Hamburg. Hamburger Initiativen wollen Abstimmung über bedingungsloses Grundeinkommen und schärferen Klimaschutz. Ampel-Aus erschwert ihren Erfolg.

Es war schon ein Schock: Gerade erst hatte die Volksinitiative „Hamburg testet Grundeinkommen“ in einem Newsletter an die Unterstützer über die vielen gesammelten Unterschriften gejubelt, die das Volksbegehren zu einem der erfolgreichsten gemacht haben, das es je in Hamburg gab. Hatte sie auf den Volksentscheid im September eingestimmt, in dem die Hamburgerinnen und Hamburger parallel zur Bundestagswahl über die Erprobung des bedingungslosen Grundeinkommens entscheiden sollten.

Neuwahlen 2025 versemmeln die Chancen zweier Volksbegehren in Hamburg

Da platzte am nächsten Tag die Bombe: Aus für die Ampel-Regierung, Neuwahlen schon Anfang des Jahres und nicht erst im September. Also kein paralleler Urnengang, der eigentlich fast schon als Voraussetzung für einen erfolgreichen Volksentscheid gilt. Also 95.842 Unterschriften gesammelt – und alles umsonst?

„Das war schon dramatisch“, sagt Laura Brämswig, Mitbegründerin der Initiative, am Telefon. „Die Stimmung war erstmal gedrückt, nachdem alle so euphorisch gewesen waren, dass wir so weit gekommen und diesen Schritt erreicht haben.“ Etwas gedrückt klingt sie auch jetzt noch. Denn die Volksinitiative muss entscheiden, ob sie trotzdem einen Volksentscheid im Herbst wagen möchte – mit dem Risiko, dabei zu scheitern, weil zu wenig Menschen in die Wahllokale kommen.

Hohe Hürden: 265.000 Hamburgerinnen und Hamburger müssten mit Ja stimmen

Denn die Hürden sind einigermaßen hoch, schließlich ist das Ergebnis bindend wie Gesetze, die die demokratisch gewählte Bürgerschaft beschließt. 10.000 Unterschriften müssen Initiativen in der ersten Stufe für ihr Anliegen sammeln, das mussten die Verfechter des Grundeinkommens noch einmal mit einem veränderten Gesetzestext wiederholen, weil der erste nicht zulässig war. Dann mindestens rund 66.000 Unterschriften binnen drei Wochen sammeln – Stufe zwei erklommen. Schließlich ist beim Volksentscheid in der dritten Stufe nicht nur eine Mehrheit an Jastimmen erforderlich, sondern auch ein sogenanntes Quorum: 20 Prozent der Wahlberechtigten in Hamburg müssen dem Anliegen des Volksentscheids zustimmen. Das sind rund 265.000 Menschen.

„Wir müssen also nicht nur dafür werben, dass die Hamburgerinnen und Hamburger mit Ja stimmen, sondern auch dafür sorgen, dass sie überhaupt daran denken hinzugehen“, sagt Brämswig. Die Initiative setzt sich dafür ein, dass 2000 Hamburger unterschiedliche Modelle des Grundeinkommens testen. Es sei schwer vorherzusagen, wie viele Menschen sich für das Anliegen mobilisieren ließen, wenn sie nicht am selben Tag ohnehin ins Wahllokal gingen für eine andere Wahl.

Grundeinkommen für 2000 Hamburger: Unterstützer bei der Stange halten

Man habe die Optionen geprüft: Den Volksentscheid auf den Tag der Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 vorzuziehen, sei rechtlich nicht zulässig, weil die Bürgerschaft nach dem offiziellen Zustandekommen des Volksbegehrens vier Monate Zeit hat, darüber zu beraten, ob sie den Gesetzentwurf übernehmen will. Die Initiative habe auch überlegt, den Volksentscheid auf den Zeitpunkt der nächst folgenden regulären Wahl zu verschieben, diese Möglichkeit aber verworfen: Vier Jahre sind zu lang, um die Unterstützer bei der Stange zu halten. Rund 800 Menschen hatten – teils gegen Aufwandsentschädigung – Unterschriften gesammelt. Finanziell wird die Volksinitiative „Hamburg testet Grundeinkommen“ von der Uni Freiburg unterstützt.

