Hamburg. Hamburg will MSC an der HHLA beteiligen. Rolf Habben Jansen fühlt sich von der Stadt vor den Kopf gestoßen. Seine Idee: Hamburg Ports.
Freude sieht anders aus, wenn man während des Interviews in Rolf Habben Jansens Gesicht schaut. Der Vorstandsvorsitzende von Hapag-Lloyd ist mehr als irritiert über die Entscheidung der Stadt Hamburg, der Reederei MSC 49,9 Prozent am Terminalbetreiber HHLA zu verkaufen.
Das hat mehrere Gründe: Zum einen wird MSC über diesen Deal direkt ins Geschäft von Hapag-Lloyd eingreifen können. Denn die Terminals, über die Hapag-Lloyd in Hamburg Ladung abwickelt und die mehrheitlich der HHLA gehören, sind bald zu einem großen Teil im Besitz des schweizerischen Konkurrenten.
Doch es gibt noch einen anderen Grund: Habben Jansen hatte eine ganz andere, viel größere Idee für den Hamburger Hafen – der Name des Projekts: Hamburg Ports.
Hamburger Abendblatt: Wann haben Sie von dem Plan des Senats erfahren, dass Ihr Konkurrent MSC mit 49,9 Prozent bei der HHLA einsteigen soll?
Rolf Habben Jansen: Am Mittwochmorgen, kurz vor der offiziellen Pressekonferenz, hat mich Finanzsenator Andreas Dressel angerufen.
Was war Ihr erster Gedanke?
Oh, ich war gerade erst wach geworden (lacht). Ich war schon sehr überrascht, denn ich hatte vorher nichts davon gehört.
Positiv oder negativ überrascht?
Überrascht. Ich verstehe, dass die Stadt versucht, über einen solchen Deal Ladung zu sichern. Den Grundgedanken kann ich nachvollziehen. Die Frage, die ich mir aber stelle, lautet: Muss man es auf diesem Weg tun? Die Stadt hätte, statt Teile der HHLA zu verkaufen, ja auch über eine Beteiligung am Containerterminal Burchardkai reden können. Dann hätte sie andere Partner wie Cosco oder uns nicht vor den Kopf gestoßen. Aber das ist letztlich Sache der Stadt.
Hapag-Lloyd-Chef: Mein alternativer Plan für den Hafen
Sind Sie enttäuscht vom Hamburger Senat? Hätten Sie sich mehr Offenheit in dem ganzen Verfahren gewünscht?
Das ist das Geschäft. Damit muss man leben. Aber ich hätte mir schon einen Fingerzeig gewünscht, dass die Stadt nun an einem anderen Konzept arbeitet. Es ist anders gekommen.
Aus politischen Kreisen heißt es, der nun mit MSC geschlossene Deal wäre auch für Hapag-Lloyd möglich gewesen – zu den gleichen Konditionen …
MSC bekommt eine Minderheitsbeteiligung an der HHLA und sagt im Gegenzug zusätzliche Ladung von rund 400.000 bis 500.000 Containern pro Jahr für Hamburg zu. Hierbei handelt es sich um ein Konzept, das für uns nicht infrage kommt. Wir haben mit der Stadt über eine andere Idee geredet. Wir hätten gerne gemeinsam mit der HHLA ein starkes, maritimes Cluster gebaut. Auf diesem Weg hätte man für den Hamburger Hafen insgesamt vier Millionen Container gesichert, die wir zusammen mit unseren Partnern nach Hamburg gebracht hätten. Und die HHLA wäre der weltweite Nukleus für das Terminalgeschäft von Hapag-Lloyd gewesen. Das ist ein komplett anderes Konzept.
Haben Sie dabei eine Mehrheitsübernahme der HHLA angestrebt?
Das war unser Vorschlag. Darüber haben wir mit der Stadt gesprochen. Wir hatten für den Zusammenschluss sogar schon einen Namen: Hamburg Ports. Über dieses Branding hätte man den Namen Hamburg in die ganze Welt hinausgetragen.
Wann waren die Gespräche genau?
Wir haben über eine längere Zeit mit der Stadt darüber geredet. Die letzten Gespräche waren Anfang des Jahres und sind auch nie offiziell abgebrochen worden. Deshalb war ich über den MSC-Deal jetzt so verwundert.
Hapag-Lloyd-Chef über MSC-Deal irritiert
Wären Sie immer noch bereit, Hamburg Ports zu realisieren?
Wir halten Hamburg Ports weiterhin für eine gute Idee. Nun hat sich die Stadt aber dagegen entschieden, und das ist ihr gutes Recht. Darüber bin ich verwundert, aber nicht böse.
Was bedeutet der MSC-Deal für Ihre Ladungsströme, die bisher nach Hamburg kommen?
Zunächst bleibt alles so wie bisher. Wie es später weitergeht, müssen wir sehen. Wir haben unsere Beteiligung am Containerterminal Altenwerder und werden weiterhin Ladung nach Hamburg bringen. Aber ich kann mir auch ein Szenario vorstellen, bei dem von uns nur noch 70 bis 80 Prozent der bisherigen Ladung nach Hamburg gebracht wird. Wir schaffen pro Jahr 2,1 Millionen Container hierher. Im ersten Halbjahr hatten wir ein Allzeithoch mit 26 Prozent an der Gesamtladung im Hamburger Hafen – dazu kommt noch Ladung unserer Partner. Ob das so bleibt? Wir werden sehen.
