Hamburg. Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne schlägt Alarm: Dem Hafen droht der Abstieg. Deshalb schlägt er einen Zusammenschluss vor.

Paukenschlag im Hamburger Hafen: Der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne hat angeboten, die kriselnde HHLA zu übernehmen. Der Hafenlogistikkonzern, der zu rund 69 Prozent im Besitz der Stadt ist, leidet unter der Verschiebung der Warenströme und dem Ukraine-Krieg. Die Aktie, die beim Börsengang im Jahr 2007 zu 53 Euro verkauft wurde, dümpelt heute nur noch bei gut 10 Euro.

„Ich mache mir ernsthafte Sorgen um den Hafen“, sagte der Milliardär und Mäzen im großen Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt. „Er ist schlecht strukturiert, schlecht gemanagt und kann mit der Konkurrenz in einigen Seehäfen nicht mithalten; es geschieht zu wenig, um leistungsfähiger zu werden.“

Hafen Hamburg: Klaus-Michael Kühne macht spektakuläres Angebot für die HHLA

Deshalb habe er dem Senat schon zweimal den Vorschlag gemacht, eine Mehrheitsbeteiligung an der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) zu erwerben. Bislang ohne Erfolg. „Das Thema ist für mich unverändert aktuell. Ich überlege mir, ein offizielles Übernahmeangebot für die HHLA-Aktienmehrheit zu machen.“

Auch Hapag-Lloyd käme als potenzieller Käufer infrage, sagte der Wahlschweizer und „Herzenshamburger“. Mit seiner Kühne Holding besitzt der 86-Jährige mehrere Logistik-Beteiligungen, darunter die Kühne+Nagel AG, 30 Prozent der Reederei Hapag-Lloyd sowie 15 Prozent an der Deutschen Lufthansa.

Klaus-Michael Kühne: Rekorddividenden in Hamburg machen Angebot möglich

„Dank der Rekorddividenden, die im vergangenen Jahr gezahlt wurden, würden wir gern eine größere Investition tätigen. Dafür würde ein Hafenterminal sehr gut passen.“, sagte Kühne. Ihm gehe es dabei nicht um Rendite, sondern darum, der Stadt zu helfen und ein nationales Hafenkonzept voranzubringen.

Kühne hatte 2021 angeboten, sich bei der damals diskutierten Fusion von HHLA und Eurogate finanziell einzubringen und den Zusammenschluss der Seehäfen zu befördern. Der Vorstoß blieb ohne Erfolg.

„Wir müssen den Hamburger Hafen erheblich umstrukturieren“

„Wir müssen den Hamburger Hafen erheblich umstrukturieren“, sagte Kühne. „Man könnte die großen Reedereien stärker an Hamburg binden, wenn man ihnen Terminalbeteiligungen einräumen würde. Aber die Politik scheut vor spürbaren Änderungen zurück.“

Die Welt habe sich radikal verändert. „An einem Tiefwasserhafen wie in Wilhelmshaven führt kein Weg mehr vorbei, weil die Schiffe immer größer werden. “ Kühne rät Hamburg, sich dort zu engagieren. „Die deutschen Häfen haben nur dann eine Perspektive, wenn sie gemeinsam agieren.“

Hamburger Abendblatt: Distanz schärft oft den Blick. Sie schauen aus der Schweiz auf Ihre Heimat. Geht es Ihnen wie Heinrich Heine, der dichtete: Denke ich an Deutschland in der Nacht, so bin ich um den Schlaf gebracht.

Klaus-Michael Kühne (lacht): Schlaflose Nächte habe ich mir abgewöhnt. Aber es stimmt mich traurig, wie in Hamburg die Dinge stehen und sich entwickeln. Ich liebe diese Stadt, sie hat sehr viele schöne Seiten. Auch für mich persönlich: Mein Kulturengagement ist erfreulich, mein Hotel läuft immer besser, und mein Unternehmen ist auch sehr stabil. Ich könnte also zufrieden sein. Aber wenn ich auf den Hafen, auf die Stadt, auf die politische Entwicklung schaue, finde ich es alles andere als lustig.

