Hamburg. Tarifgespräche sollen wieder starten, aber die Konfliktparteien liegen vor dem wichtigen Weihnachtsgeschäft weit auseinander.

Dieser Streiktag ist nicht zufällig gewählt: Ausgerechnet am Black Friday hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di die Beschäftigten im Handel im festgefahrenen Tarifstreit zum Arbeitskampf aufgerufen.

Während sich viele Schnäppchenjäger zum Einkaufen in die Hamburger Innenstadt aufgemacht hatten, zog der Protestzug mit Fahnen, Trillerpfeifen und Plakaten über die Mönckebergstraße. „Ohne uns kein Geschäft“, skandierten die Teilnehmer immer wieder.

Die Beschäftigten kämpfen schon seit einem halben Jahr für höhere Löhne. Am Freitagvormittag hatten sich mehrere Hundert Mitarbeiter im Groß- und Einzelhandel zur Auftaktkundgebung vor der Handelskammer versammelt. Darunter Beschäftige von H&M, Douglas, Thalia, Rewe und Otto sowie von Metro, Sanacorp und Selgros. Dadurch habe man Arbeitsabläufe in den Unternehmen stören und Aufmerksamkeit erreichen wollen, hieß es. Zu Ladenschließungen kam es nicht.

An Black Friday: Beschäftigte im Einzelhandel streiken in Hamburg

„Die Arbeitgeber müssen endlich ein anständiges Angebot machen. Das, was auf dem Tisch liegt, gleicht die Preissteigerungen nicht aus“, sagte Gabriele Werschun. Die 60-Jährige arbeitet bei Kaufland in Bramfeld und war mit drei Kollegen in die City gekommen. Auch Andrea Gerspacher, Kundendienstmitarbeiterin beim Onlinehändler Otto, ist sauer: „Das reicht vorn und hinten nicht.“

Die Fronten im Tarifstreit sind weiterhin verhärtet. Zwar hatte der Handelsverband Deutschland (HDE) den regionalen Verhandlungsführern nach einem Spitzengespräch mit Ver.di am Donnerstag empfohlen, die Gespräche in den Bundesländern nach dem überraschenden Abbruch Anfang November wieder aufzunehmen. Aber inhaltlich liegen die Konfliktparteien immer noch weit auseinander. Man habe den festen Willen, eine schnelle Lösung herbeizuführen, hieß von Arbeitgeberseite angesichts des beginnenden Weihnachtsgeschäfts.

Tarifstreit: Streiks im Weihnachtsgeschäft angekündigt

„Die gute Nachricht ist, dass wieder Bewegung in die Tarifverhandlungen kommt“, sagte Heike Lattekamp vom Ver.di-Landesbezirk Hamburg, Verhandlungsführerin für die 90.000 Beschäftigten im Hamburger Groß- und Einzelhandel. Sie rief die Beschäftigten zu Geschlossenheit auf. „Bislang blieb jedes Angebot der Arbeitgeber weit hinter den Forderungen zurück, und die Beschäftigten müssen weiterhin bereits bestehende Reallohnverluste verkraften.“ Der Black Friday, so die Arbeitnehmervertreterin, sollte nicht nur ein Tag des Sparens für die Verbraucher sein, sondern auch ein Tag, an dem die Anerkennung und Wertschätzung für die Mitarbeiter im Einzelhandel im Mittelpunkt stünden.

Die Gewerkschaft fordert im Einzelhandel 2,50 Euro mehr Lohn pro Stunde, mindestens aber 13,50 Euro. Im Groß-und Außenhandel will Ver.di eine Lohnerhöhung von 13 Prozent beziehungsweise 425 Euro im Monat mehr. Die Laufzeit soll zwölf Monate betragen. Außerdem will Ver.di eine Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge durchsetzen. Eine Verkäuferin mit sechs Jahren Berufserfahrung verdient nach dem alten Tarifvertrag 2832 Euro im Monat brutto, ein Kommisionierer im Großhandel 2431 Euro.

Tarifstreit: Parteien inhaltlich weit auseinander

Nach sechs gescheiterten Verhandlungsrunden hatten die Arbeitgeber Anfang November ihr Angebot zum dritten Mal nachgebessert. Über die angebotene Laufzeit von 24 Monaten führt das Angebot zu einer Tariflohnsteigerung von mehr als zehn Prozent und in unteren Tarifgruppen sogar von bis zu 15 Prozent, so der HDE. Zusätzlich soll eine Inflationsausgleichsprämie von 750 Euro in zwei Schritten gezahlt werden. Dieses Angebot wurde allerdings nicht in Hamburg vorgelegt.

Zahlreiche Unternehmen haben schon während der Verhandlungen einseitig Löhne und Gehälter erhöht. Unter anderem waren Rewe, Aldi, Lidl, Kaufland sowie die Otto Group einer Empfehlung des HDE gefolgt und hatten die Entgelte um 5,3 Prozent angehoben.

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Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage steht der Handel unter Druck. Auch im wichtigen Weihnachtsgeschäft rechne man nicht einem größeren positiven Schub, teilte der Handelsverband Nord vor einigen Tagen mit. Zwar werde in den Monaten November und Dezember ein Umsatzplus in den drei norddeutschen Bundesländern erwartet, „was preisbereinigt allerdings ein reales Minus bedeutet“, so Hauptgeschäftsführer Dierk Böckenholt.