereich in den vergangenen Monaten externe Faktoren negativ auf die Geschäftsentwicklung ausgewirkt haben“, hieß es in der Erklärung des Wiener Unternehmens. „Trotz erheblicher Bemühungen in den vergangenen Wochen konnte die erforderliche Liquidität für eine außergerichtliche Restrukturierung nicht in ausreichendem Maße sichergestellt werden, sodass die Signa Prime Selection AG ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung beantragt hat.“

In dieser Struktur solle gemeinsam mit dem zu bestellenden Sanierungsverwalter eine Neuordnung der eigenen Aufgaben und der eigenen Verbindlichkeiten erreicht und dabei die Werthaltigkeit der Beteiligungen erhalten werden. „Ebenso wird der Abschluss eines Sanierungsplans beabsichtigt. Gemeinsam mit dem zu bestellenden Sanierungsverwalter ist das Ziel, die weiteren Maßnahmen zur Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs umzusetzen“, hieß es weiter.

Signa-Insolvenz: Riesenverluste, üppige Bonuszahlungen

Signa Prime besitzt laut Firmenwebsite Objekte im Wert von insgesamt 20,4 Milliarden Euro. Dazu gehören neben dem Elbtower das Alsterhaus, das KaDeWe in Berlin und weitere Kaufhausimmobilien der Kette Galeria Karstadt Kaufhof. Laut Jahresbericht für 2022 hatte die Signa Prime Ende des Vorjahres Verbindlichkeiten von fast 10,8 Milliarden Euro.

Allein im Vorjahr schrieb die Gesellschaft rund eine Milliarde Euro Verlust, nachdem der Wert der Anlageobjekte vor allem in Deutschland um etwa den gleichen Betrag abgewertet worden war. Den vier Vorständen der Gesellschaft wurden dennoch Prämien von insgesamt 19 Millionen Euro zugesprochen.

Signa Development ist auf die Entwicklung von städtebaulichen Projekten im Wohn- und Gewerbesegment spezialisiert. Die aktuelle Bilanzsumme wird auf der Webseite mit 4,6 Milliarden Euro angegeben. Das Vorjahr beendete die Gesellschaft mit einem Verlust von rund 316 Millionen Euro und Vorstandsprämien im Umfang von insgesamt 9 Millionen Euro.

Signa: Unternehmenschef strebt langfristige Lösungen an

Nun soll die Sanierung in Eigenverantwortung die Rettung bringen. „Wir werden diese wichtigen Aufgaben mit Bedacht und Vernunft angehen. Es gilt, langfristige Lösungen zu finden. Die Qualität des Signa-Prime-Portfolios ist hervorragend, die Entwicklungsperspektive der Development-Projekte, die in den Toplagen der deutschsprachigen Metropolen liegen, ist sehr gut“, sagte Erhard F. Grossnigg, Sprecher des Vorstandes der Signa Prime Selection AG. Er war dem langjährigen CEO Timo Herzberg gefolgt, dem am 12. Dezember fristlos gekündigt worden war.

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Die Sigma Prime Selection besitzt auch in der Hansestadt ein umfangreiches Immobilien-Portfolio. Dazu zählen der Elbtower, die frühere Gänsemarkt-Passage, die Alsterarkaden und die Flüggerhöfe. Auf allen Baustellen ruhen die Arbeiten seit Wochen. Durch die Insolvenz der Signa könnte nun Bewegung in die Projekte kommen.

Allerdings ist das Bauprojekt Elbtower in einer weiteren Tochter, der Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG, angesiedelt. Deren Insolvenz lässt auf sich warten. Die Bauarbeiten werden vorerst nicht weitergehen, erfuhr das Abendblatt aus Unternehmenskreisen. Ebenfalls am Donnerstag hat die Flüggerhöfe Immobilien GmbH in Berlin-Charlottenburg Insolvenz angemeldet.

Stadt rückt nach der Insolvenz der Signa Prime in den Fokus

Durch die Insolvenzen könnte eine Lösung näher rücken: Solange die Elbtower Immobilien GmbH und Co. KG nicht den Gang zum Insolvenzgericht antritt, halten sich alle Beteiligten noch bedeckt. Die Stadt konnte sich lange darauf berufen, dass es sich um ein privates Projekt handelt.