Klaus-Michael Kühne macht sich ernsthafte Sorgen um den Hafen

Was ärgert Sie denn?

Ich mache mir ernsthafte Sorgen um den Hafen: Er ist schlecht strukturiert, schlecht gemanagt und kann mit der Konkurrenz in einigen anderen Seehäfen nicht mithalten. Es geschieht zu wenig, um leistungsfähiger zu werden. Deshalb habe ich dem Senat schon zweimal den Vorschlag gemacht, eine Mehrheitsbeteiligung an der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) zu erwerben.

Sie wären bereit, die städtische Mehrheit am Hafenlogistik-Konzern zu übernehmen?

Mit meiner Holding habe ich mehrere substanzielle Logistik-Beteiligungen, an Hapag-Lloyd, an der Deutschen Lufthansa und natürlich mehrheitlich an der Kühne+Nagel-Gruppe. Dazu kommen Immobilien. Dank der Rekorddividenden, die im vergangenen Jahr gezahlt wurden, würden wir gern eine größere Investition tätigen. Dafür würde ein Hafenterminal sehr gut passen.

Die HHLA ist so niedrig bewertet wie nie zuvor. Der Börsenwert lag einst bei 4,5 Milliarden Euro, heute nur noch bei 750 Millionen Euro.

Das kommt hinzu. Aber die Stadt will ihre HHLA-Anteile partout nicht verkaufen. Dabei geht es mir nicht um Rendite, sondern darum, der Stadt zu helfen und ein nationales Hafenkonzept voranzubringen.

Der Logistik-Unternehmer zweifelt am Plan der Stadt

Hat die Stadt einen anderen Plan für die HHLA?

Daran zweifele ich, auch wenn viel von Digitalisierung und Nachhaltigkeit gesprochen wird. Das ist eine politische Denke ohne realen Hintergrund. Die Stadt hält die Mehrheitsbeteiligung für ein strategisches Instrument, lässt aber den Hafen auf diese Weise verkümmern. Es war 2007 ein großer Fehler, die HHLA nur zu einem Drittel zu privatisieren.

Klaus-Michael Kühne besitzt 30 Prozent an Hapag-Lloyd
Klaus-Michael Kühne besitzt 30 Prozent an Hapag-Lloyd © Andreas Laible / FUNKE Foto Services | Andreas Laible

Die Gewerkschaft hatten sich gegen weitergehende Privatisierungen gestemmt …

Dieser Widerstand ist immer das Hauptargument. Aber auch die Arbeitnehmer werden über die aktuelle Situation nicht glücklich sein. Wir müssen den Hamburger Hafen erheblich umstrukturieren. Man könnte die großen Reedereien stärker an Hamburg binden, wenn man ihnen Terminalbeteiligungen einräumen würde. Aber die Politik scheut vor markanten Änderungen zurück. Es mangelt an Flexibilität und Initiative.

Kühne fordert ein nationales Hafenkonzept

Ich erinnere mich, dass Sie die Politik schon einmal deutlich positiver bewertet haben.

Ja, es war in Hamburg mal anders, etwa unter Bürgermeister Ole von Beust, aber auch zu Beginn der Amtszeit von Olaf Scholz. Er hatte Verständnis für die Wirtschaft. Als wir damals mit Hapag-Lloyd in einer kritischen Situation waren, habe ich viele Gespräche mit ihm geführt. An Unterstützung hat es nicht gefehlt. Der Kauf der Anteile von Hapag-Lloyd ist für alle Beteiligten großartig gelaufen. Und die Schutzklausel sichert die Reederei hier am Standort. Mir ging es damals darum, mit meinem Engagement Hapag-Lloyd für Hamburg und für Deutschland zu erhalten. Dass diese Beteiligung ein so überragender Erfolg würde, war allerdings nicht abzusehen.

