Hamburg. Turbulente Bürgerschaftsdebatte über geplanten Teilverkauf der HHLA. Auch eine Abgeordnete der Regierungsfraktionen ist skeptisch.
Der geplante Einstieg der Reederei MSC im Hamburger Hafen spaltet die Hamburgische Bürgerschaft. Das wurde bei der ersten Debatte zu der vom Senat geplanten Veräußerung deutlich. Während SPD und Grüne trotz der massiven Kritik von Hafenarbeitern mehrheitlich weiter zu der geplanten Transaktion stehen, lehnen CDU, FDP und Linksfraktion diese ab. Die AfD verlangt weitere Aufklärung. Zugleich war die intensiv geführte Diskussion, die immer wieder durch Zwischenfragen unterbrochen wurde, eine Abrechnung mit der Hafenpolitik des Senats.
Jahrelang habe dieser tatenlos dabei zugesehen, wie der Hamburger Hafen im Wettbewerb ins Hintertreffen geriet. „Und jetzt wird in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein Deal mit MSC geschlossen, der mehr Fragen aufwirft, als er Antworten gibt“, sagte der Fraktionsvorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Thering. Er warf dem Senat handwerklich schlechtes Regieren vor. Das Vorgehen erinnere eher an „Dorftheater“ als an einen „Milliarden Deal“.
„Die ganze Stadt hat Fragen, die der Senat bisher nicht beantworten konnte. Wie passt der Deal in die Hafenstrategie des Senats? Hat er überhaupt eine Hafenstrategie? Welche Geheimverhandlungen führt der Senat denn noch in dieser Stadt?“, fragte Thering. Darauf müsse der Senat nun antworten.
Hamburger Hafen: MSC-Deal spaltet Bürgerschaft
Wie berichtet, hat der Hamburger Senat vor knapp zwei Wochen bekannt gegeben, mit der Schweizer Reederei MSC einen Vorvertrag geschlossen zu haben. Das Unternehmen soll 49,9 Prozent des größten Hamburger Hafenkonzerns, der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), erhalten. Im Gegenzug will MSC bis 2031 mehr Ladung nach Hamburg bringen, sodass man auf rund eine Million Standardcontainer kommt. Zudem will das Unternehmen seine Deutschland-Zentrale nach Hamburg verlegen. Die Stadt Hamburg, die derzeit knapp 70 Prozent der HHLA-Anteile hält, will diese auf 50,1 Prozent absenken.
Norbert Hackbusch von der Linksfraktion bezeichnete den geplanten Verkauf als ein „Desaster“. „Wenn der Hamburger Senat nicht mehr weiterweiß, gründet er keinen Arbeitskreis, sondern privatisiert städtisches Eigentum – diese Politik kennen wir seit Jahrzehnten, und sie war immer desaströs.“ Das zeigten die Beispiele des Verkaufs der städtischen Krankenhäuser an Asklepios, von Hein Gas und der HEW. „Mit der Aktion schmeißen Sie sich einem einzigen Reeder an den Hals.“ Bisherige Partner der HHLA wie Hapag-Lloyd und Cosco würden verunsichert. „Das Wichtigste ist, den Hafen für alle Reeder offen zu halten. Und Sie verengen ihn auf einen.“
Auch Hackbusch warf Fragen auf. So spreche der Senat zwar davon, die Mitarbeiterrechte würden gewahrt. Kein Wort habe er aber bisher zu den künftigen Gehältern der Hafenarbeiter gefunden. Mit der weiteren Privatisierung drohe ein Angriff auf die Löhne im Hafen.
MSC erhalte eine Monopolstellung, warnt FDP
Hauptthema der eineinhalbstündigen Diskussion war die Kritik daran, dass der Senat MSC nicht an einem Terminal der HHLA, sondern direkt an der Holding des wichtigen Hafenunternehmens beteiligen wolle. „Sie sagen, Sie haben MSC ins Boot geholt. Es ist ja wohl mehr. Die sitzen am Steuer“, kritisierte die fraktionslose Abgeordnete der FDP, Anna von Treuenfels-Frowein. MSC erhalte eine faktische Monopolstellung unter den Reedereien mit einer starken Hebelwirkung.
