Hamburg. Unternehmensführung spricht sich für MSC-Angebot aus. Beschäftigte legen Arbeit nieder. Containerterminal steht still.
Vorstand und Aufsichtsrat der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) empfehlen ihren Aktionären, das Übernahmeangebot der Schweizer Reederei MSC anzunehmen. Das teilten beide am Montag in einer gemeinsamen Stellungnahme mit. Sie provozierten damit einen Eklat bei ihren eigenen Mitarbeitern.
Die Beschäftigten am Burchardkai reagierten nämlich sofort. Rund 150 Hafenarbeiter der zweiten Schicht stellten ihre Arbeit ein noch am Montag ein und verließen das Terminal. Und auch am Dienstag geht am Burchardkai der HHLA nichts. Zur Nachtschicht und zur Frühschicht am Dienstag sind die Hafenarbeiter nicht erschienen. Das komplette Containerterminal steht still.
MSC-Deal: Vorstand der HHLA spricht sich für Angebot aus
Am Montag hatten Vorstand und Aufsichtsrat mitgeteilt, sie hätten die finanzielle Angemessenheit der angebotenen Gegenleistung sorgfältig und umfassend analysiert und dabei neben dem Börsenkurs, Analysteneinschätzungen und eigenen Bewertungen auch eine für den Vorstand und Aufsichtsrat durch die Citigroup erstellte „Fairness Opinion“ herangezogen. „Im Ergebnis erachten Vorstand und Aufsichtsrat den gebotenen Angebotspreis von 16,75 Euro pro A-Aktie als angemessen“, lautete die Stellungnahme.
Wie berichtet beabsichtigt der Hamburger Senat, 49,9 Prozent der HHLA an MSC zu verkaufen. Dazu soll die HHLA von der Börse genommen werden. Die rund 30 Prozent der Aktien, die derzeit in den Händen von Finanzinvestoren sind oder frei gehandelt werden, will MSC den Aktionären für 16,75 Euro das Stück abkaufen. Die Stadt will ihrerseits auf rund 19 Prozent ihrer Aktien verzichten und ihren HHLA-Anteil von derzeit 69 Prozent auf 50,1 Prozent senken.
Wie die HHLA zudem mitteilte, haben der Senat und MSC einen verbindlichen Vorvertrag für eine Zusammenschlussvereinbarung geschlossen. In diesem Vorvertrag wird erstmals eine geplante Investitionssumme genannt. So soll der HHLA in den kommenden Jahren zusätzliches Eigenkapital in Höhe von 450 Millionen Euro für Investitionen in den Geschäftsbetrieb zur Verfügung gestellt werden. Die Entscheidungshoheit über die Investitionsplanung der HHLA solle beim Unternehmen bleiben.
MSC verspricht: Keine betriebsbedingten Kündigungen für fünf Jahre
Für die Mitarbeitenden hätten ebenfalls maßgebliche Zusagen erreicht werden können, teilte die HHLA mit. Dazu gehöre der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für mindestens fünf Jahre. Zudem sei vereinbart worden, dass alle Kunden weiterhin gleichermaßen Zugang zu allen HHLA-Terminals und Dienstleistungen europaweit haben sollen.
Wie genau sich die Investitionen über die Jahre aufschlüsseln sollen, wurde nicht mitgeteilt. Angesichts dessen, dass HHLA-Vorstandschefin Angela Titzrath allein für 2023 ein Investitionsvolumen von bis zu 300 Millionen Euro prognostiziert hat, erscheint die Summe zunächst nicht besonders hoch. Immerhin soll das Geld aber zusätzlich zu den Investitionsplanungen der HHLA in Höhe von 775 Millionen Euro in den Jahren 2025 bis 2028 fließen.
Senat und MSC investieren 450 Millionen Euro in die HHLA
Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD) sprachen deshalb von einem „erheblichen“ Investment. „Gemeinsam mit der weltgrößten Reederei investieren wir massiv in die HHLA – mit fast einer halben Milliarde zusätzlichem Eigenkapital werden wir anstehende Aufgaben angehen, das Unternehmen voranbringen und erhebliche Investitionen in zukunftsfähige Infrastruktur ermöglichen“, sagten sie. „Die Erlöse, die Hamburg erzielen wird, fließen damit unmittelbar in den Hafen. Das stärkt den gesamten Hafenstandort Hamburg.“
Auch Vorstandschefin Titzrath lobte die Zusage weiterer Mittel: „Das gibt uns erhebliche zusätzliche Mittel, um die begonnene erfolgreiche Weiterentwicklung der HHLA zu einem führenden europäischen Logistikunternehmen noch aktiver und schneller voranzutreiben und eröffnet damit signifikante Entwicklungs- und Geschäftschancen – für die HHLA, unsere Stakeholder und für Hamburg.“
Hafen Hamburg: Arbeiter sprechen von Provokation
Der Aufsichtsratsvorsitzende der HHLA, Rüdiger Grube, sagte abschließend: „Der abgeschlossene Vorvertrag adressiert die wesentlichen Interessen aller HHLA-Stakeholder. Mit den hier erreichten Vereinbarungen sichern wir die Zukunftsfähigkeit der HHLA und ihres Geschäftsmodells. Da der Angebotspreis nach entsprechender Prüfung als angemessen bewertet wird, empfiehlt der Aufsichtsrat, wie auch der Vorstand der HHLA die Annahme des Angebots von MSC.“
Zumindest Teile der Hafenarbeiter empfanden das als Provokation. Die zweite Schicht am Burchardkai legte spontan die Arbeit nieder. Die Beschäftigten versammelten sich am Seemansheim Duckdalben. Schon am Freitag hatte der Konzernbetriebsrat der HHLA in seiner Stellungnahme nämlich deutlich gemacht, dass er den MSC-Deal ablehnt. Er bezeichnete die Transaktion als „strategisch fragwürdig“ und warnte vor Gefahren für die HHLA und den Hamburger Hafen.
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Auch die Gewerkschaft Ver.di macht weiter Stimmung gegen das Projekt des Senats. „Wir sind nach wie vor gegen einen Verkauf öffentlichen Eigentums der Stadt Hamburg. Die Risiken der Umsetzung sind vielfältig und die Sorge, dass zukünftige Entscheidungen zulasten der Beschäftigten getroffen werden, hoch“, sagte André Kretschmar, Fachbereichsleiter für die maritime Wirtschaft. Ver.di erwarte, dass die Abgeordneten der Bürgerschaft gegen den Verkauf stimmen. Zudem kündigte die Gewerkschaft weitere Aktionen an: Neben der Kundgebung am kommenden Sonnabend auf dem Rathausmarkt ist auch eine große Demonstration am 22. November geplant.
Die Aktionäre der HHLA haben noch bis zum 20. November um Mitternacht Zeit, das Angebot von MSC anzunehmen. Das Unternehmen besitzt bereits 6,6 Prozent der HHLA-Anteile.