Wäre die Erfolgsgeschichte Hapag-Lloyd ein Modell auch für die HHLA?

Sicher. Die Welt hat sich radikal verändert: An einem Tiefwasserhafen wie in Wilhelmshaven führt kein Weg mehr vorbei, weil die Schiffe immer größer werden. Es wäre richtig, wenn Hamburg sich dort engagiert. Die deutschen Häfen haben nur dann eine Perspektive, wenn sie gemeinsam agieren. Deshalb habe ich schon vor zwei Jahren den Vorstoß unternommen, einen Zusammenschluss der deutschen Seehäfen zu erreichen und mich bei einer Fusion von HHLA und Eurogate als Dritter finanziell einzubringen.

Fusion von HHLA und Eurogate scheiterte an „Animositäten“

Das blieb ohne Erfolg.

Leider. Insbesondere die Bremer hatten Angst, untergebuttert zu werden, und auch der Hamburger Senat wollte davon nichts wissen. Erschwerend kamen die Animositäten zwischen der HHLA und Eurogate hinzu.

Heute sind beide Unternehmen schwächer, als sie vor zwei, drei Jahren waren.

Es ist immer unklug, an alten Zöpfen festzuhalten. Die Bremer wollen unabhängig bleiben, die HHLA soll im Besitz der Stadt bleiben. Aber so bekommen wir den notwendigen Wandel nicht hin. Der Containerterminal Altenwerder ist voll automatisiert, das ist ein Vorzeigebetrieb, der aber leider nur rund 20 Prozent vom ganzen Hafen ausmacht. Wir müssen massiv modernisieren – und das ist mit enormen Investitionen verbunden. Auch der Bund ist gefordert: Die deutsche Wirtschaft benötigt starke Seehäfen. Das wäre ein Thema für den Verkehrsminister. Als der Staatssekretär noch Enak Ferlemann hieß, waren wir schon einmal weiter. Er hatte den Zusammenschluss der Häfen kurz vor der Bundestagswahl unterstützt.

Bleiben Sie am Ball?

Ja, das Thema ist für mich unverändert aktuell. Ich überlege mir, ein offizielles Übernahmeangebot für die HHLA-Aktienmehrheit zu machen, weiß allerdings, dass es bei der Stadt zurzeit kaum Anklang finden wird.

„Der Hafen hat ein strukturelles Problem“

Was ist mit Hapag-Lloyd? Nach den Rekordjahren sind die Unternehmenskassen voll, vielleicht wäre das ein Kandidat, die HHLA zu übernehmen?

Warum nicht? Das würde noch besser passen. Wenn der Hamburger Hafen an Leistungskraft gewänne, käme das auch Hapag-Lloyd zugute. Das ist ein Hamburger Unternehmen, das seine Schiffe sicherlich nicht aus Hamburg abziehen sollte. Aber bei den anderen Reedereien mache ich mir große Sorgen, dass sie allmählich die Lust an Hamburg verlieren und der Hafen mehr und mehr ausblutet. Unsere strategische Lage tief im Binnenland war früher ein Vorteil, der sich nun durch die längere Revierfahrt und die Schlickproblematik ins Gegenteil verkehrt hat. Wir haben ein strukturelles Problem.

Sie arbeiten bei Hapag-Lloyd seit 15 Jahren eng mit der Stadt zusammen. Da dürfte es manche verwundern, dass es keine Fortschritte gibt.

Es ist offenbar ein Tabu, an die HHLA-Gesellschafterverhältnisse heranzugehen. Der Senat scheint sehr festgelegt zu sein und kein anderes Szenario zu wünschen. Etwas mehr Veränderung aber würden der Stadt nicht schaden, egal ob in der Wirtschaft, der Kultur oder dem Sport.

„Zurzeit befindet sich Hamburg in einem Existenzkampf“

Ist die Scheu vor Veränderung inzwischen ein Charakterzug der Stadt? Die Debatte um die Köhlbrandbrücke könnte man so verstehen – da wird der Denkmalschutz dieses wunderbaren Baus über die Zukunft des Hafen gestellt.

