Hamburg. Immer mehr Händler in Hamburg setzen auf Selbstbedienungskassen. Was dahintersteckt und wie die Kundschaft reagiert.

Auf den ersten Blick ist es ein Budni wie alle anderen. In langen Regalreihen gibt es das komplette Angebot mit Seifen und Cremes, Shampoos und Zahnpasta, Putzmitteln und einer Auswahl an Lebensmitteln. Am Ausgang müssen sich die Kunden der Hamburger Drogeriemarktkette im Alstertal-Einkaufszentrum jetzt allerdings umgewöhnen. Dort wurden in dieser Woche drei Selbstbedienungskassen installiert, an denen sie ihre Waren künftig selbst scannen und bezahlen können. Dafür ist eine der bislang fünf klassischen Kasseneinheiten mit Band und Kassiererin verschwunden.

Das Traditionsunternehmen setzt verstärkt auf digitale Technologien. In Winterhude, in Altona oder in der Innenstadt – insgesamt in 35 Budni-Märkten in Hamburg sowie an den Berliner Standorten – gibt es inzwischen sogenannte Self-Checkout-Kassen. Weitere sollen folgen. „Es schafft mehr Möglichkeiten für die Kunden, den Zahlvorgang schnell zu absolvieren. Gerade wenn es voll ist“, erklärt Geschäftsführer Christoph Wöhlke die Entwicklung auf Abendblatt-Anfrage. Sprich: Bevor sie lange in der Warteschlange vor der Kasse stehen, sollen Budni-Kunden sich lieber selbst abkassieren.

Einzelhandel Hamburg: So funktioniert die Selbstbedienungskasse

Und das geht so: Mit einem Fingertipp auf den Monitor des Selbstbedienungsterminals wird der Bezahlvorgang gestartet. Dann scannt man einzeln den QR-Code jedes Produktes ein und schließt das Geschäft am Ende per Kartenzahlung ab. Auch die beliebte Budni-Karte kann dort eingelesen werden. Um den Kassenbereich zu verlassen, muss an einer Schranke der Barcode des Kassenbons ähnlich wie am Flughafen eingelesen werden. Eine zusätzliche Sicherung, um Diebstählen vorzubeugen.

Eine Selbst-Scannerkasse in der Budni-Filiale an der Hamburger Gertigstraße
Eine Selbst-Scannerkasse in der Budni-Filiale an der Hamburger Gertigstraße © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Selbstbedienungskassen, smarte Einkaufswagen, QR-Codes und unterschiedliche Scan&Go-Apps für mobiles Bezahlen – das ist aus Sicht von Experten die Zukunft des Einkaufens. Spätestens seit der Corona-Pandemie findet das bargeldlose Zahlen auch in Deutschland immer mehr Akzeptanz. Und vom Lebensmittel- und Drogeriewarenhandel über Baumärkte und Sportläden werden Kunden und Kundinnen in immer mehr Geschäften selbst zu Kassierern. Im August hat die Buchhandelskette Thalia die ersten SB-Kassenterminals installiert. Bis 2024 sollen alle Filialen ausgestattet sein.

Einzelhandel: Handelsexpertin sieht großen Wandel beim Bezahlen

„Da ist ein großer Wandel im Gange“, sagt Brigitte Nolte, Hamburger Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord. In den vergangenen Jahren hat sich die Technik massiv weiterentwickelt. Auf der anderen Seite steht der stationäre Einzelhandel unter Druck, weil zunehmend Fachkräfte fehlen. „Bislang war die Technologie der teure Faktor, jetzt ist es das Personal“, so die Handelsexpertin.

Zu den Pionieren in Deutschland gehört die schwedische Einrichtungskette Ikea, die schon seit 2008 neben konventionellen Kassen auch sogenannte Express-Kassen anbietet. „Mit dieser Entscheidung konnten wir die Wartezeiten an unseren Kassen nicht nur deutlich verkürzen, sondern auch einen verbesserten Service anbieten“, sagt eine Unternehmenssprecherin. „Die frei gewordenen Mitarbeiterkapazitäten setzen wir im Verkauf und in der Beratung ein.“ Bundesweit wurde inzwischen die Hälfte der herkömmlichen Kassen durch Selbstbedienungskassen ersetzt. In den drei Einrichtungshäusern in Hamburg (Schnelsen, Moorfleet und Altona) gibt insgesamt 80 Kassenterminals.

