Hamburg. Gremiumschef Baranowski befürchtet bei Deal mit Reederei MSC Verlust der innerbetrieblichen Kultur und will den Druck erhöhen

Der Hamburger Senat hat mit seiner Ankündigung, fast die Hälfte des Hafenkonzerns HHLA an die Reederei MSC zu veräußern, im Hafen einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Das Vorhaben, 49,9 Prozent der HHLA-Holding abzugeben, stößt bei vielen Akteuren im Hafen auf Ablehnung, nicht zuletzt bei den HHLA-Beschäftigten selbst.

Laut der Gewerkschaft Ver.di demonstrierten mehr als 2000 Hafenarbeiter am Dienstag in der Hamburger Innenstadt gegen den Senat. Am Tag darauf versuchte Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) in einem Gespräch mit Ver.di und den Spitzen der Arbeitnehmervertreter die Gemüter zu beruhigen. Im Interview mit dem Abendblatt erklärt der KonzernbetriebsratsvorsitzendeChristian Baranowski, ob ihr das gelungen ist, warum die Belegschaft den MSC-Deal weiter ablehnt und wie das weitere Vorgehen aussieht.

Hafen Hamburg: HHLA-Betriebsratsvorsitzender über die Stimmung zum MSC-Deal

Herr Baranowski, Wirtschaftssenatorin Leonhard hat Ihnen vorgestern in einem Gespräch ihre Beweggründe für den Teilverkauf dargelegt. Hat sie Sie überzeugen können?

Christian Baranowski: Nein. Wir bekamen eigentlich keine neuen Informationen. Im Grunde wurden unsere Bedenken gegen das Geschäft sogar verstärkt.

Inwiefern?

Man muss die Auswirkungen eines solchen Teilverkaufs einmal weiterdenken. Wir gehen davon aus, dass MSC weniger an den Hamburger Terminals interessiert ist, als an der Bahntochter der HHLA, Metrans. Über die erhält die Reederei wesentlichen Einfluss auf unsere Hinterlandverkehre. Und unsere Sorge, dass ein Teil unserer derzeitigen Kunden weggehen könnte, hat sie auch nicht zerstreuen können. Sie sagte lediglich, dass auch mit denen gesprochen werde und dass es zu keiner Abwanderung kommt. Schließlich höre ich immer, die Arbeitsplätze seien sicher. Was ich aber noch nicht gehört habe, ist, dass auch die Tarife sicher sind. Das ist für mich ein wesentlicher Punkt.

MSC hat in einer Stellungnahme betont, die Arbeitnehmerrechte blieben gewahrt. Hat Sie das nicht beschwichtigt?

Nein. Was sollen wir mit dieser Aussage anfangen, von welchen Arbeitnehmerrechten redet MSC? Meint sie die Mitbestimmung im Aufsichtsrat? Da gibt es verschiedene gesetzliche Optionen, und es hängt von diversen Faktoren ab, ob es so bleibt oder geschwächt wird. Meint sie die Tarifverträge? Es hat sich in der HHLA über viele Jahre eine Kultur der Mitbestimmung und des Dialogs entwickelt. Wenn jetzt alles nur noch auf die Arbeitnehmerrechte und die Buchstaben des Betriebsverfassungsgesetzes reduziert wird, geht diese innerbetriebliche Kultur verloren. Das wollen wir verhindern.

Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass Reedereien, die heute HHLA-Kunden sind, im Falle des Einstiegs von MSC abwandern?

Die Gefahr sehe ich als groß an. Reedereien haben ihre eigenen Befindlichkeiten. Die Stadt hat auch mit anderen Interessenten gesprochen, bevor sie mit MSC abgeschlossen hat, und sie hat diese vor den Kopf gestoßen. Zudem macht es einen großen Unterschied, ob ich Anteile an einem Terminal abgebe oder gleich an einer ganzen Holding.

Weshalb?

Lassen Sie mich das mit einem Bild beantworten: Ich kann mit nur schwer vorstellen, dass in den Konferenzräumen von Fritz Kola auch Fanta oder Pepsi ausgeschenkt wird. Wir können die Folgen eines solchen Deals also noch gar nicht überblicken.