Baustelle Elbtower am 28.12.2023 fotografiert, Signa Group insolvent, Baustopp, Elbtower an den Elbbrücken, das größte Benko-Projekt in Hamburg
Baustelle Elbtower am 28.12.2023 fotografiert, Signa Group insolvent, Baustopp, Elbtower an den Elbbrücken, das größte Benko-Projekt in Hamburg © Michael Rauhe / Funke Foto Services | Michael Rauhe

Die Signa Prime Selection AG allerdings ist mittelbar Partei des Kaufvertrags mit der Stadt für das Elbtower-Grundstück. Sie hält an der Elbtower Immobilien GmbH 75 Prozent der Anteile.

„Auch wenn sich daraus keine unmittelbaren Auswirkungen auf das bestehende Vertragsverhältnis zwischen der Stadt Hamburg und der Käufergesellschaft ergeben, beobachten wir die Situation sehr aufmerksam, sodass die Stadt Hamburg gegebenenfalls weitere Schritte einleiten kann“, kommentierte die Stadtentwicklungsbehörde am Donnerstag die Doppelinsolvenz in Wien.

Elbtower: „Kein Cent Steuergeld für diesen Pleite-Turm“

Für die Linken-Fraktion in der Bürgerschaft erklärte die Stadtentwicklungsexpertin Heike Sudmann: Diese Insolvenz im „Signa-Imperium“ betreffe den Elbtower direkt. Im Kaufvertrag über das Grundstück heiße es, die Signa Prime Selection AG halte indirekt sämtliche Stimmrechte an dem Käufer. Der Käufer ist die Hamburg Elbtower Immobilien-Gesellschaft. Sudmann sagte: „Benkos Imperium bricht zusammen, jetzt ist auch der Elbtower dran. Die vermeintliche Sicherheit durch die SPSA (Signa Prime Selection) war das Papier des Kaufvertrages nicht wert.“ Der rot-grüne Senat habe auf „das Prinzip Hoffnung“ gesetzt. Sudmann erneuerte ihren Appell: „Kein Cent Steuergeld für diesen Pleite-Turm.“

Potenzielle Investoren wie Klaus-Michael Kühne hatten die Stadt schon vor Weihnachten aufgefordert, sich zu positionieren und „eine mögliche Rettungsaktion wirkungsvoll“ zu unterstützen. Die Zeit drängt: Ergeben sich weitere Bauverzögerungen, könnten die bereits feststehenden Mieter aus ihren Verträgen aussteigen.

Commerz Real: Es könnte beim Elbtower schnell weitergehen

Ein weiterer Investor steht zum Elbtower: So hatte die Commerzbank-Tochter Commerz Real, die mit einer Summe von 50 Millionen Euro am Wolkenkratzer beteiligt ist, sich Klarheit gewünscht: „Solange Unklarheit über die Zukunft von Signa Prime beziehungsweise Signa Prime Selection herrscht, wird da wohl nichts passieren“, dämpfte Commerz-Real-Chef Henning Koch kurz vor Weihnachten im „Handelsblatt“ Hoffnungen auf eine schnelle Wiederaufnahme der Bauarbeiten an den Elbbrücken.

Sollten sich die Dinge aber sortieren, könne es beim Elbtower schnell weitergehen. „Im kommenden Jahr könnte aus meiner Sicht aber zügig ein Neustart in Hamburg erfolgen“, so Koch weiter. Er schätzt, dass dann noch rund 500 bis 600 Millionen Euro Fremdkapital aufgebracht werden müssten.

Baustelle Elbtower völlig verlassen: Videoüberwachung in der HafenCity

Im letzten Senatsbericht zum Baufortschritt und Stand nach der Insolvenz der ersten Signa-Firma war noch einmal festgehalten, dass Hamburg von einer Fertigstellung des Rohbaus bis Mai 2027 ausgehe. Bis Juli 2028 solle der Rest vollendet sein. So steht es auch im Bericht des unabhängigen Bau-Controllers. Der hatte den letzten seiner monatlichen Reports im September vorgelegt: von Baustopp keine Rede.

In diesen Tagen ist die Baustelle Elbtower in der östlichen HafenCity völlig verlassen. Eine Videoüberwachung sichert die Begrenzung und die Maschinen. Der Wind pfeift gruselig durch das Rohbauskelett. Da mutet es fast schon ironisch an, dass der Senat in seinem jüngsten Bericht an die Bürgerschaft schreibt, im ersten Quartal solle ein Marketing- und Informationszentrum an der Zweibrückenstraße errichtet werden. „Anschließend soll nach bisheriger Planung das Zentrum seitens der Käuferin bis zur Fertigstellung des Elbtowers, mindestens aber für 21 Monate, wöchentlich von Dienstag bis Sonntag und an jedem dieser Tage mindestens von 13 Uhr bis 18 Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich betrieben werden.“ Ob diese Idee Sinn ergibt, wird sich zeigen.