Das ist in der Tat sehr kurzsichtig und sehr merkwürdig.

Der Schweizer Forscher Thomas Sevcik hat der Stadt nun empfohlen, den Hafen zurückzubauen und die Flächen neu zu nutzen. Auch das Trio ist Klaus von Dohnanyi, Wolfgang Peiner und Willfried Maier hatte schon 2014 dazu geraten, den Fokus vom Hafen stärker auf die Wissenschaft zu richten.

Ich stimme zu, dass Hamburg mehr für die Wissenschaft tun und Zukunftsunternehmen ansiedeln muss. Darüber sollten wir aber sicherlich nicht den Hafen verkümmern lassen. Hamburg ohne Hafen ist für mich unvorstellbar. Zurzeit befindet sich Hamburg in einem Existenzkampf, den die Stadt entweder gewinnen oder verlieren kann. Wenn wir so weitermachen, verlieren wir ihn. Mit ihrem größten deutschen Seehafen ist das für eine Handels- und Exportnation wie Deutschland jedoch keine Option.

„Deutschland ist aber stark genug, sich wieder zu erholen“

Stichwort Deutschland. Der Wirtschaft steckt in einer Krise. Wo sehen Sie die Hauptursachen?

Da kommen viele Faktoren zusammen. Wir kommen aus einem Boom, nun geht es konjunkturell abwärts. Ich habe schon viele Rezessionen erlebt, aber zurzeit ist man ziemlich orientierungslos. Der Krieg, die Energiepreise und die Inflation kommen erschwerend hinzu. Man müsste mehr tun, um gegenzusteuern. Die derzeitige desolate Situation hat auch mit unserer Regierung zu tun: Die Ampelparteien passen nicht zusammen – und das Land wird schwach geführt. Das schlägt zusätzlich auf die Stimmung. Deutschland ist aber stark genug, sich wieder zu erholen.

Sie haben sich vor einigen Jahren mit Robert Habeck getroffen und waren ganz angetan, haben die Grünen als Hoffnungsträger bezeichnet. Hat die Hoffnung getrogen?

Ich war immer ein Anhänger von Umwelt- und Klimaschutz, und es ist gut, dass die Grünen diese Themen so stark vorangebracht haben. 2019 haben wir hier einmal anderthalb Stunden zusammengesessen. Das fand ich erfrischend. Ich habe mir von Habeck einiges versprochen. Aber er steckt jetzt in dieser Klemme, mit Leuten zu regieren, die sich alle uneinig sind und in andere Richtung ziehen. Er ist Opfer der Gesamtkonstellation.

„Schrödersche Reformen wird es kaum ein zweites Mal geben“

Sie kennen auch Olaf Scholz gut. Kann er ein Reformer wie Schröder werden, oder ist er eher ein männlicher Merkel?

Schrödersche Reformen wird es kaum ein zweites Mal geben. Als Hamburger Bürgermeister war Scholz gut und kompetent in den Themen, ich teile jedoch die vorherrschende Meinung, dass die Deutschen eine stärkere und einheitliche Führung benötigen.

Sind Sie von der Ampel enttäuscht?

Hoffnungen auf große Fortschritte hatte ich nicht. Ich habe die Ampel von Anfang an skeptisch gesehen. Beim Klimaschutz hätte ich mir aber mehr versprochen. Aber auch die Ära Merkel war ja nicht so glanzvoll, wie man lange Zeit dachte.

Macht Ihnen der Aufstieg der AfD in Deutschland Angst?

Ja, diese aus meiner Sicht widerwärtige Entwicklung macht mir Kummer. Allerdings halte ich es für höchst unwahrscheinlich, dass diese Partei angesichts unserer Vergangenheit jemals mehrheitsfähig sein wird.

Lesen Sie morgen: Was Klaus-Michael Kühne zur Oper und zum HSV sagt