Hamburg/Kaltenkirchen. Windeleinlagen aus Hamburg helfen gegen wunde Babypos. Wer sich jetzt besonders über den verlorenen Deal ärgert.
Wenn man Geburtstag hat, darf man sich was wünschen. Kaum war das Ständchen verklungen, das die „Löwen“ spontan – und etwas schief – für Gründer Patrick Vock zum 40. angestimmt hatten, wurden in der TV-Gründershow „Die Höhle der Löwen“ („DHDL“) Fakten geschaffen. Der Hamburger und seine Frau Kristina machten ihren Deal für Millis Zaubertücher klar. Einer freute sich, vier gingen leer aus.
Ein Moment, wie es ihn bei den quotenträchtigen Investoren-Wettstreit nur ganz selten gibt. Alle fünf „Löwen“ hatten ein Angebot für die Tücher gegen wunde Windel-Babypos abgegeben – und mit harten Bandagen darum gekämpft. „Nils Glagau war unser Wunsch-Löwe“, sagen die Gründer beim Abendblatt-Termin kurz vor Ausstrahlung der Sendung am Montag bei Vox. Trotzdem war die Wahl dann plötzlich alles andere als leicht. „Dass alle mit uns einen Deal machen wollten, hat uns erst mal aus der Bahn geworfen“, erinnert sich Kristina Vock an die nervenaufreibenden Minuten vor der Entscheidung.
Höhle der Löwen: Millis Zaubertücher in 3000 Drogeriemärkten
Inzwischen ist das Unternehmerpaar sicher, dass es mit dem Chef des Nahrungsergänzungsherstellers Orthomol in der richtigen Richtung unterwegs ist. „Es läuft gut. Wir bekommen viel Unterstützung, aber können weiterhin mit Herzblut unser Ding machen.“ Von diesem Dienstag an gibt es Millis Zaubertücher bundesweit in fast 3000 Drogeriemärkten, unter anderem bei Budni, Rossmann und Müller. Mitte September startet auch dm den Verkauf der hauchdünnen Einlagen gegen Windeldermatitis.
Rückblick: Kristina und Patrick Vock sind seit September 2019 Eltern. Von Anfang an litt ihre Tochter Mia Emilia unter Windeldermatitis. „Es gab viele Krokodilstränen, weil sie ständig einen wunden Po hatte“, erinnert sich die Mutter der heute knapp Vierjährigen. „Wir haben alles ausprobiert. Cremes, Puder, die Tipps von Oma mit Hausmitteln wie Schwarztee, Heilwolle und Quark. Nichts hat langfristig geholfen.“ Schließlich fingen sie an, selbst zu experimentieren.
„Zaubertücher“ wiegen nur 0,33 Gramm
„Wir haben von Anfang an gedacht, es muss doch was Zeitgemäßes geben, etwas das schmerzfrei und unkompliziert zu handhaben ist“, sagt Patrick Vock, der lange als Produktentwickler im Medizinbereich bei großen Unternehmen gearbeitet hat. Herausgekommen ist ein hauchdünnes Vlies aus einer Hydrofaser, das Wirkstoffe wie Mandelöl und Aloe vera enthält. Neu ist die Verwendung des körpereigenen Co-Enzyms Ubichinon-10, auch als Q10 bekannt, das in der Kosmetikindustrie in Cremes gegen Hautalterung eingesetzt wird.
In diesem Fall sorgt der Mix nach Angaben der Erfinder dafür, dass die Haut geschützt, mit ausreichend Feuchtigkeit versorgt und die Wundheilung innerhalb von kurzer Zeit unterstützt wird. Die Anwendung ist einfach. Das „Zaubertuch“, mit einem Gewicht von 0,33 Gramm federleicht, wird auf den gereinigten Intimbereich des Baby gelegt und anschließend die frische Einweg- oder Stoffwindel verschlossen. „Unser Anspruch war, den Komfort einer Windel nicht zu verschlechtern“, sagt Patrick Vock. Der Clou: Die Wirkstoffe sind in kleinen Kapseln in dem Tuch eingebettet, die nach und nach beim Tragen durch Wärme und Reibung aufplatzen und anfangen zu wirken.
Viele Baby leiden unter Windeldermatitis
Nachdem sie in den ersten Tests mit Töchterchen Mia feststellten, dass die Windeleinlagen funktionierten und die Kleine nicht anfing zu weinen, wenn sie nur auf den Wickeltisch gelegt wurde, wurde aus der innovativen Entwicklung eine Geschäftsidee. Das war Ende 2020. „65 Prozent aller Kinder leiden unter Windeldermatitis“, sagt Kristina Vock, die vor der Geburt im Sport- und Gesundheitsmanagement gearbeitet hat.
