Angeklagte schweigen zum Prozessauftakt. Sechs Männer sollen Edelmetalle für elf Millionen Euro gestohlen haben.

  • Sechs Männer sollen bei Aurubis wertvolle Edelmetalle gestohlen haben.
  • Anklage zeichnet genaues Bild der Taten
  • Hauptverdächtiger hatte auch eine illegale Schusswaffe

Hamburg. Es ist einer der spektakulärsten Kriminalfälle in Hamburg in den vergangenen Jahren: Am Dienstag hat vor dem Landgericht Hamburg der Prozess um den groß angelegten Diebstahl wertvoller Edelmetalle beim Metallkonzern Aurubis in dessen Werk auf der Veddel begonnen. Angeklagt sind sechs Männer. Laut der Anklageschrift sollen sie zwischen Februar 2020 und 2021 etwa 5000 Kilogramm Material mit einem hohen Gehalt an Gold und Silber im Gesamtwert von elf Millionen Euro vom Werksgelände geschafft und weiterverkauft haben.

Millionenklau bei Aurubis: Angeklagte schweigen im Prozess

Drei der Männer hat die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen schweren Bandendiebstahls angeklagt, dem Hauptverdächtigen Mahmut C. wird zudem – ebenso wie zwei weiteren Angeklagten – bandenmäßige Hehlerei vorgeworfen. Der sechste Angeklagte muss sich wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl verantworten. Mahmut C., dem mutmaßlichen Drahtzieher, wird darüber hinaus unerlaubter Waffenbesitz vorgeworfen.

Laut Staatsanwaltschaft waren sogar insgesamt elf Personen an den Taten beteiligt. Doch bei den Ermittlungen, die sich auf die Auswertung von Gesprächen auf verschlüsselten Kryptohandys stützen, konnten nicht alle Beteiligten eindeutig identifiziert werden. Die Ermittlungen in dem Fall liefen weiter, heißt es bei der Staatsanwaltschaft Hamburg.

Millionenklau bei Aurubis: Anklageschrift zeichnet genaues Bild der Taten

Die Anklageschrift zeichnet ein recht genaues Bild davon, wie die Diebstähle abliefen. Einer der Angeklagten, damals Mitarbeiter von Aurubis, schaffte auf dem Werksgelände sogenannte Rohsilberfegsel beiseite. Das ist ein Zwischenprodukt bei der Edelmetallgewinnung, das zu 80 bis 90 Prozent aus reinem Silber besteht und zudem zwischen drei und fünf Prozent Gold enthält.

Diese Fegsel wurden in Kisten verpackt und in Autos aus dem Werk transportiert. Andere Angeklagte, die bei einem Aurubis-Subunternehmen beschäftigt waren, sollen die Autos aufs Gelände gelassen haben. Die brachten die Beute in ein Zwischenlager. Aus ihm wurde es an zum großen Teil unbekannte Abnehmer weiterverkauft. In einigen Fällen ging das wertvolle Material laut den Ermittlungen an eine nicht identifizierte Metallfirma in Istanbul (Türkei). Mahmut C. habe all das organisiert – und seinen Komplizen ihren Teil der Beute ausgezahlt, so die Staatsanwaltschaft.

Millionenklau bei Aurubis: Hauptverdächtiger besaß illegale Schusswaffe

Angestoßen wurden die Ermittlungen durch einen anonymen Hinweis auf ihn. Bei einer Razzia Mitte Juni 2023 in seinem Haus in Fredenbeck (Landkreis Stade) und in einer ganzen Reihe weiterer Objekte wurden unter anderem zehn Fahrzeuge, mehr als 20 hochwertige Uhren, über 200.000 Euro Bargeld, mehrere scharfe Schusswaffen, Munition und Teile des Diebesguts sichergestellt. Drei der Angeklagten sitzen weiter in Untersuchungshaft, zwei sind vor Kurzem aus ihr entlassen worden.

Inhaltlich äußern wollten sich die Angeklagten am ersten Verhandlungstag nicht zu den Vorwürfen, sie schwiegen. Jedem von ihnen stehen mindestens zwei Verteidiger zur Seite.

Millionenklau bei Aurubis: Angeklagten drohen lange Haftstrafen

Der Vorsitzende Richter Nils Godendorff ließ nach der Anklageverlesung durchblicken, dass er ein schnelles Verfahren bevorzugen würde. Und mit welchen Strafen die Angeklagten zu rechnen haben, wenn sie „ein frühzeitiges und glaubwürdiges Geständnis“ ablegen würden. Bei einem Vorabtermin habe die Staatsanwaltschaft signalisiert, dass sie mit Haftstrafen zwischen fünf und mehr als sieben Jahren einverstanden wäre, so Godendorff. Die Kammer selbst könne sich in diesem Fall ein Urteil zwischen Bewährung und fünfeinhalb bis knapp sechs Jahren Haft für Mahmut C. vorstellen.

Vorsorglich vorbereitet hat sich die Kammer allerdings auf einen Mammutprozess. Noch in der Woche vor Weihnachten hat sie vier weitere Verhandlungstage angesetzt, bis Ende April sind es insgesamt 34.

Zweiter Fall bei Aurubis mit noch viel höherem Schaden

Bei dem geschädigten Metallkonzern und der Hamburger Staatsanwaltschaft läuft derweil weiter die Aufarbeitung und Aufklärung eines noch viel größeren Kriminalfalls auf dem Werksgelände auf der Veddel. Nachdem die Rohsilber-Diebstähle aufgeflogen waren, hatte der Konzern eine umfassende Inventur seiner Edelmetall-Bestände vorgenommen – und festgestellt, dass ihm sehr große Mengen davon fehlen. Die Rede ist von einem Schaden in Höhe von insgesamt 185 Millionen Euro.

Nach den bisherigen Erkenntnissen ist der Konzern zusätzlich Opfer eines groß angelegten Betrugs beim Recycling von edelmetallhaltigem Schrott geworden. Bekannt wurde das Ende August.

Kriminalität Hamburg: Jetzt investiert Aurubis in Sicherheit

Demnach enthielt ein Teil des von Fremdfirmen bei Aurubis angelieferten Schrotts weit weniger Edelmetalle wie Gold, Silber oder Platin als die Analyse der genommenen Proben erwarten ließ. Aurubis-Vorstandschef Roland Harings sagte dem Abendblatt, es bestehe der Verdacht, dass Beschäftigte des Kupferkonzerns an den Taten beteiligt waren. Aurubis wird wegen der Kriminalfälle im jüngsten Geschäftsjahr einen deutlich geringeren Gewinn als erwartet ausweisen.

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Was das Unternehmen aus dem Betrugsfall und dem Silberdiebstahl gelernt hat, gab es wenige Stunden vor Beginn des Prozesses bekannt. Im Werk Hamburg soll für 300 Millionen Euro bis 2026 eine neue Anlage zur Verarbeitung von Edelmetallen entstehen. Sie bilde mit bestehenden Anlagen einen neuen Hochsicherheitsbereich, hieß es. Und: „Aurubis investiert in Sicherheit der Edelmetallverarbeitung.“