Algenblüte in der Alster, Fischsterben in der Elbe: Die Wasserqualität ist „nicht gut“. Naturschützer sind besorgt. Vielerorts gelangen neuerdings auch Nanopartikel in Hamburgs Gewässer.
St. Georg. Algenblüte in der Alster, Fischsterben in der Elbe und Arzneimittel in der Wandse – Hamburgs Gewässern geht es immer schlechter. Wie aus einer Antwort des Senats auf eine Große Anfrage der FDP-Bürgerschaftsfraktion hervorgeht, befinden sich Flüsse und Kanäle chemisch in einem „nicht guten“ Zustand. Während im Jahr 2009 immerhin noch zwölf Abschnitte auf Alster, Bille, Elbe, Este, Düpenau oder Seevekanal mit „gut“ bewertet wurden, gibt es jetzt ausschließlich das Prädikat „nicht gut“. Das ökologische Potenzial wird durchgängig nur noch als „mäßig“ und „unbefriedigend“ bezeichnet.
Die FDP-Fraktion in der Bürgerschaft warnt deshalb vor weiteren ökologischen Belastungen. „Der chemische und ökologische Zustand hat sich bei vielen Gewässern nicht verbessert“, sagte Fraktionssprecher Alexander Luckow dem Abendblatt. Nach der Antwort des Senats auf die Anfrage der FDP-Fraktion über die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie ist den Liberalen klar: „Der SPD-Senat erfüllt die europäischen Wasserstandards nicht.“ Auch die Naturschutzorganisation Nabu zeigt sich angesichts der neuen Daten über den Sauerstoffmangel in der Elbe und die gefährliche Algenblüte in der Alster besorgt: „Hamburgs Gewässer sind längst nicht mehr naturnah“, so Eike Schilling, Gewässerschutzexperte. Nährstoffe, Nanopartikel, Schwermetalle und Medikamentencocktails aus den Haushalten trügen zur Verschlechterung bei.
Aktuelle Messdaten belegen: Die Sauerstoffkonzentration der Elbe ist an ausgewählten Messpunkten erneut unter den Grenzwert von drei Milligramm pro Liter gesunken. Mit der Folge, dass das Fischsterben andauert (das Abendblatt berichtete). Auch den Alsterfischen geht offenbar langsam die Luft aus. Am Donnerstag erreichte die Sauerstoffkonzentration nur noch 4,1 Milligramm pro Liter – das sei „sehr grenzwertig“, warnt Nabu-Experte Schilling.
Dabei ist der Senat nach eigenen Angaben bestrebt, bis zum Jahr 2015 eine „deutliche Verbesserung der Gewässer sicherzustellen“, um die europäischen Vorgaben zu erfüllen. Dazu gehört zum Beispiel, die Gewässerstruktur zu verbessern und die Durchgängigkeit für die Fische wiederherzustellen. Denn häufig verhindern Wehre, Sohlabstürze und Wasserkraftanlagen die natürliche Wanderung von Fischen und Kleinlebewesen. Tatsächlich hat der Senat unter anderem 48.527 Euro in eine Machbarkeitsstudie zur Herstellung der Durchgängigkeit am Serrahnwehr (Bille) und 76.500 Euro für die Berner Au investiert. Wie Eike Schilling sagt, bleibt aber die Wandse das größte Sorgenkind.
Der Fluss sei an vielen Abschnitten zerstückelt; für Fische sei eine größere Wanderung dadurch praktisch unmöglich. „Hier muss dringend mehr getan werden“, betont er. Unvermindert fließen auch die Reste von Schmerzmitteln, Betablockern und Antibiotika in die Alsterzuflüsse. Die Politik, kritisiert Abwasserspezialist Ralf Otterpohl von der TU Harburg, ignoriere jedoch noch immer das Problem.
Nach wie vor gelangen vielerorts Nährstoffe und neuerdings auch Nanopartikel, beispielsweise aus Kosmetikprodukten wie Sonnencremes, in Hamburgs Gewässer. „Wie diese kleinen Teile unser Ökosystem verändern, ist noch gar nicht genügend erforscht“, sagt Eike Schilling. Wie das Bundesamt für Risikobewertung ergänzt, sei eine gesundheitliche Bewertung von Nanomaterialien derzeit kaum möglich, da bislang noch wichtige toxikologische Daten zum Verhalten in Gewebe und Zellen fehlten.
Für die Algenblüte in der Alster, die beim Menschen Hautreizungen und sogar Ohrenschmerzen auslösen kann, macht FDP-Umweltpolitiker Kurt Duwe die hohe Nährstoffeinträge verantwortlich. „Sie gelangen unvermindert in die Gewässer und werden dort nicht von gezielt eingesetzten Pflanzen aus dem Wasser entfernt“, kritisiert er. Die Ufer der Alsterkanäle und die Außenalster seien „kaum irgendwo naturnah“ – und das am „Vorzeigegewässer der Stadt“, fügt der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete hinzu.
Vor allem aber macht der umweltpolitische Sprecher der Fraktion den SPD-Senat dafür verantwortlich, dass im Gewässerschutz vieles im Argen liegt. „In den Alsterarmen und Zuflüssen hätten gezielt Schmutzwasserzufuhr verringert und Uferränder renaturiert werden müssen“, sagte er dem Abendblatt. „Stattdessen passiert nichts, und die Algenblüte breitet sich.“
Die FDP kritisiert die Abnahme der Gewässerqualität und übt scharfe Kritik an Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD). Es würden zwar viele Einzelmaßnahmen durchgeführt, aber es fehle ein übergreifendes Konzept. Wie Kurt Duwe meint, hätte die Umweltbehörde in knapp vier Jahren die längst bewilligten zwölf Millionen Euro im Rahmen eines solchen Gesamtkonzepts ausgeben können. „Stattdessen hat Frau Blankau 9,2 Millionen Steuergeld unkoordiniert für einen Haufen Einzelprojekte ausgegeben. Und am Ende ist Hamburgs Wasserqualität eher schlechter als besser.“
Der Sprecher der Umweltbehörde. Magnus-Sebastian Kutz, wies die FDP-Darstellung zurück. Es seien jährlich, wie vorgesehen, drei Millionen Euro für den Gewässerschutz ausgegeben worden. Zudem benötigten die eingeleiteten Maßnahmen für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie mehrere Jahre, bis sie ihre volle biologische und ökologische Wirkung entfalten könnten. Nabu-Experte Schilling resümiert: „Die Stadt Hamburg tut zu wenig für den Gewässerschutz. Sie müsste mehr unternehmen, um die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie zu erfüllen.“ Dazu gehöre nicht nur mehr Geld. „Gebraucht wird vor allem mehr Personal in der Fachbehörde sowie in den Bezirksämtern.“