Hamburg. Grüne: „Hafen ist kein Selbstbedienungsladen für Milliardäre“. SPD ebenfalls dagegen. Aber es gibt auch Zustimmung aus der Politik
Ein Thema beherrscht seit Dienstag die politische Diskussion in der Hansestadt: der spektakuläre Vorschlag des Milliardärs und Logistikunternehmers, Klaus Michael Kühne, zum Kauf der Hamburger Hafen und Logistik AG. Im Abendblatt-Gespräch hat der Investor angeboten, die Mehrheit an Hamburgs größtem Hafenunternehmen zu übernehmen. Damit wolle er der Stadt helfen, den kriselnden Hafen wieder voranzubringen, sagt er und fügt hinzu: „Ich überlege mir, ein offizielles Übernahmeangebot für die HHLA-Aktienmehrheit zu machen.“
Damit hat Kühne eine Debatte über die Zukunft der HHLA entzündet. Nachdem eine Fusion mit dem Konkurrenten Eurogate vorerst gescheitert ist, versucht sich das Unternehmen mit kleineren Zukäufen im Ausland und der Beteiligung der chinesischen Reederei Cosco an einem seiner Terminals über Wasser zu halten. Allerdings verliert der Hafen kontinuierlich Ladungsvolumina und damit an Boden im europäischen Hafenwettbewerb. Die Aktie, die nach dem Börsengang 2007 zeitweise mehr als 60 Euro kostete, bewegt sich seit Mitte August nur noch zwischen zehn und elf Euro.
FDP unterstützt Milliardärs-Pläne zur Übernahme der HHLA
Über diese von Kühne angesprochene Krise der HHLA besteht parteiübergreifend Konsens, wie sogar der Sprecher für öffentliche Unternehmen der SPD-Fraktion, Markus Schreiber, einräumt: „Herr Kühne hat in einem Punkt recht: Die wirtschaftlichen Kennzahlen der HHLA sind aktuell nicht zufriedenstellend“, sagte er am Mittwoch. Verantwortlich dafür ist in seinen Augen aber die Krise der deutschen Wirtschaft und die Schwäche des Welthandels.
Ganz anders bewertet der in der Schweiz lebende Unternehmer Kühne die Situation: „Ich mache mir ernsthafte Sorgen um den Hafen: Er ist schlecht strukturiert, schlecht gemanagt und kann mit der Konkurrenz in einigen anderen Seehäfen nicht mithalten“, hatte der 86-Jährige dem Abendblatt gesagt. Er fordert eine schnellere Modernisierung des Umschlags, eine engere Bindung der Reedereien an die Terminals und plädiert sogar für eine Beteiligung des Hamburger Hafens am Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven.
Hamburger CDU: „Der Hafen blutet aus“
Ein Teil der Politik wertet diesen Vorstoß als Affront, ein anderer als überlegenswerten Vorschlag. Vor allem die Analyse des in der Schweiz lebenden Unternehmers, der bereits größter Anteilseigner der Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd ist und 15 Prozent am Lufthansa-Konzern hält, trifft auf breite Zustimmung: „Reedereien verlieren die Lust, Hamburg anzulaufen, der Hafen blutet aus“, sagte der Hafenexperte der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Götz Wiese. Dass Kühne dennoch einsteigen wolle, bedeute im Umkehrschluss: „Hamburgs Hafen ist im Grunde attraktiv, aber die Stadt schafft es nicht, die großen Reedereien an Hamburg zu binden.“
Die FDP begrüßte Kühnes Vorstoß sogar: Der Milliardär habe recht, der Hafen stecke in einer Krise, sagte die Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. „Der Senat sollte ernsthaft die Chance ergreifen und über denkbare Rahmenbedingungen für einen HHLA-Einstieg mit Herrn Kühne sprechen, statt sich zu verweigern.“
AfD für HHLA-Minderheitsbeteiligung von Kühne
Auch die AfD könnte sich einen Einstieg Kühnes bei der HHLA vorstellen, allerdings nicht als größter Anteilseigner: „Wir als AfD-Fraktion begrüßen ausdrücklich Kühnes Vorstoß, wenn es um eine größere Minderheitsbeteiligung an der HHLA geht. Einer Mehrheitsbeteiligung stehen wir allerdings skeptisch gegenüber, weil eine vollständige Privatisierung des Hafens ein zu radikaler Einschnitt wäre,“ erklärte der parlamentarische Geschäftsführer Krzysztof Walczak. 69 Prozent der HHLA gehören derzeit der Stadt Hamburg. Und das hält Kühne für falsch. Es sei ein Fehler gewesen, die HHLA nur zu einem kleinen Teil zu privatisieren, der Hafen verkümmere dadurch.
„Herr Kühne spricht aus, was in Hamburg fast alle wissen – nur der Senat nicht: Der Hamburger Hafen ist in einer Krise“, sagte hingegen der Hafenexperte der Linksfraktion, Norbert Hackbusch. „Die Umschlagzahlen werden nicht wachsen, sondern der Hafen muss sich strukturell umorientieren: Eine Kooperation zwischen den Terminalbetreibern ist notwendig.“ Eine Übertragung von Anteilen an Kühne lehnt er aber ab: „Kühne baut einen weltweit umspannenden Logistikkonzern auf – man müsste schon ganz besonders naiv sein, wenn man ihm glaubt, dass es bei seinem Angebot nicht um Rendite geht, sondern darum, der Stadt zu helfen.“
HHLA: „Uns liegt kein Angebot von Kühne vor“
Deutlich gegen Kühne argumentierte auch die hafenpolitische Sprecherin der Grünen, Miriam Putz: „Hamburg ist kein Selbstbedienungsladen für in der Schweiz ansässige Milliardäre. Die vielen Ideen von Herrn Kühne für unsere Stadt nehmen wir daher zwar zur Kenntnis, können mit Blick auf die HHLA aber auch klar sagen: Sie ist bei der Stadt in sehr guten Händen.“
Die HHLA hält sich aus den Spekulationen raus: „Dem Vorstand der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) liegt kein Angebot von Klaus-Michael Kühne vor“, heißt es aus dem Unternehmen kurz und knapp.
HHLA-Vorstandschefin muss um Vertragsverlängerung bangen
Zweimal will Kühne eigenen Angaben zufolge Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) seine Vorschläge unterbreitet haben. Beide Male sei er abgeblitzt. „Wir können bestätigen, dass der Senat nicht beabsichtigt, die Mehrheit der HHLA an Investoren zur Verfolgung privater Geschäftsinteressen zu verkaufen“, hieß es dazu aus dem Bürgermeisterbüro. Im Übrigen sehe der Senat davon ab, die politischen Einschätzungen von Herrn Kühne zu kommentieren.
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Ungeachtet dieser Äußerung trifft sein Vorstoß beim Senat einen wunden Punkt: Im Oktober steht die Frage an, ob der Vertrag mit der Vorstandsvorsitzenden der HHLA, Angela Titzrath, verlängert werden soll. Und dazu gibt es im Senat sehr unterschiedliche Ansichten.