Zivilfahnder Hans-Joachim B.(51) ist im Zeugenstand im Prozess gegen Hamburgs berüchtigtsten Graffiti-Schmierer Walter Josef F. (57, Szenename: "Oz") - und Heiterkeit macht sich breit. Der Fahnder schaut "Oz" an und meint: "Ich habe ihn erst vergangene Woche gesehen, als er an drei Verkehrszeichen Aufkleber: ,Rettet unsere Erde' anbrachte." "Oz" schaut hoch, murmelt: "Was?" Die Amtsrichterin seufzt: "Ist nicht schön", vielleicht entstünden daraus weitere Verfahren wegen Sachbeschädigung, "schauen wir mal." Und: Der Polizist weiß noch zu berichten, dass der Alt-Sprayer vergangene Woche in einem Friseursalon Angestellten gesagt habe, wie gut sie frisiert seien . . . Das ist sicher nicht strafbar, aber sorgt für Schmunzeln - Petitessen in einem Strafverfahren, das sich verzögert, voller Überraschungen ist.

In der Sache bröckelt die Anklage nun. Gestern stellte die Amtsrichterin vier der fünf angeklagten Sachbeschädigungsfälle ein. Grund: Diese vier Fälle stützen sich auf eine Observation von "Oz", deren Rechtmäßigkeit umstritten ist; die Klärung dieser Frage würde weitere Zeugen erfordern, zudem würden die zu erwartenden Strafen am Ende nicht so sehr ins Gewicht fallen. Ein Dutzend Polizeibeamte hatten "Oz" nach einer angeblichen Beschädigung einer Haspa-Scheibe observiert - möglicherweise bei vier Straftaten. Die Juristen stritten, ob die Observierung zulässig war, die Berichte gerichtlich verwertet werden dürften. Die Richterin: "Die Klärung dieser Frage gehört eigentlich an die Uni. Das sprengt hier den Rahmen."

So geht es jetzt nur noch um den einen Fall, dass "Oz" die Scheibe einer Haspa-Filiale zerkratzt haben soll. Er bestreitet das. Der Zivilfahnder sah, wie ",Oz' sich mit dem Kopf an die Scheibe lehnte, Wischbewegungen machte. "Daneben waren Kratzer." Reicht das für eine Verurteilung? Der Verteidiger fragt: "Können die Kratzer auch vorher dort gewesen sein?" Der Zeuge: "Möglich ist es." Am 15.Mai wird der zähe Prozess fortgesetzt. Der Verteidiger überlegt derweil, ob er einen Ortstermin beantragen soll - bei der Haspa-Filiale. Die Richterin sagt fröhlich, sie habe nichts dagegen. Die Staatsanwaltin meint, ihr reichten die Kratzer-Tatortfotos. "Die Frage ist, wie viel Feinaufklärung man noch betreiben muss", sagt sie. "Man muss die Kirche im Dorf lassen." Und "Oz", der unscheinbare Mann mit dem kantigen Gesicht, der Friseurinnen Komplimente machte, er schaut so unbeteiligt wie fast immer.