Einige Mitarbeiter haben in einem offenen Brief Aktionen im Hafen angedroht. Und bei der Demo auf dem Rathausmarkt erschien mir die Stimmung aggressiv. Hatten Sie keine Sorge, dass die Lage eskaliert?

Nein, die hatte ich nicht, die Kollegen hatten sich alle unter Kontrolle. Sie müssen berücksichtigen: Der Unmut ist eben auch sehr groß. Wie soll man sich fühlen, wenn das Herz des Hamburger Hafens verscherbelt wird? Die Kolleginnen und Kollegen sorgen sich nicht nur um ihre Jobs, sondern auch um die Arbeitsbedingungen und nicht zuletzt um die Kultur der HHLA als städtisches Unternehmen, mit ihren wichtigen Aufgaben, die wir nun bedroht sehen.

Automatisierte Lagerkräne verladen auf dem HHLA Burchardkai (CTB) Container auf Lkw. Der CTB muss modernisiert werden, will er mit anderen Häfen mithalten. Der Senat setzt auf die Investitionen von MSC.
Automatisierte Lagerkräne verladen auf dem HHLA Burchardkai (CTB) Container auf Lkw. Der CTB muss modernisiert werden, will er mit anderen Häfen mithalten. Der Senat setzt auf die Investitionen von MSC. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Was planen Sie denn an Aktionen?

Zunächst einmal stand das auf einem unabgestimmten Flugblatt einzelner Kollegen. Aber wir können den Druck erhöhen. Es wird weitere Aktionen geben. 2005 und 2006 haben wir gezeigt, was möglich ist. (Damals plante der CDU-geführte Senat einen Verkauf der HHLA, Anmerkung der Redaktion.)

Sie könnten beispielsweise auf Mehrarbeit verzichten.

Das macht nicht viel Sinn, weil MSC derzeit kein HHLA-Kunde ist. Wir würden damit nur allen anderen schaden. Es gibt aber Gespräche mit Ver.di über andere Maßnahmen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir unter den Kollegen Geld sammeln, um Busse zu bedrucken, die unser Ansinnen zeigen, oder wir drucken Flugblätter, die wir in den U-Bahnhöfen verteilen.

Wie wollen Sie die Bürger auf ihre Seite ziehen?

Wir müssen die Öffentlichkeit darüber aufklären, was es bedeutet, wenn die Stadt 20 Prozent ihrer Anteile abgibt. Damit verzichtet sie nämlich auch auf 20 Prozent ihrer Dividende – die momentan über eine Beteiligungsgesellschaft ganz direkt den Hamburgerinnen und Hamburgern zugutekommen. Wir reden von Geld für Kindergärten, Schulen, die Hochbahn, also für das Gemeinwesen. Das sind langfristige Einnahmen, die fehlen werden. Und wie sieht die Antwort darauf aus? Entweder werden Steuern erhöht oder Leistungen gekürzt. Am Ende verlieren die Bürger, wenn dieser Deal zustande kommt.

SPD und Grüne haben eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses abgelehnt. Für die Regierung ist der Deal durch. Auch für Sie?

Diesen Eindruck kann man durchaus haben. Es ist schon ein starkes Zeichen, wenn der Bürgermeister, der Finanzsenator, die Wirtschaftssenatorin und der MSC-Vorstandschef im Rathaus eine gemeinsame Pressekonferenz abhalten. Wir geben die Hoffnung dennoch nicht auf, dass wir den Ausverkauf der Stadt verhindern können.

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Haben Sie eine Alternative?

Wir sehen selbst, dass die HHLA im Wettbewerbsdruck leidet. Das gilt für die anderen deutschen Hafenunternehmen auch. Es muss aus meiner Sicht eine nationale Hafenstrategie geben. Wir benötigen ein nachhaltiges Konzept, wie ein kooperatives Verhältnis zwischen den deutschen Seehäfen funktionieren kann. Die Konkurrenten in den nordeuropäischen Häfen haben uns das vorgemacht. Ein Deal mit MSC würde das nur erschweren.