Hamburg. Aufseher des Hamburger Kupferkonzerns wollen in wenigen Wochen entscheiden, ob Top-Manager wegen der Kriminalfälle gehen müssen.

Es ist ein Satz, der eines der wichtigsten und größten Industrieunternehmen Hamburgs erschüttert: „Der Aufsichtsrat kann derzeit weder ausschließen, dass die amtierenden Vorstandsmitglieder unverändert ihr Amt fortführen, noch kann er ausschließen, dass es zu einer vorzeitigen Trennung von einzelnen oder mehreren Vorstandsmitgliedern kommt bzw. der Vorstand umstrukturiert wird“, teilte der Kupferkonzern Aurubis am Dienstagnachmittag in einer Ad-hoc-Mitteilung mit. Zuvor hatte sich das Aufsichtsgremium mit möglichen personellen Konsequenzen aus den in den vergangenen Monaten bekannt gewordenen Betrugs- und Diebstahlsfällen im Hamburger Stammwerk des Kupfer- und Metallherstellers beschäftigt.

Millionenbetrug: Aurubis-Aufsichtsrat erwägt Entlassung des Vorstands

„Entscheidungen wurden nicht getroffen“, gab das börsennotierte Unternehmen danach bekannt. Der Aufsichtsrat wolle zunächst das Ergebnis der von ihm in Auftrag gegebenen Untersuchung der Rechtsanwaltskanzlei Hengeler Mueller zur Verantwortung des Vorstands im Zusammenhang „mit den bekannt gewordenen Straftaten zum Nachteil der Gesellschaft abwarten“. Dieser Untersuchungsbericht von Hengeler Mueller werde für Mitte Januar 2024 erwartet. Ob und gegebenenfalls welche personellen Konsequenzen im vierköpfigen Vorstand um CEO Roland Harings gezogen werden, darüber werde der Aufsichtsrat „voraussichtlich im Januar oder Anfang Februar 2024 beschließen“, hieß es weiter.

Aufsichtsrat will Personalentscheidungen in wenigen Wochen treffen

Im Sommer war bekannt geworden, dass dem Unternehmen durch einen groß angelegten Betrug ein Schaden in Höhe von 185 Millionen Euro entstanden ist. Lieferanten hatten Aurubis nach den bisherigen Erkenntnissen Recycling-Schrott untergeschoben, der weit weniger Edelmetalle wie Gold, Silber oder Platin enthielt, als der Konzern annahm. Er zahlte für Metalle, die er nie gewinnen konnte. Vorstandschef Harings hatte danach den Verdacht geäußert, dass Aurubis-Mitarbeiter an dem Betrug beteiligt waren. Er sprach von „einer neuen Form der organisierten Kriminalität“ und verwies darauf, dass die Sicherheitsvorkehrungen im Unternehmen dem branchenüblichen Standard entsprächen.

Aufgeflogen war der Betrug erst nach einer Sonderinventur der Edelmetallbestände nach dem Bekanntwerden einer Serie von Diebstählen in den Jahren 2020 und 2021. Damals hatte eine kriminelle Bande, zu der auch mindestens ein Aurubis-Beschäftiger und Mitarbeiter von Fremdfirmen gehört haben sollen, über fast ein Jahr hinweg tonnenweise Zwischenprodukte mit hohem Silber- und Goldanteil im Wert von mindestens elf Millionen Euro unbemerkt vom Werksgelände schaffen können. Dieser Fall wird seit der vergangenen Woche vor dem Landgericht Hamburg verhandelt.

Aurubis: Welche Vorstände um ihre Jobs fürchten müssen

Neben Vorstandschef Harings (60), der den MDAX-Konzern seit Mitte 2019 führt und dessen Vertrag 2021 vorzeitig um fünf Jahre bis Mitte 2027 verlängert worden war, muss nun wohl insbesondere Produktionsvorstand Heiko Arnold (57) um seinen Job bangen. Sein aktueller Vertrag läuft Mitte August 2028 aus. Womöglich muss sich auch Finanzvorstand Rainer Verhoeven (55, Vertrag bis Ende 2025) fragen lassen, warum lange Zeit unbemerkt blieb, dass Aurubis viel weniger Edelmetalle gewann, als der eingekaufte Recycling-Schrott versprach. Die für das Recycling-Geschäft zuständige Inge Hofkens war erst Anfang 2023 in den Vorstand berufen worden.

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Nach dem Paukenschlag am Dienstagnachmittag soll bei Aurubis schon am Mittwochvormittag wieder business as usual herrschen. Wie geplant wolle der gesamte Vorstand ab 10 Uhr die Unternehmensbilanz für das Geschäftsjahr 2022/23 vorstellen, sagte ein Unternehmenssprecher. Der Vorsteuergewinn wird trotz der heftigen Einbußen durch die Kriminalfälle mit absehbar knapp 350 Millionen Euro recht ordentlich ausfallen. Allerdings hatte der Vorstand noch vor wenigen Monaten mit bis zu 550 Millionen Euro gerechnet.

Anleger reagierten positiv auf die Nachricht von möglichen personellen Konsequenzen im Aurubis-Vorstand. Kurz nachdem der Konzern die Ad-hoc-Mitteilung verbreitet hatte, legte der Aktienkurs leicht zu.