Hamburg. Massive Kritik an Senatsplänen für den Hafen, aber auch die eigene Gewerkschaft bekommt die Unzufriedenheit zu spüren.
Der Hamburger Rathausmarkt ist nicht voll, aber 600 Hafenarbeiter haben sich am Sonnabendmorgen bei Nieselregen doch versammelt, wie Polizei und Veranstalter schätzen. Der Hafen hat viel mehr Arbeiter, aber diejenigen, die da sind, zeigen sich in ihrer Haltung geschlossen. Den vom Senat geplanten Teilverkauf der HHLA an die Schweizer Reederei MSC lehnen sie ab.
Seitdem der Hamburger Senat am 13. September seine Verkaufsabsichten bekanntgegeben hat, herrscht im Hafen Ausnahmezustand. Ihren Höhepunkt hatte die Auseinandersetzung Anfang vergangener Woche als HHLA-Vorstand und Aufsichtsrat sich in einer gemeinsamen Stellungnahme für die Senatspläne aussprachen. Spontan legten die Arbeiter am Containerterminal Burchardkai für mehr als 24 Stunden ihre Arbeit nieder und traten in einen wilden Streik.
MSC-Deal: 600 Hafenarbeiter protestieren vor dem Rathaus
Nun hat die Gewerkschaft Ver.di zur Kundgebung aufgerufen. Ordner verteilen Trillerpfeifen und Flugblätter. Gewerkschaftssekretär Lars Stubbe ruft die noch in einzelnen Grüppchen beieinanderstehenden, vor die Rednerbühne, die vor dem Rathaus aufgebaut ist. Es sind nicht nur Hafenarbeiter, auch einige neugierige Hamburger mischen sich unter die Menge. Genau das ist auch eine der Absichten der Veranstalter: sie wollen die Hamburger auf ihre Seite ziehen, so sprechen die Redner nicht nur die „lieben Kollegen“ an sondern auch „Liebe Hamburger.“
Es sind nicht nur Gewerkschafter und HHLA-Mitarbeiter, die das Mikrofon ergreifen. Auch andere Hafendienstleister wie Lascher, Festmacher und Schlepper haben Vertreter zu der Kundgebung geschickt. Die Kernaussage ist bei allen Rednern gleich: Der MSC-Deal wird komplett abgelehnt. Stattdessen fordern die Hafenarbeiter den Rückkauf sämtlicher HHLA Anteile in Staatsbesitz. Gewerkschaftssekretär Stubbe verliest zwischen den Beiträgen Solidaritätsbekundungen von Hafenarbeitern aus anderen Ländern, aus der Türkei, den Niederlanden und Italien.
Protest der Hamburger Hafenarbeiter: Heftige Kritik an Senat
Heike Lattekamp, stellvertretende Landesvorsitzende von Ver.di eigentlich zuständig für den Handel in der Stadt, bringt die Sorge der Hafenarbeiter auf den Punkt: Holt der Senat MSC in die HHLA, könne die Reederei weitergehenden Einfluss auf den Hafenbetrieb insgesamt gewinnen. Zwar will die Stadt mit 50,1 Prozent die Mehrheit behalten, und wie Finanzsenator Andreas Dressel kürzlich bekannt gab, dieses sogar im Hafenentwicklungsgesetz verankern. Den Demonstranten reicht diese Zusagen aber nicht.
„Unsere Sorgen reichen von drohendem Stellenabbau bis hin zur Schaffung von Abhängigkeiten, mit denen MSC Zugriff auf die kritische Infrastruktur im Hafen gewinnt“, sagt Lattekamp. Sie kritisierte, dass der Hamburger Senat bei seinen Investitionsentscheidungen in der jüngeren Vergangenheit keine glückliche Hand gehabt habe, sondern dass es immer wieder zu Arbeitsplatzabbau gekommen sei.
Lattekamp verweist auf den Elbtower, dessen Investor, René Benko, wegen Geldknappheit einen Baustopp verhängen musste. „An dem Tag, als die Stadt Benko die Zusagen für den Bau des Elbtowers gab, wurden in Hamburg vier Galeria-Kaufhäuser geschlossen. 500 Mitarbeiter verloren ihren Job..“
Hafen Hamburg: Auch Reederei MSC wird angegriffen
Immer wieder richten sich die Redner gegen den Senat. „Dieser Deal hat das Potenzial, Regierungen zu stürzen“, sagt der Sozialhistoriker Jürgen Böning. Sebastian Kalkowski, Vertrauensmann beim Gesamthafenbetrieb (GHB), zieht ein Fazit: „Wir müssen den Verantwortlichen klarmachen, dass es mit ihren politischen Karrieren vorbei ist, wenn sie dem MSC-Deal zustimmen.“
HHLA Betriebsrätin Sonja Petersen streicht heraus, dass ausgerechnet die SPD, die nun den Teilverkauf der HHLA vorantreibe, in der Vergangenheit die CDU vor einer Privatisierung des Hafens gewarnt habe. „Vielleicht muss man sie heute an ihre Argumente von damals erinnern.“ Auch der Investor, die Schweizer Reederei MSC, wird in mehreren Beiträgen angegriffen. Insbesondere die Verschlossenheit des Familienunternehmens wird kritisiert. „Ausgerechnet dem größten, gefräßigsten Banditen überlässt man die HHLA“, sagt ein Redner.
Hafenarbeiter werfen Ver.di mangelnde Unterstützung vor
Doch auch innerhalb der Hafenarbeiterschaft scheint es kräftig zu rumoren. So richten sich manche Worte nicht nur an den Senat, sondern auch an die eigenen Arbeitnehmervertreter: Immer wieder beschwören Ver.di-Vertreter in ihren Reden, dass die Gewerkschaft sie voll unterstütze, um die Sorge der Hafenarbeiter zu zerstreuen, die Gewerkschaftsspitze könnte dem Teilverkauf der HHLA bereits zugestimmt haben. „Unsere Grundhaltung an Ver.di ist: Dieser Deal ist abzulehnen“, ruft Malte Klingforth, ebenfalls Arbeitnehmervertreter beim GHB.
Ausgelöst hat das Misstrauen der Hafenarbeiter gegen ihre eigene Vertretungsorganisation ein Vorgang in Berlin. Wie berichtet hat die stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft, Christine Behle den HHLA-Vorstand bereits dazu aufgefordert in Verhandlungen über einen Übergangstarifvertrag einzutreten, obgleich die Transaktion noch gar nicht durch die Bürgerschaft beschlossen ist.
Die Hafenarbeiter kritisieren, dass Behle ohne Abstimmung mit der Konzerntarifkommission vorgeprescht sei. So sagt Betriebsrätin Petersen: „Egal was der HHLA-Arbeitsdirektor in Berlin jetzt verhandeln mag, es ist für uns nicht bindend.“
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Gesprächsthema ist an diesem Sonnabend auch der Bericht des Abendblatts, wonach der Betriebsvorstand der HHLA, Jens Hansen, seine Anteile an der HHLA nicht an MSC verkaufen möchte. „Die Tatsache, dass ein Vorstandsmitglied seine persönlichen Aktien behält, obwohl der Vorstand den Verkauf empfiehlt, signalisiert uns, dass möglicherweise nicht alle im Vorstand einverstanden sind. Dies deutet darauf hin, dass die Empfehlung möglicherweise unter Druck oder Zwang zustande gekommen ist, anstatt aus einstimmiger Überzeugung“, sagt ein HHLA-Mitarbeiter.
Kurz vor 13 Uhr endet die friedliche Kundgebung.