Drei junge Männer schlugen und traten einen 42-Jährigen am S-Bahnhof Veddel zusammen, nachdem er einen Rentner vor ihnen beschützt hatte.

Hamburg. Steht die brutale Attacke vom S-Bahnhof Veddel am Neujahrsmorgen vor der Aufklärung? Die drei Schläger können sich offenbar nicht mehr lange vor der Polizei verstecken: Am Montag haben Ermittler der Polizei mehrere Zeugen befragt und die Videos aus der S-Bahn ausgewertet. „Die Fotos sind so gut, dass wir sie mit Lichtbildkarteien abgleichen können“, sagte der Sprecher der Bundespolizei, Rüdiger Carstens. Sollte einer der Täter schon einmal auffällig geworden sein, lasse sich seine Identität aufdecken. Derzeit gebe es mehrere heiße Spuren.

Die drei Schläger hatten in der Silvesternacht an der S-Bahnstation Veddel den 42-Jährigen Artur G. bewusstlos geprügelt. Der Mann war zuvor in der Bahn dazwischen gegangen, als die drei jugendlichenSchläger einen älteren Mann angepöbelt hatten. Für die Fahndung nach den Tätern hat die Bundespolizei ihre Kräfte noch einmal aufgestockt. Mittlerweile sei auch eine zivile Fahndungsgruppe und eine mobile Kontrollgruppe im Einsatz. Spätestens am Dienstag werde ein Antrag auf Öffentlichkeitsfahndung gestellt, sagte Carstens. Hinweise aus der Bevölkerung nimmt die Bundespolizei nach wie vor unter der Telefonnummer 040 / 66 99 50 55 55 entgegen.

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Die Parallelen zum Münchner Fall Dominik Brunner sind erschreckend, die Konsequenzen zum Glück ein gutes Stück weniger schwer: Am Neujahrsmorgen attackierte eine Gruppe junger Männer auf dem S-Bahnhof Veddel Artur G., einen 42-jährigen Mann, der sich zuvor in der Bahn schützend vor einen Rentner gestellt hatte. Der aus Polen stammende Mann, der Zivilcourage zeigte, helfen und vermitteln wollte - er wurde selbst zum Opfer. Dominik Brunner starb, Artur G. überlebte den Angriff der Schläger mit schweren Verletzungen. Er liegt weiterhin im Krankenhaus.

Schädelprellungen und Schürfwunden - das sind die Verletzungen, die die Ärzte nach dem Zwischenfall bei Artur G. behandeln mussten. Es sind keine lebensbedrohenden Wunden, doch der 42-Jährige hatte auch gestern noch starke Schmerzen. Vor allem aber leidet er unter dem Schock, den die Attacke bei ihm hinterlassen hat. In einem Telefonat mit dem Abendblatt sagt Artur G. leise: "Ich habe nur getan, was man normalerweise in einer solchen Situation tut. Was sich dann auf dem Bahnsteig abspielte, weiß ich gar nicht mehr genau. Ich habe keine Erinnerung."

Nach den bisherigen Erkenntnissen der Polizei geschah dies: In einem Zug der S3 in Richtung Harburg bepöbeln und bedrohen die drei jungen Männer - sie sollen zwischen 18 und 23 Jahre alt und südländischer Herkunft sein - gegen 1.20 Uhr einen Rentner. Artur G. versucht, den Streit in dem in der Neujahrsnacht noch recht gut gefüllten S-Bahnwaggon zu schlichten, was ihm zunächst auch gelingt.

G. ist in Begleitung seiner Lebensgefährtin auf dem Weg nach Hause. An der Station Veddel steigt sowohl das Pärchen - es hatte auf einer Party in der City das neue Jahr begrüßt - als auch die Gruppe offenbar höchst aggressiver junger Männer aus. Auf dem Bahnsteig, den jetzt viele Fahrgäste in Richtung des Busbahnhofs Veddel verlassen, attackieren die drei Jugendlichen Artur G. Nicht nur mit Worten, sondern auch mit Fäusten.

Artur G. stürzt auf dem Bahnsteig vor Gleis 1, etwa zehn Meter vor dem videoüberwachten Ausgang des Bahnhofs, nach einem Schlag rückwärts auf den Boden. Die jungen Täter lassen nicht von ihm ab. Offenbar mehrmals treten die jungen Männer gegen den Kopf des blutenden Mannes. Die Freundin des 42-Jährigen kann nicht eingreifen. Gemeinsam mit anderen Bahngästen ruft sie Rettungswagen und Polizei. Als der erste Streifenwagen am S-Bahnhof Veddel ankommt, sind die enthemmten Schläger jedoch bereits geflüchtet. Begleitet von einem Notarzt, wird Artur G. ins Krankenhaus gebracht, wo Röntgenaufnahmen später die erlösende Gewissheit bringen, dass Artur G. keinen Schädelbruch erlitten hat und keine Lebensgefahr besteht.

Rüdiger Carstens, Sprecher der zuständigen Bundespolizei, hat gute Hoffnung, dass die Täter in kurzer Zeit gefasst werden können. Carstens: "Die Tatverdächtigen sind auf den Videobildern gut zu erkennen. Uns liegen sowohl Bilder von den Bahnhöfen, auf denen sie ein- und ausgestiegen sind, als auch Aufnahmen aus der S-Bahn vor. Wir ermitteln wegen gefährlicher Körperverletzung." Für die vollständige Rekonstruktion der Tat sind die Ermittler noch auf die Aussagen von Zeugen angewiesen. Insbesondere der ältere Herr, der in der Bahn in Richtung Harburg von den jungen Männern bedrängt wurde, wird gebeten, sich mit der Polizei in Verbindung zu setzen. (Telefon 040/66 99 50 55 55).

Artur G.s Fall reiht sich in eine Serie von Zwischenfällen auf Hamburger Bahnsteigen und in öffentlichen Verkehrsmitteln ein. Am Jungfernstieg erstach der 16-jährige Elias A. im Mai 2010 einen 18-Jährigen, auf dem Harburger Bahnhof töteten zwei Jugendliche einen Mann, weil er ihnen keine 20 Cent geben konnte. Im Dezember waren zwei 30- und 33-Jährige zu Geldstrafen verurteilt worden, die einen 40-Jährigen auf dem U-Bahnsteig Niendorf-Nord geschlagen hatten. Das Opfer Matthias R. ist heute schwerbehindert.