Hamburg. Er war und ist im Hafen eine Institution: Thomas Mendrzik kritisiert vor allem Finanzsenator Dressel scharf. Was er ihm vorwirft.
Trotz erheblicher Kritik von mehreren Seiten hält der Hamburger Senat an seinem Vorhaben zum Teilverkauf des Hafenkonzerns HHLA fest: So rasch wie möglich will er 49,9 Prozent der Hamburger Hafen und Logistik AG an die Schweizer Reederei MSC verkaufen. Dass selbst aus den Regierungsfraktionen kritische Stimmen laut werden, hindern ihn nicht. Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD), die den Deal eingefädelt haben, sind von der Richtigkeit ihres Vorgehens überzeugt.
Doch es gärt in den Reihen der SPD. Insbesondere Protestslogans von Hafenarbeitern wie „Im Hafen wählt keiner mehr die SPD“ sorgen für Unruhe. Jetzt hat ein erstes SPD-Mitglied seinen Parteiaustritt erklärt: Nach mehr als zwei Jahrzehnten Zugehörigkeit gibt der ehemalige Hafenfunktionär Thomas Mendrzik zum Ende des Jahres sein Parteibuch zurück. „Aufgrund der arbeitnehmerfeindlichen Senatspolitik beim geplanten Verkauf städtischer Anteile der HHLA-AG an MSC, ist es mir nicht länger möglich, Mitglied der SPD zu bleiben“, schreibt Mendrzik an den Vorsitzenden des SPD-Distrikts Oldenfelde, Ole Thorben Buschhüter.
HHLA-Deal: Wegen MSC: Erstes SPD-Mitglied gibt Parteibuch zurück
Mendrzik ist kein Unbekannter. Er war lange einer der wichtigsten Arbeitnehmervertreter im Hafen. Als Mitarbeiter am Containerterminal Altenwerder gestartet, wurde er bald dessen Betriebsratsvorsitzender, dann stellvertretender Konzernbetriebsratschef sowie Mitglied des HHLA-Aufsichtsrats. Auch bei der Gewerkschaft Ver.di engagierte sich der langjährige Sprecher der Vertrauensleute der HHLA: Er war dort Leiter der Bundesfachgruppe Häfen. Nachdem er in Rente ging, schied er vor zwei Jahren auch aus dem Aufsichtsrat aus.
Scharf geht Mendrzik in seinem Rücktrittsschreiben nun mit Finanzsenator Andreas Dressel ins Gericht, dem er vorwirft, die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer durch den Teilverkauf der HHLA an MSC zu opfern: „Insbesondere das Verhalten von Finanzsenator Andreas Dressel kann nur als verlogen interpretiert werden. Schon bei der möglichen Zusammenlegung der Containersparten von HHLA und Eurogate war er bereit, die Unternehmensmitbestimmung nach dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 zu opfern. Wenn man sich überlegt, dass er bei der Teilprivatisierung der HHLA mit uns demonstriert hat und ein Bürgermeister Tschentscher gesagt hat, dass die Privatisierung des CDU-Senats ein Fehler war und man die Anteile eigentlich zurückerwerben müsste, ist solch eine Kehrtwende der Politik völlig unverständlich“, schreibt der parteimüde Mendzrik.
Finanzsenator Dressel wehrt sich gegen Vorwürfe
Der verbal attackierte Finanzsenator will die Vorwürfe nicht kommetarlos stehen lassen: „Herr Mendrzik geht von falschen Voraussetzungen aus“, sagt Dressel dem Abendblatt. „Die seinerzeit erörterte Terminalfusion HHLA/Eurogate ist auch gescheitert, gerade weil wir keine Abstriche bei der Mitbestimmung für die HHLA-Beschäftigten machen wollten. Mitnichten wollte ich das opfern, das Gegenteil ist der Fall. Insofern ist der Schritt von Herrn Mendrzik mehr als unverständlich.“
Er habe Mendrzik auch ein klärendes Gespräch angeboten, sagte Dressel. „Im Übrigen haben Frau Leonhard und ich umfassend das Gespräch mit der Mitbestimmung und den Gewerkschaften gesucht – zuletzt habe ich fast fünf Stunden in der Betriebsversammlung der HHLA Rede und Antwort gestanden.“
Mendrzik stört besonders, dass MSC mit seinen 49,9 Prozent an der HHLA wesentlichen Einfluss auf die Eisenbahntochter Metrans des Konzerns gewinnt. „Dass man das Intermodalgeschäft der HHLA-Tochter Metrans an MSC gleich mit verramscht, schadet nicht nur der HHLA und der Stadt, sondern auch dem Hamburger Hafen als Eisenbahnhafen.“
MSC vor allem an HHLA-Bahntochter Metrans interessiert
Tatsächlich hat die HHLA mit ihren Investitionen in die Gleisanlagen auf den Umschlagterminals einen wesentlichen Anteil daran, dass Hamburg den mit Abstand größten Eisenbahnhafen in Europa hat. Experten sehen das als einen großen Wettbewerbsvorteil Hamburgs gegenüber anderen Häfen an, da der Weitertransport der mit Seeschiffen ankommenden Ladung dadurch umweltfreundlicher stattfindet.
Nicht wenige Experten vermuten deshalb, dass es MSC bei dem HHLA-Deal weniger um das Umschlaggeschäft des Unternehmens auf den Containerterminals geht, sondern mehr um die Tochter Metrans, die dem Unternehmen seit Jahren satte Gewinne beschert.
MSC kauft Güterbahngesellschaften in Europa
Die Schweizer Reederei räumt offen ein, dass sie Pläne mit der Eisenbahntochter der HHLA hat. So sagte ein MSC-Sprecher dem Abendblatt: „Zu den strukturellen Vorteilen Hamburgs zählen die hervorragenden Hinterlandanbindungen und die gut vernetzten intermodalen Hubs, insbesondere Metrans. MSC plant, diese Stärken im Rahmen der strategischen Partnerschaft mit der Stadt Hamburg zu nutzen.“
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MSC baut derweil selbst ihre Hinterlandaktivitäten stark aus. Ein Nettogewinn von 36,2 Milliarden Euro verschafft ihr den finanziellen Rückhalt. Im vergangenen Monat gründete das Unternehmen mit der staatlichen italienischen Ferrovie dello Stato Italiane ein neues Unternehmen, um ihr Schienentransportangebot zwischen den Häfen in Italien und dem Rest Europas zu erweitern. Das MSC-Tochterunternehmen Medway ist der führende Anbieter von Gütertransporten in Portugal. Im September beteiligte sich MSC zudem an der spanischen Güterbahn Renfe Mercancías (Renfe Fracht).
„Wir glauben an die Eisenbahn als umweltfreundliches Verkehrsmittel“, heißt es von MSC. „Das zeigen auch einzelne Investitionen, die wir in der Vergangenheit getätigt haben, zum Beispiel in Portugal und in der Türkei. Mit Metrans ist die HHLA gut in Richtung Osteuropa aufgestellt.“
Ob Mendrzik übrigens das Gesprächsangebot von Finanzsenator Dressel annimmt, ist noch offen: „Eigentlich ist es zum Reden zu spät“, sagt er dem Abendblatt.