Das Paar, das in Poppenbüttel wohnt, gründete die Firma Skincura, bei der die beiden gleichberechtigt Partner sind. „Ich bin der verrückte Entwickler, meine Frau bringt die Strukturen rein“, sagt Patrick Vock. Das Unternehmerpaar mietete ein Lager im schleswig-holsteinischen Kaltenkirchen und ließ mehrere Studien machen, um Anwendung und Hautverträglichkeit zu testen. Mit gutem bis sehr gutem Ergebnis. Inzwischen haben sich die Vocks ihr Verfahren patentieren lassen. Seit Ende vergangenen Jahres sind Millis Zaubertücher auf dem Markt. Der Markenname leitet sich vom Vornamen ihrer Tochter ab. Es gibt inzwischen auch ein kleines Buch, das die Geschichte von der „Zauberkraft“ der Tücher kindgerecht erzählt.
„Höhle der Löwen“-Dreh am 40. Geburtstag
Schon im Herbst 2022 hatten sich die Start-up-Unternehmer bei der TV-Gründershow „Die Höhle der Löwen“ beworben. Nachdem sie zunächst monatelang nichts hörten, ging es im April ganz schnell. Termin im Studio war am 13. April – dem 40. Geburtstag von Patrick Vock. „Wir haben gedacht, wenn es nicht klappt mit einem Deal, können wir trotzdem feiern. Und wenn es klappt, haben wir doppelten Grund“, sagt Kristina Vock.
In ihrem Retro-Bulli, mit Tochter und Oma sind sie die 500 Kilometer nach Köln gefahren. „Ich war unglaublich aufgeregt. So wie nur bei unserer Hochzeit und bei Mias Geburt“, erinnert sich Patrick Vock, der im fliederfarbenen Jackett passend zum Kleid seiner Frau auftrat. Ihr Angebot: 80.000 Euro für 20 Prozent der Firmenanteile.
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Zu dem Zeitpunkt hatten die Vocks etwa 6500 Packungen von Millis Zaubertüchern verkauft, in Apotheken, einigen Edeka-Märkten in Hamburg und Umgebung sowie über den Onlineshop. Ein Paket mit 25 Windeleinlagen kostet 4,99 Euro, macht pro Stück knapp 20 Cent. Laut ihrem ambitionierten Businessplan wollen die Start-up-Unternehmer, die beide ihre Jobs gekündigt haben und in Vollzeit im eigenen Unternehmen arbeiten, in diesem Jahr 1,4 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften und 200.000 Euro Gewinn machen. Im nächsten Jahr ist eine Verdopplung geplant, und 2025 mit Eintritt in den europäischen Markt streben sie 8,6 Millionen Euro Umsatz und 1,4 Millionen Euro Gewinn an.
Ralf Dümmel reagiert säuerlich, Tillman Schulz wird laut
Danach war es plötzlich ganz still im Studio. Ralf Dümmel, Dagmar Wöhrl, Tillman Schulz, Nils Glagau und Neuzugang Tijen Onaran – niemand sagte etwas. „Da habe ich gedacht, das war es jetzt“, sagt Kristina Vock. Und die Spannung stieg noch. „Was hier passiert, sollte euch nicht verunsichern. Im Gegenteil“, sagte Nils Glagau. Und tatsächlich: Millis Zaubertücher sorgten für umgekehrte Verhältnisse. Als Erster wollte Handelsprofi Ralf Dümmel sich den Deal sichern, dann kamen alle anderen hinterher. „Ihr habt ein richtig, richtig gutes Produkt auf den Markt gebracht“, erklärte als letzter Gesundheitsunternehmer Glagau, der mit seinem Netzwerk vor allem die 19.000 Apotheken in Deutschland als Vertriebskanal im Blick hat. „Ich würde viel, viel besser zu euch passen.“
Bis er sich gegen die geballte Löwen-Power durchsetzte, dauerte es aber noch einige nervenzehrende Minuten und ein Zwiegespräch, das das Gründerpaar in der Kulisse führte. Höhle-der-Löwen-Dauerinvestor Ralf Dümmel fand das gar nicht gut. Sichtlich nervös, und nach der Entscheidung ziemlich säuerlich hatte er Mühe, seine Enttäuschung zu verarbeiten. Tillman Schulz entfuhr sogar das F-Wort, als er sich laut über den entgangenen Deal ärgerte. Tränen gab es dann auch noch. Aber vor Freude und Erleichterung. „Es ist ein schöner Geburtstagstraum“, sagte Patrick Vock mit belegter Stimme.
„Höhle der Löwen“: So geht es mit Millis Zaubertüchern weiter
Seitdem ist viel passiert. Es gab mehrere Treffen mit Investor Glagau und dem Team seiner Beteiligungsfirma Rock B(r)and. 250.000 Packungen von Millis Zaubertüchern wurden produziert. „Wir wissen, Millis Zaubertücher können helfen“, sagt Patrick Vock. Weitere Produkte rund um Babypflege sind schon in der Planung.