Das klingt nach einer Drohung …
Nein, das ist nur eine Feststellung. Nun sollten aber zunächst alle Beteiligten ruhig bleiben. Wir schauen uns das Übernahmeangebot von MSC, sobald es schriftlich vorliegt, genau an, und überlegen dann, welche Konsequenzen es für uns hat. Danach entscheiden wir über die nächsten Schritte. Beschließt die HHLA mit dem neuen Minderheitseigner MSC, dass wir zu den gleichen Bedingungen wie bisher unsere Ladung nach Altenwerder bringen können, so ist das eine andere Ausgangslage, als wenn die HHLA die Preise für uns erhöhen sollte. Fest steht: Wir haben unsere eigenen Interessen, und die werden wir auch vertreten.
Sie halten 25,1 Prozent am Containerterminal Altenwerder. Wird der MSC-Deal darauf Auswirkungen haben?
Das glaube ich nicht. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass die Verträge, die die HHLA mit Cosco und mit uns hat, unverändert bleiben. Am Ende dürfte das auch im Interesse von MSC sein, denn die Umschlagskapazitäten der HHLA sind so groß, dass MSC sie alleine nicht ausfüllen kann. Sie brauchen auch andere Reedereien. Im Moment ist die Unsicherheit aber groß.
Hapag-Lloyd-Chef redete auch mit der Stadt
Ist sie auch deshalb so groß, weil MSC in der Branche nicht den besten Ruf hat?
Ich kann nichts Schlechtes sagen. Wir arbeiten gut mit MSC zusammen, etwa in Kanada und auf Routen zwischen Asien und Lateinamerika. Da sind sie einer unserer wichtigsten Partner.
Haben Sie Verständnis dafür, dass die Stadt keine Mehrheitsbeteiligung an der HHLA abgeben wollte?
Grundsätzlich sind Mehrheitsbeteiligungen nichts Ungewöhnliches. Wir haben auch Mehrheitsbeteiligungen an Terminals, die von anderen Reedereien angelaufen werden, und wir sind auch Kunden von Häfen, die mehrheitlich in der Hand anderer Reedereien sind.
Experten sagen, dass MSC seine Beteiligung zu einem Schnäppchenpreis erhält, weil Terminalbeteiligungen in der Regel teurer sind. Hätten Sie denn mehr Geld eingebracht, wenn der Deal mit Ihnen zustande gekommen wäre?
Ich kann den Wert der HHLA momentan nicht beurteilen. Es ist aber richtig, dass nicht allein die Börsenkapitalisierung ausschlaggebend ist.
Wenn MSC jetzt nicht nur an einem Terminal, sondern direkt an der HHLA-Holding beteiligt wird, kann sich das Unternehmen möglicherweise genauer die Kundendaten der Konkurrenten anschauen. Haben Sie keine Sorge, dass die Reederei das zu ihrem Vorteil nutzt?
Das sollte nicht passieren. Ich gehe davon aus, dass sich die Stadt rechtlich abgesichert hat, dass Datenmissbrauch ausgeschlossen wird.
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Nun überlegen Herr Kühne und Herr Eckelmann, Gegenangebote zu unterbreiten. Erwägen Sie auch ein Gegenangebot?
Nein, das ist nicht in unserem Interesse. Das Konzept, das wir damals diskutiert hatten, sah etwas völlig anderes vor, und der Deal mit MSC ist aus meiner Sicht durch. Es wäre nicht zielführend, da jetzt ein Gegenangebot zu machen. Die Stadt hat als Mehrheitsaktionärin ihre Entscheidung getroffen. Ob das auf Dauer im Interesse von Hamburg ist, darüber kann man geteilter Meinung sein. Ich hätte die Entscheidung nicht so getroffen, aber das spielt keine Rolle.
Was ist denn das Risiko?
Ich kann nicht für andere Reedereien sprechen. Aber alle HHLA-Kunden werden jetzt überlegen, wie sie mit der Situation umgehen. Ich glaube nicht, dass viele von ihnen bereit sein werden, jetzt mehr Ladung nach Hamburg zu bringen. Auch aus Sicht von Hapag-Lloyd gibt es gewisse Volumina, die man genauso gut oder besser über Wilhelmshaven oder Bremerhaven abwickeln könnte.
Es hat Gespräche zwischen Ihnen und Herrn Eckelmann gegeben. Planen Sie, Ladung von der HHLA an Eurogate zu übertragen?
Wir sprechen regelmäßig mit Herrn Eckelmann. Wir betreiben zusammen Terminals in Wilhelmshaven, in Damietta und Tanger. Da ist es doch logisch, dass man sich austauscht. Das bedeutet doch nicht gleich, dass man Ladung in Hamburg verlagert. Wir bleiben jetzt ruhig, werden die Verträge studieren, die Situation analysieren und dann für uns unsere Schlüsse ziehen.
Hapag-Lloyd bündelt jetzt seine Terminalbeteiligungen in einem neuen Tochterunternehmen, das in Rotterdam und nicht in Hamburg aufgebaut wird. Hat das etwas mit der Entscheidung der Stadt zu tun?
Sagen wir so: Wäre es zu Hamburg Ports gekommen, wäre die Entscheidung vielleicht anders ausgefallen.