Die Ausweisung ihrer Grundstücke an Lottbek, Ammersbek, Osterbek und Berner Au als Überschwemmungsgebiet hat heftige Proteste ausgelöst. Das damit eingeschränkte Baurecht entwerte ihre Grundstücke.

Wandsbek Die Überschwemmungsgebiete (ÜSG) werden kommen. Die Überschwemmungen, eigentlich der Grund für die Ausweisung der Ausdehnungsflächen an Binnengewässern, eher nicht. Die erheblichen Nutzungseinschränkungen und die Vermögensverluste für die Grundstückseigentümer, die damit einhergehen, werden kommen. Der Schutz vor nassen Kellern eher nicht.

Das ergab die Anhörung der Anwohner von Ammersbek, Osterbek, Lottbek und Berner Au im Bürgersaal des Wandsbeker Bezirksamtes. Die meisten Fragen und Paradoxien blieben ungeklärt. 250 Betroffene waren gekommen, der Saal war brechend voll. Sie wollten verhandeln. Wollten ihre alternativen Vorstellungen von gelingendem Hochwasserschutz (und Regenwasserabluss) darlegen und wissen, was davon in der Planung berücksichtigt werden könnte und was nicht. Sie wollten gute Gründe hören.

Die Verwaltungsvertreter von Umweltbehörde, Bezirksamt und Landesbetrieb aber wollten nicht verhandeln. Sie wollten informieren. Das taten sie denn auch und legten den zunächst geduldigen Bürgern 40 Minuten lang dar, was alle längst wussten. „Wat is eene Überschwemmungsjebiet und wat is eene Überschwemmung?!“, hätte Heinz Rühmann mit der Dampfmaschine in der Hand den Vortrag eingeleitet.

Mit Erlass der „Hochwasserrisikomanagementrichtlinie“ wurden 2007 die Regeln zur Analyse und Vorsorge gegen „Binnenhochwasser“ neu gemischt. Ingenieure ermittelten die Topografie der Gelände und errechneten anhand hypothetischer Wasserstände die Gebiete entlang der Gewässer, die bei anhaltendem Starkregen überflutet werden würden. Die errechneten Flächen werden dann nicht geschützt, sondern als Ausdehnungsfläche für das Wasser vorgehalten und per Rechtsverordnung dafür festgeschrieben. Im Sommer 2015 will die Behörde damit durch sein. Damit einher gehen weitgehende Einschränkungen des Baurechts, und selbst das Pflanzen von Hecken oder der Aufbau einer Schaukel wird laut Gesetz genehmigungspflichtig. Die Rechtsverordnung kann aber „regelhafte Ausnahmen“ vorsehen.

Gegenentwürfe sind schriftlich einzureichen

Nach dem Vortrag der Behörden-Vertreter waren Fragen erlaubt. Fragen, keine Verbesserungsvorschläge oder gar Gegenentwürfe.

Dafür sind die schriftlichen Stellungnahmen vorgesehen, die nach den massiven Protesten jetzt bis zum 31. Oktober eingehen dürfen und dann in den Büros der Experten bearbeitet werden. Oder auch nicht, wie viele trotz gegenteiliger Beteuerungen der Behördenvertreter befürchten. Denn das Vertrauen in die Verwaltung ist auf den Nullpunkt gesunken, wie der Vorsitzende des Grundeigentümerverbandes, Heinrich Stüven, unter lautstarkem Applaus der Anwohner konstatierte. Objektive Information treffe auf subjektive Betroffenheit, hieß es als Vorschlag zur Güte, und die Verwaltung nahm den Ball gern auf.

Kein Wunder, fand sie sich doch auf der Seite der Rationalität wieder. Doch die Diagnose ist falsch und führt auch noch dazu, dass der logische Gehalt der Beschwerden wegen der emotionalen Vortragsweise gern ganz unter den Tisch fällt. Der Vertrauensverlust aber hat gute Gründe und ist keine bloße Gefühlsdisposition.

Noch immer versucht die Verwaltung darzulegen, dass die Grundstücke mit der Ausweisung als ÜSG keine Wertverluste erleiden. Obwohl das bislang verbriefte und einklagbare Baurecht künftig nur im Wege per Ausnahmeregelung erreicht werden kann und die Immobilienwirtschaft klar konstatiert hat, dass die betroffenen Grundstücke derzeit kaum bis gar nicht veräußerbar sind. Von „kalter Enteignung“ sprechen viele Anwohner. Die Verwaltung legte lediglich glaubhaft dar, was kein Anwesender je bezweifelt hatte: Die Grundstücke werden ihren Bewohnern nicht entzogen, womit im rechtlichen Sinne keine Enteignung vorliege. Kein Wort zur Frage des Ausgleichs von Vermögensverlusten.

