Der 61-jährige Graffiti-Sprüher Walter Josef F. alias „Oz“ muss sich seit Donnerstag vor dem Amtsgericht Barmbek verantworten.

Hamburg. Walter Josef F. alias „Oz“ - Hamburgs bekanntester Graffiti-Sprüher beschäftigt wieder die Justiz: Mit schwarzer Sonnenbrille, Kapuzenpulli und Mütze drängt sich "Oz" an Presse und Zuschauern vorbei in den Sitzungssaal des Amtsgerichts Brambek – ein vertrautes Bild. Seit Donnerstag wird dem 61-Jährigen zum wiederholten Mal in der Hansestadt der Prozess gemacht. Laut Anklage soll der notorische Sprüher, der sich selbst als Künstler versteht, von Januar 2008 bis Juli 2010 in 19 Fällen öffentliche Gegenstände mit seinen „Tags“ (Schriftzeichen) beschädigt haben.

Unter anderem wird ihm vorgeworfen, am Jungfernstieg eine Säule der Alsterarkaden mit Spiralen versehen und eine Gehwegplatte mit fünf schwarzen Punkten besprüht zu haben. Im Februar 2008 soll er sich gegen Polizisten, die ihn auf frischer Tat ertappten, zur Wehr gesetzt haben. Zum Prozessauftakt schwieg der schmächtige 61-Jährige zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Sein Verteidiger sagte in einer einleitenden Stellungnahme, sein Mandant sei „längst zu einem Wahrzeichen der Stadt“ geworden. Seine „Kunst“ solle dementsprechend gewürdigt werden. Die Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft nannte der Anwalt teils „absurd“ und „grotesk“. Er beantragte, das Verfahren einzustellen.

Seit fast 20 Jahren hinterlässt „OZ“ seine gesprühten, gekratzten und gemalten Spuren in der Hansestadt. Mehr als 120 000 Mal sind die Schriftzüge „OZ“ und seine typischen Symbole, Spiralen und Smileys, im Hamburger Stadtbild zu finden. Schon seit den 70er Jahren geht der gelernte Gärtner seiner Sprüh-Leidenschaft nach. 1984 wurde er deshalb zum ersten Mal von einem Mannheimer Gericht verurteilt. Es folgten weitere Prozesse in Flensburg und Hamburg, bis 1998 verbrachte er schon rund drei Jahre hinter Gittern.

Trotzdem machte er offenbar weiter. Seine letzte Haftstrafe musste er in der Hansestadt von 2003 bis 2006 verbüßen – nur einen Monat nach seiner Entlassung kam er wieder in Untersuchungshaft. Das Landgericht verurteilte „OZ“ 2007 erneut wegen Sachbeschädigung zu fünf Monaten Freiheitsstrafe, die er durch seine Untersuchungshaft aber schon abgesessen hatte. Insgesamt hat der 61-Jährige für seine „Kunst“ schon rund acht Jahre hinter Gittern verbracht.

Vor dem Hamburger Amtsgericht sind fünf weitere Verhandlungstage angesetzt, insgesamt sollen 33 Zeugen vernommen werden. Der Prozess wird am 11. Februar fortgesetzt.

Lesen Sie dazu auch den Abendblatt-Bericht vom 30. November 2010:

Leinwände statt Hauswände: OZ eröffnet Ausstellung

Wer die Werke von Walter Josef F. nicht sehen will, muss schon mit geschlossenen Augen durch Hamburg laufen. Mehr als 150.000-mal soll der 61-Jährige die Buchstaben "Oz" an Wände, Züge, Schaltkästen, Ampeln, Laternen und Schaufenster gesprüht, gemalt oder geritzt haben. Was die Buchstaben bedeuten sollen, will oder kann er selbst nicht erklären.

"Warum malen Sie nicht mal ein schönes Bild?" fragte ihn der Richter 1999, bevor er ihn wegen "Sachbeschädigung durch Sprayen" zu einer kanpp zweijährigen Haftstrafe verurteilte. "Ich bin nur ein armer kleiner Schmierfink", sagte Walter F.

Jetzt, elf Jahre später, ist aus dem Schmierfink ein Untergrundkünstler mit eigener PR-Agentin geworden. Am Freitag eröffnet er seine Ausstellung in der Galerie "One Zero More" an der Bartelsstraße. Oz stehe "der spießigen Normalität mit seiner farbenfrohen Fantasie im Wege", ist auf der Einladung zur Vernissage zu lesen. Dass Walter Josef F. sich nun auf Leinwände und Zeichenblocks beschränkt, ist wohl nicht zu erwarten.

Erst vor wenigen Monaten war Oz wieder von der Polizei beim "taggen" erwischt worden, gleich zweimal in einer Nacht. Insgesamt acht Jahre hat der 61-Jährige wegen seiner "Malerei" schon im Gefängnis verbracht.

"Ein Sozialfall. Unangepasst, widerborstig, nicht vermittelbar. Ein total isolierter Mensch, verbarrikadiert in einem kleinen Zimmer, ohne Freunde", schrieb das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" über Walter F. während des Prozesses 1999. Ein Gärtnerlehrling, der seine Ausbildung abgebrochen hat, Anfang der 70er-Jahre nach Asien trampte, in der Anarchistenrepublik "Freistaat Christiania" in Kopenhagen leben wollte - und dann doch in Hamburg blieb. Von jugendlichen Sprayern wurde er während des Prozesses 1999 als "King" bezeichnet. Keine Mauer war ihm zu hoch, keine Sprühfläche zu abgelegen. "Der kleine King stellt aus" ist nun das Motto seiner Ausstellung.