Die Anklage bröckelt wegen möglicher schwerer Rechtsfehler der Polizei. Richterin hält Observation, für die zwölf Beamte im Einsatz waren, für rechtswidrig.

Im Prozess gegen Hamburgs ältesten und berüchtigsten Graffiti-Schmierer "Oz", Walter Josef F. (57), bröckelt jetzt überraschend die Anklage. Der Grund: mögliche schwere Rechtsfehler der Polizei. Dies wurde am Freitag bekannt. "Ich habe den dummen Verdacht, dass hier einiges schiefgelaufen ist", so die Amtsrichterin, spürbar verärgert. Und: "Oz" habe auch möglicherweise zu Unrecht fünf Monate in Untersuchungshaft gesessen. Die Richterin hob den Haftbefehl am Freitag auf.

In fünf Fällen soll der Alt-Graffiti-Sprayer, der seit rund 15 Jahren die Stadt verschandelt, am 13. und am 23. November 2006 in Barmbek Glasscheiben einer Bankfiliale, einer Telefonzelle und eines Fahrstuhls zerkratzt haben. Zudem habe er eine Hauswand verunstaltet, auf einem Zigarettenautomaten Buchstaben sowie ein sternförmiges Gebilde eingeritzt - und das alles nur einen Monat, nachdem er aus dem Gefängnis entlassen worden war. "Oz" bestreitet die Vorwürfe.

Hintergrund: Vier von fünf Vorwürfen stützen sich auf Berichte einer polizeilichen Observation - mit zwölf Polizisten. Sie wollen "Oz" bei vier der Taten ertappt haben, nahmen ihn fest. Brisant: Da der Polizei nur eine "präventive" Observation erlaubt war, um den Mann von Straftaten abzuhalten, hält die Richterin die Aktion derzeit für rechtswidrig. "Das ist schon ein Hammer, was da gelaufen ist. Hier wurde sich eine Maßnahme zurechtgezimmert, die so gesetzlich nicht vorgesehen ist." Graffiti-Sprayer "Oz" festzunehmen sollte das Ziel der Observation sein. So stand es im Antrag. Eine Vorgehensweise, die nicht rechtmäßig sei. "Der Verdacht ist hoch, dass Prävention von Anfang an nicht die Idee war bei der Observation." Und weiter: "Das lässt sich wohl herauskriegen, wer dieses Ding verbrochen hat." Auch beim Haftbefehl, der damals gegen "Oz" erging, geht die Richterin derzeit von einer "kompletten Fehleinschätzung" bei der Polizei aus. Denn: Anders als von den Ermittlern behauptet, habe "Oz" offenbar einen festen Wohnsitz gehabt. Daher habe eine Fluchtgefahr, mit der seine U-Haft damals auch begründet wurde, nicht vorgelegen. Sollten sich die möglichen Fehler bestätigen, würde "Oz" in vier Anklagepunkten freigesprochen, so die Richterin. "Ein wunderbares Verfahren, wo wir Interessantes erst in der Hauptverhandlung erfahren." Am 3. Mai wird der Prozess fortgesetzt - "das Verfahren bleibt, auch wenn es nur um ein paar Kratzer geht, spannend".