Hamburger Edeka-Händler findet keine Beschäftigten für die Kasse

Auch Edeka-Kaufmann Jörg Meyer gehört zu denen, die den Trend schon länger erkannt haben. Insgesamt hat er in den zehn Supermärkten des Familienunternehmens in Hamburg und Umgebung schon Millionen investiert und 100 Selbstbedienungskassen einbauen lassen. In der Rindermarkthalle auf St. Pauli gibt es 22 Stationen mit Self-Checkout, in seinem Wandsbeker Markt sind es 16. In List auf Sylt, wo Meyer mit einem Partner einen Supermarkt betreibt, ließ er im vergangenen November acht Selbstbedienungskassen installieren. Dafür wurden die klassischen Bedienkassen von fünf auf eine reduziert. „Wir haben keine andere Chance“, sagt der Händler. „Vor allem für den Kassenbereich finden wir keine Beschäftigten.“

Ebenfalls schon länger in dem Bereich unterwegs ist die Supermarktkette Rewe. Nachdem die Terminals in der Anfangsphase vor einigen Jahren weniger als erwartet angenommen und teilweise sogar wieder abgebaut worden waren, steigt jetzt die Zahl der Selbstbedienungskassen in den Märkten. In Hamburg gibt es die Option nach Angaben eines Firmensprechers aktuell an 17 Standorten, teilweise auch mit Barzahlung. „Die Installation erfolgt strikt standort-spezifisch, wo sie Sinn macht.“

Im Rewe-Markt in Barmbek wird jeder zweite Einkauf an der SB-Kasse bezahlt

Spitzenreiter bei der Nutzung in der Hansestadt ist demnach ein Rewe-Markt in Barmbek, in dem im Schnitt jeder Zweite seinen Einkauf an der SB-Kasse bezahlt. Dabei sei nicht geplant, die klassischen Kassen komplett abzuschaffen, so der Sprecher. Auch die Befürchtung von Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern, dass die Einführung der neuen Technologie Arbeitsplätze kosten könnte, weist er zurück. „Im Gegenteil: Unser Bedarf nach Personal für unsere Märkte steigt jährlich, während es immer weniger Bewerbungen auf die Stellen im Verkauf gibt.“

Genau das ist der Grund, warum die Kunden auch beim Hamburger Edeka-Händler Niemerszein vom nächsten Jahr an die Wahl beim Bezahlen haben sollen. Bislang gibt es in dem Unternehmen mit neun Supermärkten noch keine Selbstbedienungskassen. „Aber es wird immer schwieriger, junge Menschen zu finden, die sich ein Leben an der Kasse vorstellen können“, sagt Geschäftsführer Frank Ebrecht. Aktuell liefen Planungen für die Einführung von SB-Kassenterminals. „Vorstellbar ist das in unseren Märkten in St. Georg und in Hammerbrook.“

Ebrecht sieht das Angebot als Dienstleistung für den Kunden. „Viele schätzen die Auswahl.“ Allerdings, gibt er zu bedenken, hätten Studien ergeben, dass Kassiererinnen gerade bei größeren Einkäufen mindestens doppelt so schnell kassierten wie Kunden. „Dazu kommt noch, dass es schöner und persönlicher ist, wenn an der Kasse ein Mensch sitzt“, so der Niemerszein-Geschäftsführer.

Budni-Markt in Ottensen: Warteschlangen an den Kassen

Das sehen offenbar immer noch viele so. In der Budni-Filiale im Mercado in Ottensen, wo Mitte Juli drei Selbstbedienungskassen neu installiert wurden, bildeten sich bei einer Abendblatt-Stichprobe an einem Sonnabendnachmittag lange Schlangen an den beiden besetzten Kassen, während an den SB-Terminals Leere herrschte. Kunden berichten von ähnlichen Erlebnissen an anderen Tagen.

Offenbar ist noch reichlich Luft nach oben. „Grundsätzlich“, sagt die stellvertretende Filialleiterin Sherin Zengerling, „läuft es gut.“ Die Kassenschlangen seien weniger lang, die Beschäftigten hätten mehr Zeit für Kundenservice und Gespräche. Nur ganz selten seien Fragen von Kunden zur Bedienung der Geräte gekommen. Und was ist, wenn es doch mal hakt? „Gerade in der Anfangsphase gibt es Unterstützung von Mitarbeitern“, verspricht Budni-Chef Christoph Wöhlke. „Danach immer, wenn Kunden Hilfe brauchen.“ Zudem gebe es ja immer auch eine Kasse mit Bedienung.