Seit Februar wird dem Graffiti-Sprüher „OZ“ vor dem Amtsgericht der Prozess gemacht. Die Anklage fordert eineinhalb Jahre Gefängnis.
Hamburg. Die Wangen des schmächtigen Mannes auf der Anklagebank sind eingefallen. Seine Augen versteckt der 61-Jährige hinter einer schwarzen Sonnenbrille, den Kapuzenpullover hat er tief ins Gesicht gezogen. Seit Februar wird Hamburgs bekanntestem Graffiti-Sprüher „OZ“ in der Hansestadt wieder der Prozess gemacht. Wegen Sachbeschädigung in 19 Fällen muss er sich vor dem Amtsgericht Hamburg-Barmbek verantworten. Ob Kunst oder Schmiererei - daran scheiden sich auch nach fast 20 Verhandlungstagen noch imme die Geister.
Kurz vor Auftakt des Prozesses inszenierte sich „OZ“ noch als Künstler, stellte in einer Galerie nahe des S-Bahnhofs Sternschanze bunt besprühte Platten, Wände und Kartons aus. Nur sein Gesicht, das sollte niemand sehen und schon gar nicht fotografieren. So auch am 3. Februar, als er sich vermummt an Sympathisanten und Pressevertretern vorbei in den Gerichtssaal quetschte. Sein Verteidiger sagte zum Prozessauftakt, „OZ“ sei „längst zu einem Wahrzeichen der Stadt“ geworden, seine „Kunst“ müsse dementsprechend gewürdigt werden. Wie zum Beweis legte er noch einen Bildband über seinen Mandanten vor sich auf den Tisch.
Für die Anklage ist der Graffiti-Oldie wohl eher ein unbelehrbarer Wiederholungstäter. Seit fast 20 Jahren hinterlässt „OZ“ seine gesprühten, gekratzten und gemalten Spuren in der Hansestadt. Mehr als 120.000 Mal sind seine typischen Muster und Schriftzüge wie „OZ“ oder „USP“ im Stadtbild zu finden. Noch während des laufenden Prozesses soll er wieder auf die Pirsch gegangen und am 18. April einen Betonpoller besprüht haben. Gerade das wurde ihm im Plädoyer der Staatsanwaltschaft vom vergangenen Verhandlungstag negativ angekreidet. Eine Bewährungsstrafe sieht die Anklage deshalb nicht mehr als gerechtfertigt an. 18 Monate Haft soll er nach ihrem Willen absitzen – wieder einmal.
Für seine Sprüh-Leidenschaft zahlte der ehemalige Gärtner-Lehrling schon einen hohen Preis. Insgesamt rund acht Jahre saß er für die Sachbeschädigungen hinter Gittern. 1984 wurde er zum ersten Mal von einem Mannheimer Gericht verurteilt. Es folgten weitere Prozesse in Flensburg und Hamburg, bis 1998 verbrachte er schon rund drei Jahre im Gefängnis. Trotzdem machte er offenbar weiter. Seine letzte Haftstrafe musste er in der Hansestadt von 2003 bis 2006 verbüßen.
2007 verurteilte ihn das Gericht erneut wegen Sachbeschädigung zu fünf Monaten Freiheitsstrafe, die er durch seine Untersuchungshaft aber schon abgesessen hatte.
Seit fast einem halben Jahr beschäftigt er nun wieder die Justiz der Hansestadt. Aus den anfänglich angesetzten sechs Verhandlungstagen sind inzwischen fast 20 geworden, knapp 30 Zeugen wurden vor Gericht zu den Anklagepunkten gehört, wie etwa gesprühten Spiralen an einer Säule der Alsterarkaden am Jungfernstieg. Im Februar 2008 soll er sich zudem gegen Polizisten, die ihn auf frischer Tat ertappten, zur Wehr gesetzt haben. Für den kommenden Freitag ist der letzte Verhandlungstag angesetzt. Dann werden das Plädoyer der Verteidigung und das Urteil erwartet.
Der Angeklagte selbst sei vor dem Richterspruch schon ein wenig nervös, sagte sein Anwalt. Er rechne zwar mit einer Haftstrafe, aber er habe auch noch Hoffnung, dass es vielleicht doch bei einer Geldstrafe bleibt. Und eigentlich wolle „OZ“ doch auch nur Kinder glücklich machen. Deswegen sprühe der 61-Jährige immer wieder Smileys, Kringel und Spiralen auf die sonst so tristen Bürgersteine, Verkehrsschilder und Betonwände. Ob ihn ein erneuter Gefängnisaufenthalt überhaupt vom Sprühen abhalten könnte, bezweifelt sogar sein Verteidiger. „Warum? Weil er es nicht lassen will.“