Da das Unternehmen in der Schweiz sitze, habe beispielsweise im Falle eines Verkaufs nach China weder Europa noch die Bundesregierung ein Mitspracherecht. „Dieser MSC-Deal ist risikobehaftet und wirkt wie ein Panikverkauf. Jetzt gilt es umso mehr, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.“
Für den Hafenexperten der CDU, Götz Wiese, ist die geplante Transaktion mit MSC eine weitere Form von „Staatskapitalismus“. Sein Pendant der SPD, Hans-Jörg Schmidt, lobte hingegen: „Der geplante Einstieg ist ein starkes Zeichen für die wirtschaftliche Stärke des Hamburger Hafens.“ Krzysztof Walczak von der AfD hält die geplante Teilprivatisierung grundsätzlich nicht für falsch. Er kritisierte aber die geheimen Verhandlungen des Senats und forderte, die genaue Vertragsgestaltung auf den Tisch zu legen.
Senat verspricht bessere Kontrolle der HHLA
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) wies die Kritik zurück. Da die HHLA ein börsennotiertes Unternehmen sei, habe man sich bei solchen Transaktionen an gewisse Vorgaben zu halten, wie der Ausschlag an der Börse gezeigt habe. Bei der Bekanntgabe war der Kurs der HHLA-Aktie von rund elf auf mehr als 17 Euro hochgeschnellt. Am gestrigen Nachmittag kostete das Wertpapier 16,80 Euro.
Auch Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) verteidigte erwartungsgemäß die geplante Transaktion. Insbesondere der Vorwurf, der Senat würde damit die Kontrolle über die HHLA abgeben, sei aus ihrer Sicht nicht richtig. Im Gegenteil: Die bisherige Eigentümerstruktur, wonach knapp 30 Prozent der HHLA-Aktien an der Börse gehandelt werden, habe sich als nicht glücklich erwiesen. „Die 2007 in den Börsengang der HHLA gesetzten Erwartungen haben sich nicht erfüllt.“ Zwar habe der Senat künftig weniger Anteile in der neuen Struktur, aber insgesamt mehr Kontrolle. Leonhard verwies zudem auf einen „riesigen Investitionsbedarf“ der HHLA-Terminals, den sie mithilfe von MSC angehen wolle.
Hamburger Hafen: Nicht alle Grünen stehen zu dem Teilverkauf der HHLA
Nach Ansicht von Dominik Lorenzen, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, wird die Steuerungsfähigkeit der HHLA in der neuen Struktur erhöht. Scharfe Kritik übte Lorenzen an der Rede Therings. Der Fraktionschef der CDU habe minutenlang mehr oder minder intelligente Fragen aneinandergereiht, ohne dass er selbst einen einzigen Vorschlag zur Stützung des Hafens gemacht habe. „Das ist Dorftheater.“
- Leonhard rechnet mit weiteren Protesten gegen MSC/HHLA-Deal
- Hafen Hamburg: HHLA-Betriebsrat plant weitere Aktionen gegen Teilverkauf
- MSC steigt bei HHLA ein: Hapag-Lloyd-Chef über Alternativplan für Hafen Hamburg
Interessant wurde es, als die Grünen-Abgeordnete Filiz Demirel ans Mikrofon trat. Aus ihrem Beitrag wurde nämlich deutlich, dass die Eintracht der Grünen beim MSC-Deal Risse bekommt. „Ich kann die Ängste der Hafenarbeiter verstehen“, sagte die Arbeitsmarktexpertin. Sie stehe dem Deal skeptisch gegenüber, weil eine solche Beteiligung immer Auswirkungen auf die Arbeitsplätze habe.
Das hörten auch einige Hafenarbeiter, die oben auf den Zuschauerrängen Platz genommen hatten. Sie verfolgten die Debatte mit regungslosen Mienen.