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„Wir wollen jetzt mit unseren Ehrenamtlichen diskutieren, ob wir es wagen, im Herbst ohne parallel stattfindende Wahlen anzutreten“, so Brämswig. Das Meinungsbild sei derzeit gemischt. Klar ist: „Wenn wir antreten, wollen wir keinen Achtungserfolg, wir wollen gewinnen“, sagt sie. Ein Scheitern, selbst wenn es äußere Gründe hätte, könne das Anliegen beschädigen.

Neuwahl schadet Chancen der Initiative: „Haben uns schon sehr geärgert“

„Seit Jahren arbeiten wir auf diesen Punkt hin, alle haben sich auf den Volksentscheid als finales Element gefreut. Wir haben alles darauf ausgerichtet, sehr viel Arbeit hineingesteckt, da haben wir uns schon sehr geärgert, als wir hörten, dass die Bundestagswahl nicht im September, sondern deutlich früher stattfindet.“ Der Volksentscheid wäre der erste seit dem erfolgreichen Plebiszit über den Rückkauf der Energienetze 2013. Seither gab es keine Volksabstimmung mehr.

Eine Chance bietet aus Brämswigs Sicht die Zusammenarbeit mit der Volksinitiative Zukunftsentscheid, die eine Abstimmung über verbindliche Klimaschutzziele in Hamburg ebenfalls am ursprünglich vorgesehenen Bundestagswahltermin im September geplant hatte. Auch hier gibt es Enttäuschung über die vorgezogenen Neuwahlen. Die Initiative hatte sogar 106.374 Unterschriften beim Volksbegehren in diesem Frühherbst gesammelt. Das Bündnis aus Fridays for Future, Nabu, Ver.di und dem Mieterverein zu Hamburg fordert die gesetzlich verpflichtende Sozialverträglichkeit von Klimaschutzmaßnahmen sowie ein jährliches Maximalbudget für CO₂-Emissionen bis zur Klimaneutralität 2040

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Die notwendigen 265.000 Befürworter eines verschärften Klimaschutzes an die Wahlurnen zu bringen, „ist auf jeden Fall eine große Hürde für uns“, sagt Annika Rittmann von Fridays for Future, eine der Initiatorinnen des Volksbegehrens. Man habe aber beim Sammeln der Unterschriften erlebt, wie groß die Bereitschaft in der Bevölkerung ist, sich für verbindliche Klimaschutzziele einzusetzen. „Deswegen sind wir überzeugt, auch den Entscheid schaffen zu können.“

Vertreterinnen und Vertreter der Volksinitiative „Hamburger Zukunftsentscheid“ jubelten vor wenigen Wochen über 106.374 gesammelte Unterschriften. Sie wollen, dass Hamburg nicht erst 2045, sondern schon 2040 klimaneutral wird.
Vertreterinnen und Vertreter der Volksinitiative „Hamburger Zukunftsentscheid“ jubelten vor wenigen Wochen über 106.374 gesammelte Unterschriften. Sie wollen, dass Hamburg nicht erst 2045, sondern schon 2040 klimaneutral wird. © dpa | Marcus Brandt

Die politische Situation auf Bundesebene zeigt deutlich, wie wichtig es gerade jetzt sei, verlässliche Klimaschutzziele auch wirklich verbindlich festzuschreiben. „Der ehemalige Bundesfinanzminister Christian Lindner hat mal eben die Abschaffung nationaler Klimaziele gefordert. Umso entscheidender ist es, dass diese Klimaschutzziele auch auf Landesebene festgeschrieben sind.“

Um den Entscheid zu gewinnen, müsse das Bündnis deutlich machen, wie wichtig es sei, dass jede Person abstimmt: ob an diesem Tag im Wahllokal oder von zu Hause per Briefwahl . „Wir gehen von einem Volksentscheid im Herbst aus, ein genauer Tag steht noch nicht fest“, sagt Rittmann. Man sei auch mit der Volksinitiative „Hamburg testet Grundeinkommen“ über einen möglichen gemeinsamen Termin im Austausch. Wenn es zu schaffen ist, dann wohl eher gemeinsam.