Hamburg. Abgeordnete beklagen zu viele Hotelbetten in einigen Hamburger Stadtteilen und fordern Maßnahmen. Übrige Parteien sehen das ganz anders.

Hamburg ist beliebt, nicht nur bei seinen Einwohnerinnen und Einwohnern, sondern vor allem auch bei Touristinnen und Touristen: In den vergangenen 20 Jahren besuchten 108,5 Millionen Gäste die Hansestadt. Die Übernachtungen haben sich in dieser Zeit verdreifacht, die Zahl stieg 2023 auf knapp 16 Millionen, wie das Statistikamt Nord mitteilte.

„Über ganz Hamburg hinweg können wir noch nicht von Overtourism sprechen – aber die Entwicklung in einigen Bereichen der Stadt läuft in genau diese Richtung“, sagt Stephan Jersch. Das Thema Tourismus sei der politischen Kontrolle entglitten, so der tourismuspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft. In der Bürgerschaftssitzung am Mittwoch (27. November) beantragt die Linksfraktion nun, „touristische Hotspots in der Stadt zu definieren und hier die Zahl der Hotelbetten zu begrenzen“. Die übrigen Hamburger Parteien zeigen sich davon wenig beeindruckt.

Linke stellt Antrag: Hamburger Stadtteile vor Tourismus zu schützen findet keinen Anklang

Eine davon ist die SPD. So habe der Linken-Antrag wenig mit der Realität zu tun, sagt Arne Platzbecker. Die Vorschläge seien Augenwischerei: Laut dem SPD-Abgeordneten gibt es in Vierteln wie der Schanze und St. Pauli viele Tagesgäste, die dort nicht übernachten. Anstelle von Hotels müssten eher Veranstaltungen besser verteilt werden. „Tourismus ist kein Feindbild, sondern sichert Arbeitsplätze“, sagt Platzbecker.

Auch die Grünen stimmen den Ansichten der Linken nicht zu. „Sie vermengen Hotels mit nicht bezahlbarem Wohnraum“, sagt Charlotte Stoffel, die darauf hoffe, dass die Partei zwar in der Bürgerschaft erhalten bleibe, dann aber mit realistischeren Vorschlägen. Dem CDU-Abgeordneten David Erkalp wurde dieser Antrag „zu bunt“. „Ich weiß gar nicht, was sie gegen Tourismus haben, sie belästigen damit die Gesellschaft.“ Die Stadt Hamburg sei ein guter Gastgeber, der wolle, dass sich die Gäste in der Hansestadt wohlfühlen. „Und diese wollen in die City – nicht nach Horn, Bergedorf oder Sasel“, sagt Erkalp. Overtourism gebe es nicht in Hamburg: „Das ist eine Verschwörung, sie nehmen die Themen der Grünen auf.“ Linken-Politiker Jersch verstehe von Tourismus genauso wenig „wie ich von Raketentechnik“, so Erkalp.

Die Hamburger AfD spitzt es noch weiter zu und bezeichnet den Antrag als „Phobie vor Touristen“. Die Linken hätten Angst, dass die Stadt zusammenbreche. So gab es im September weniger Gäste und Übernachtungen im Vergleich zum Vorjahr, das zeigen auch Angaben des Statistikamt Nord. Die Linken zeigen sich laut Krzysztof Walczak (AfD) touristen-, wirtschafts- und arbeitnehmerfeindlich.

Die Abstimmung in der Bürgerschaftssitzung zeigt: Dem Antrag der Linken folgt nur die Fraktion selbst. Alle übrigen Parteien lehnen die Vorschläge ab.

Tourismus Hamburg: Die meisten Hotelbetten sind auf sechs Stadtteile verteilt

Zum Hintergrund: Die knapp 76.000 Hotelbetten in Hamburg konzentrieren sich auffällig stark auf wenige Stadtteile. Rund 55 bis 60 Prozent der Kapazitäten finden sich laut einer Auswertung der Linksfraktion in einer kleinen Zone um den Hafen und in Stadtteilen wie St. Georg, St. Pauli und der Altstadt. In sechs Stadtteilen kommen laut Linke demnach fast so viele Hotelbetten (40.000) wie Einwohnerinnen und Einwohner (65.000) zusammen. „Dieses Ungleichgewicht hat negative Folgen für die lokale Infrastruktur, die doch eigentlich erst mal für die Anwohnerinnen und Anwohner und ihre Lebensqualität zur Verfügung stehen sollte“, sagt Jersch.

Stephan Jersch in Bürgerschaftssitzung
Stephan Jersch ist tourismuspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft. Er fordert städtebauliche Leitplanken zum Thema Tourismus (Archivbild). © picture alliance / Eibner-Pressefoto | Eibner-Pressefoto/Marcel von Fehrn

Während andere europäische Metropolen wie Barcelona bereits gegen „Overtourism“ vorgehen, etwa durch die Regulierung von Ferienwohnungen, sei Hamburg an dem Versuch, touristische Angebote und Aktivitäten über Stadtteile zu verteilen, „sang- und klanglos gescheitert“, heißt es in dem Antrag. Angesichts fehlenden bezahlbaren Wohnraums dürfe laut den Linken das „Missverhältnis von Hotelplätzen zu deren geografischer Verteilung“ nicht weiter auseinanderlaufen.

Linke Hamburg will Hansestadt vor „Overtourism“ bewahren

Die Konzentration von Hotels in bestimmten Vierteln belaste nicht nur die Infrastruktur, sondern wirke sich auch negativ auf die Lebensqualität der Anwohnerinnen und Anwohner aus, wie aus dem Antrag der Linken hervorgeht. Besonders betroffen seien Stadtteile wie Hammerbrook und die Altstadt, wo das Verhältnis zwischen Hotelbetten und Einwohnerinnen und Einwohnern längst gekippt sei.

„Tourismus muss endlich als Aufgabe der Stadtentwicklung begriffen werden“, heißt es dort weiter. Das Thema werde in Hamburg nur aus der Sicht der Wirtschaft betrieben, so Jersch – „es fehlt eine stadtplanerische Gestaltung“. Neben ihm sehen auch die Abgeordneten Heike Sudmann, Sabine Boeddinghaus, Deniz Celik, Dr. Carola Ensslen, Olga Fritzsche, Norbert Hackbusch, Ivy May Müller, Cansu Özdemir, David Stoop und Insa Tietjen dringenden Handlungsbedarf, um Hamburg vor einem drohenden „Overtourism“ zu schützen.

Senat Hamburg: Linke fordern Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger

Der Antrag stellt klare Forderungen an den Hamburger Senat. Unter anderem soll eine umfassende Erhebung der bestehenden Hotelkapazitäten durchgeführt und eine Studie über die Auswirkungen von Hotels auf Mieten, Kleingewerbe und die Nahversorgung veröffentlicht werden. Ziel sei es, eine Obergrenze für das Verhältnis von Wohnungen zu Hotelbetten auf Stadtteilebene zu definieren und diese verbindlich in Bebauungsplänen zu verankern.

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Zudem wird eine Strategie für touristische Hotspots gefordert, um diese baurechtlich zu regulieren. Auch eine Beteiligung von Quartiers- und Stadtteilbeiräten an der Tourismusplanung ist vorgesehen. „Und wir brauchen – auch aufgrund der Erfahrung von Städten wie Barcelona und Amsterdam – eine Beteiligung der Bevölkerung an der touristischen Planung“, fordert Jersch.