Stadt verkauft Grundstücke ohne Hinweis auf kommende Einschränkungen

Mehrere Anwohner an Osterbek und Berner Au berichteten von Grundstückskäufen. Sie haben von der Stadt selbst Liegenschaftsgrundstücke erworben zu Preisen, die für voll bebaubare Grundstücke gezahlt werden. Obwohl die Stadt seit Jahren wusste, dass sie ÜSG ausweisen muss und diese genau in den tiefsten Niederungen der Stadt liegen würden. Heiner Horn zum Beispiel ließ im Sommer diesen Jahres einen Notartermin für den Kauf eines städtischen Grundstückes an der Osterbek nach einer Bauberatung im Bezirksamt platzen. Zwar wusste der Bauprüfer von nichts und erklärte, auf dem fraglichen Grundstück könne ein neues, größeres Haus entstehen. Doch auf Horns Nachfragen leitete er ihn ins Nebenzimmer zur Abteilung Wasserwirtschaft, und da erfuhren er und der staunende Bauprüfer, dass das fragliche Grundstück im ÜSG liegen werde und das Bauen eines neuen und größeren Hauses dort möglicherweise gar nicht mehr statthaft sei.

Andere hatten weniger Glück und kauften. Sie sitzen jetzt auf Hypotheken, für die die Sicherheiten plötzlich auf wackeligen Füßen stehen. Die Verwaltung erklärte lediglich, dass sie erst mit Fertigstellung des Kartenmaterials im Sommer 2013 wusste, wo die ÜSG liegen werden. Die EU-Richtlinie von 2007 und der Erlass des Wasserhaushaltsgesetzes 2009, beide von der Verwaltung als Argumente für die Unausweichlichkeit der ÜSG ins Feld geführt, haben in der Finanzverwaltung nicht dazu geführt, potenzielle Käufer auf die kommenden Einschränkungen ihres Baurechts hinzuweisen. Die Stadt will den Bürger schützen, wenn das Wasser kommt, sagt sie. Aber mit den Risiken aus Geschäften mit der Finanzbehörde soll der Bürger allein fertig werden.

Sparen die Überschwemmungsgebiete bloß den Sielbau?

Wenig glaubhaft ist vielen Anwohnern besonders an der Berner Au die amtliche Darstellung, dass es der Klimawandel und der Starkregen sind, die die ÜSG begründen. Sie wiesen wieder darauf hin, dass weite Teile Volksdorfs und Rahlstedts ihr Regenwasser in die Berner Au leiten. 19 Millionen Quadratmeter groß ist das Einzugsgebiet des Flüsschens, 700.000 Quadratmeter umfasst das ÜSG. Nach den Regeln der Wasserwirtschaft ist es nicht erlaubt, die hoch liegenden Grundstücke in die tief liegenden zu entwässern bzw. die tief liegenden Grundstücke dann als Ausdehnungsfläche für Hochwasserereignisse zu „sichern“, wie es im Amtsdeutsch heißt.

Für die Behörde bleibt die Berner Au ein natürliches Gewässer, und ihre „Hochwasserereignisse“ sind keine „Sielüberläufe“. Deshalb legt sie andere Regeln an. Aber sie konzedierte auch, dass „alles mit allem zusammenhängt“, also die Berner Au praktisch Teil des Siels ist. Womit die Annahme naheliegt, dass die Ausweisung von ÜSG eine falsch etikettierte Form des Sielbaus darstellen, die nicht nur bequem, sondern auch extrem billig ist. Ein Verdacht, den CDU, FDP und Grüne teilen, zumal in den letzten Jahren immer neue, auch landschaftsgeschützte städtische Flächen in Volksdorf und Rahlstedt für flächendeckenden Wohnungsbau verkauft wurden. Womit die Mengen des in die Berner Au eingeleiteten Regenwassers zunahmen.

Der Vorschlag, die Verordnung mit Anwohnern zu diskutieren blieb noch unbeantwortet

Die alternativen Konzepte zum Hochwasserschutz durch Geländeveränderungen bzw. -vertiefungen, den Bau weiterer Rückhaltebecken und die Gewässerpflege, die die Bürgerinitiative von der Berner Au vorbereitet hatte, wurden nicht diskutiert. Zur Gewässerpflege hieß es lediglich, dass die Berechnungsmodelle für die ÜSG den idealen Pflegezustand voraussetzen. Was zunächst den Anwohner zu helfen scheint. Doch die „Hochwasserereignisse“, die die Behörde beobachtet haben will und für die Festsetzung der Gebiete aus rechtlichen Gründen auch beobachtet haben muss, führen die Anwohner auf verstopfte Regenwasserzuleitungen zurück. Also auf ein Sielproblem, das die Behörde fälschlich als „natürliches Hochwasser“ einstufe.

Für die Anwohner der Lottbek blieb ungeklärt, warum die Behörde mit zehn betroffenen Häusern eine Signifikanzgrenze für die Ausweisung eines ÜSG festlegt und sie dann trotzdem unterschreitet. Offenbar wurden Garagen mitgezählt, weil sie aus Stein sind. Ob die Stadt Gewässer mit „wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung“ von den gesetzlichen Bestimmungen zur Ausweisung von ÜSG ausnehmen kann oder will, wie es das Wasserhaushaltsgesetz erlaubt, musste die Behörde als Frage „mitnehmen“. Augenscheinlich hat sie diese Möglichkeit nicht erwogen.

Den kompromissorientierten Vorschlag von Wandsbeks Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff zum weiteren Verfahren ließ die Behörde noch unbeantwortet. Ritzenhoff hatte zum Schluss angeregt, in jedem Gebiet den Entwurf der noch in Arbeit befindlichen Rechtsverordnung in verschiedenen Stadien mit den Betroffenen zu diskutieren. Dann müsste die Behörde doch noch verhandeln.